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02.07.05 / Gesunder Menschenverstand

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Juli 2005

Hans-Jürgen Mahlitz:
Gesunder Menschenverstand

Politik paradox: In diesen Tagen tritt der amtierende Kanzler vors Parlament und bittet um dessen Mißtrauen, damit er anschließend vors Volk treten und dieses um sein Vertrauen bitten kann - für eine Politik, zu der er selber unverdrossen steht, die im Wahlprogramm der ihn tragenden Partei jedoch nicht mehr vorkommt. Die Opposition will dem nicht nachstehen, verkündet tapfer, sie werde alles besser machen und deshalb werde es viele noch viel schlimmer treffen, läßt das Volk über die Details vorerst im Unklaren und überläßt die Programmdiskussion zunächst einmal Sonntagsrednern und Hinterbänklern, die durch unausgegorene Steuererhöhungs-, Steuersenkungs- und Was-weis-ich-Pläne auf sich aufmerksam machen wollen; immerhin sind ja nach dem erhofften Wahlsieg allerlei Pöstchen zu vergeben.

Während die SPD sich von Schröders Agenda 2010 verabschiedet hat und auf Neidsteuer und andere Ladenhüter aus der sozialistischen Mottenkiste setzt, muß die Union erst noch zu einer klaren, erfolgversprechenden und ehrlichen Konzeption finden. Von Merkel und Stoiber hören wir in diesen Tagen immer wieder, absoluten Vorrang habe für sie alles, was mehr Arbeitsplätze schafft. Im Prinzip ist das völlig richtig: Wachstums- und Beschäftigungspolitik ist die beste Sozialpolitik.

Ein wirklich spürbarer Rückgang der Arbeitslosigkeit - da geht es nicht um Hunderte oder Tausende, sondern um Hunderttausende - würde die staatlichen Sozialsysteme von erheblichen Ausgaben entlasten und zugleich endlich das Geld in die öffentlichen Kassen bringen, das diese so dringend benötigen. Dann wären übrigens auch die Mittel da, um grundlegende Reformen ohne unerträgliche Härten für den einzelnen Bürger durchzuziehen.

Denn dies ist der Kern des Dilemmas: das Ungleichgewicht zwischen Einnahmen und Ausgaben. Im vielgeschmähten und in Wahrheit in vielen Dingen so vorbildlichen Staate Preußen galt stets die Devise: Man darf nicht mehr ausgeben, als man vorher eingenommen hat. Schuldenmachen war - zumindest in den Dimensionen, die wir seit Jahrzehnten in der Bundesrepublik (alt und neu) erleben - absolut unpreußisch.

Die Politiker, die jetzt darüber brüten, mit welchen Wahlversprechungen sie die Bürger für sich gewinnen können, wären gut beraten, sich dieser alten preußischen Tugend zu entsinnen. Nehmen wir als Beispiel die Gesundheitsreform. Ob Bürgerversicherung oder Kopfpauschale - beide Modelle locken mit der Aussicht auf deutlich nied-rigere Beiträge. Zugleich erfahren wir, nicht zuletzt durch kritische Medien, Tag für Tag von Unzulänglichkeiten in unserem Gesundheitswesen, die zu beheben natürlich Geld kostet. Und auch der begrüßenswerte wissenschaftlich Fortschritt - man denke nur an die Genforschung - bewirkt in aller Regel nicht eine Verbilligung, sondern eher eine Verteuerung der medizinischen Versorgung.

Im Klartext heißt das: Wer eine bessere ärztliche Versorgung will, muß mehr dafür zahlen; wer nied-rigere Beiträge will, muß eine Einschränkung der medizinischen Leistungen in Kauf nehmen. Mehr Leistung für weniger Geld, das geht nun einmal nicht, weder im Gesundheitswesen noch in anderen Bereichen des öffentlichen wie des privaten Lebens.

Um dies zu erkennen, braucht man keine komplizierten mathematischen Formeln - es reichen die Grundrechenarten und der gesunde Menschenverstand. Letzterer scheint vielen unserer Politiker abhanden gekommen zu sein - sonst würden sie nicht vor jeder Wahl den Bürgern Dinge vesprechen, von denen sie selber ganz genau wissen, daß sie sie nicht einhalten können.


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