16.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
02.07.05 / Schwere Wahrnehmungsstörung / Deutsche halten sich unberechtigterweise für im Ausland unbeliebt

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Juli 2005

Schwere Wahrnehmungsstörung
Deutsche halten sich unberechtigterweise für im Ausland unbeliebt

Sie sind so etwas wie die Trumpfkarte in deutschen Debatten: Die "Empfindungen", besser noch die "Ängste und Befürchtungen des Auslandes" zieht hierzulande jeder gern aus dem Ärmel, um seinen Gegner mattzusetzen. In einer Mischung aus anerzogenem Schuldkomplex und latenter Einkreisungsangst haben es sich die Deutschen angewöhnt, auf alle Regungen ihrer Nachbarn äußerst empfindlich zu reagieren - wobei sie, wie sich zeigt, vor allem Gespenster sehen.

Nach einer in der vergangenen Woche veröffentlichten Studie des US-amerikanischen "Pew Research Center" sind tatsächlich 43 Prozent der Deutschen der Auffassung, sie seien im Ausland eher unbeliebt, nur 51 Prozent halten sich als Deutsche für beliebt. Nur die Türken, von denen sich 66 Prozent für wenig populär halten, und US-Amerikaner, wo dies sogar 69 Prozent tun, sind hinsichtlich ihres internationalen Ansehens noch verunsicherter.

Während indes die USA in der Tat mit einem beträchtlichen Image-Problem zu kämpfen haben, das nicht unwesentlich auf den Irakkrieg zurückgeführt wird, leiden die Deutschen offenbar unter einer schweren Wahrnehmungsstörung. Laut der US-Studie erfreut sich nämlich unter fünf untersuchten Nationen keine andere solcher Beliebtheit wie gerade die Deutschen (siehe Graphik). Die Meinung der Franzosen über ihren germanischen Nachbarn kann dabei als geradezu euphorisch bezeichnet werden: Bei 89 Prozent Positivbewertungen scheint es dort praktisch niemanden mehr zu geben, der "die Deutschen" an und für sich nicht mag. Die große Überraschung folgt auf Platz zwei: Auch überragende 88 Prozent der Niederländer bewerten uns positiv. Keine der zur Auswahl gestellten Nationen erreichte in irgendeinem Befragungsland gleich hohe Sympathiewerte wie die Deutschen in Frankreich und den Niederlanden. Letzteres mag besonders überraschen: Noch bis vor kurzem galt es hierzulande als ausgemacht, daß uns die Holländer nicht leiden können, was viele Deutsche mit gleicher Münze heimzahlten. Harald Schmidt kalauerte unlängst: "Die neueste Umfrage hat ergeben: 70 Prozent der Deutschen wünschen gute Nachbarschaft. Die übrigen 30 Prozent wohnen an den Grenzen zu Polen und Holland."

Hinsichtlich der Niederländer ist die hier humorig aufbereitete Feindseligkeit offensichtlich Schnee von gestern. Nicht ganz so rosig sieht es hingegen beim Nachbarn im Osten aus: Bei den Polen erreichen die Deutschen nur vergleichsweise magere 64 Prozent Positivwertungen. Damit liegen sie indes immer noch vor Frankreich und sogar den USA, was jenseits des Atlantiks mit Enttäuschung aufgenommen werden dürfte: Von den Polen erwartete man im Weißen Haus bis dato eine ausgeprägte Pro-Amerika-Haltung, erst recht, nachdem sie von George Bush zum "neuen Europa" geadelt und als solches gezielt gegen Deutschland und Frankreich in Stellung gebracht worden waren.

Interessant ist, daß nur die Deutschen selbst sich ebenso reserviert betrachten wie sie von den Polen gesehen werden. Gegenüber den Spitzenwerten, welche die Deutschen im Ausland bekommen, fällt die Note, die sie sich selbst, sprich: ihren Landsleuten geben, kräftig ab. Ebenfalls nur 64 Prozent der Deutschen beurteilen ihr Volk positiv. Wer also eine "Image-Kampagne" für Deutschland starten will, sollte besser gleich dableiben und mit der Arbeit im eigenen Land beginnen. Hier gibt es am meisten zu tun. Zur Einstimmung seien Gespräche mit ausländischen Besuchern beliebiger Herkunft angeraten: Unisono ist da zu hören, daß man kaum verstehe, mit welch schrägem Eifer Deutsche unaufgefordert bereit seien, ihr eigenes Land und Volk in düsterste Farben zu tauchen. Diese von den maulenden Deutschen als "Selbstkritik" mißverstandene Unart kann nicht nur so manchem Ausländer die freudig angetretene Deutschlandtour versauern, es kann auch zu unerfreulichen Irritationen führen. Estlands Präsident Lennart Mery warnte in seiner Festrede zum 3. Oktober vor zehn Jahren bereits: Einem Land, das sich selbst nicht traue, könne er auch nicht vertrauen. In jener Rede nannte er Deutschland eine "Canossa-Republik". H. Heckel


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren