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02.07.05 / Das Sonnenfeuer auf die Erde holen / Wie liefert die Sonne die Idee zur Energiegewinnung der Zukunft

© Preußische Allgemeine Zeitung / 02. Juli 2005

Das Sonnenfeuer auf die Erde holen
Wie liefert die Sonne die Idee zur Energiegewinnung der Zukunft

Was wird, wenn erschöpft ist, was wir heute zur Energiegewinnung nutzen? Wer liefert uns Wärme und Strom, wenn die gegenwärtig genutzten Energieträger wie Kohle, Erdöl, Erdgas versiegt sein werden? Wie machen wir nutzbar, was als Energiequelle dauerhaft und unversiegbar zur Verfügung steht? Mit den Energiequellen Wasser, Biomasse, Sonnenwärme und Wind allein ist kein Staat zu machen; sie vermögen den menschlichen Energiebedarf allenfalls theoretisch, aber nie wirklich voll zu decken.

Der Rotary Club Bad Nauheim-Friedberg wollte es genauer wissen und hatte den Physiker Professor Dr. rer. nat. Hans-Jürgen Hartfuß gebeten, über den Forschungsstand zu berichten. Hartfuß gehört zum Max-Planck-Institut für Plasmaphysik in Greifswald. Dieses Institut will die Kernfusion für die Menschen ebenso nutzbar machen, wie es mit der Kernspaltung (in Kernkraftwerken) schon seit Jahrzehnten geschieht, aber ohne deren Nachteile. Gegenwärtig wird dort das weltweit größte Fusionsexperiment vom Typ Stellarator gebaut, Wendelstein 7-X genannt. Hartfuß ist Abteilungs- und Projektleiter und für die Diagnostik des Experiments zuständig.

Die Antwort auf die Frage "Was wird, wenn ..." liefert die Sonne. Hartfuß beschreibt sie als einen "gewaltigen Kernfusionsreaktor", in der riesige Mengen Wasserstoff zu Helium verbrannt werden. Und in Greifswald wird daran gearbeitet, das, was in der Sonne stattfindet und gewaltige Energie freisetzt, auf der Erde gleichsam zu kopieren und den künftigen Energiebedarf der Menschheit mit Hilfe dieser irdischen Kopie sicherzustellen. Es geht also darum, "das Sonnenfeuer auf die Erde zu holen", wie Hartfuß sagt.

Kann man das wirklich? Hartfuß ist davon fest überzeugt und die vielen anderen (deutschen und ausländischen) Forscherkollegen mit ihm: "Man kann, aber es wird noch dauern." Das erste Kernfusionskraftwerk, das Strom ins öffentliche Netz liefern kann, wird nach seiner Schätzung und nach heutigem Kenntnisstand 2050 gebaut sein, falls alle bis dahin noch nötigen Experimente und Vorstufen ohne Rückschläge geglückt sind.

Hartfuß schildert das Verfahren, den Stand der Forschung, die nächsten Schritte und welche Schwierigkeiten bei dem überaus komplizierten Vorhaben zu bewältigen sind. Dies alles gelingt ihm - frei vorgetragen und mit Gedanken geradezu übersprudelnd - in großer Anschaulichkeit. Das Verfahren besteht darin, leichte Atomkerne miteinander zu verschmelzen und aus der Reaktionshitze die gewünschte Energie zu gewinnen. Von allen möglichen Verschmelzungsreaktionen, die für ein Fusionskraftwerk in Frage kommen, ergibt die Reaktion zwischen den beiden Wasserstoff-Isotopen Deuterium und Tritium die größte Energieausbeute bei der vergleichsweise niedrigsten Temperatur.

Der Fusionsreaktor Sonne allerdings verwendet normalen Wasserstoff. Im Aggregatzustand als heißes Plasma wird er dort durch den ungeheuren Druck infolge der Schwerkraft der Sonne zusammengehalten. Anders im Fusionskraftwerk auf der Erde; hier muß die Verschmelzung kontrolliert in einem geschlossenen Behälter ablaufen und das heiße Brennstoffgemisch in einen Magnetfeldkäfig eingeschlossen werden, um es von den Wänden des Vakuumgefäßes fernzuhalten. Aber um die beiden Brennstoffe in diesem "Ofen" zur Fusion, zur Verschmelzung ihrer Kerne zu bringen, muß die aus ihnen bestehende Plasma-Masse mehr als höllisch erhitzt werden, nämlich auf rund 100 Millionen Grad Celsius.

Um sie auf diese Hitze zu entzünden, verwendet man als "Streichholz" zum Beispiel elektromagnetische Wellen und strahlt sie mit einem starken Sender auf das Wasserstoffgas-Brennstoffgemisch ein, wo sie dieses rasch ionisieren und auf hohe Temperaturen aufheizen. Das Prinzip entspricht dem des Mikrowellenherdes. Um den Kernfusionsprozeß zu starten, bedarf es eines solchen "Zündungsimpulses" von nur wenigen Sekunden Dauer mit einer Heizleistung von typisch 10 Mega-Watt. Die Energie dafür liefert elektrischer Strom. Diese einmaligen zehn Mega-Watt stoßen dann einen Prozeß an, der kontinuierlich 3.000 Mega-Watt (drei Giga-Watt) als thermische Leistung liefert und so lange läuft, bis man den Reaktor - zum Beispiel für Wartungsarbeiten - abschaltet.

Das Schöne an dieser Kernfusion ist: Der Brennstoff ist nicht nur so gut wie unerschöpflich vorhanden, sondern auch (anders als Kohle, Erdöl, Erdgas, Uran) gleichmäßig über den Erdball verteilt, denn gewonnen wird das Deuterium aus dem Meer und das Tritium aus dem in der Erdkruste überall vorhandenen (mindestens für 30.000 Jahre reichenden) Lithium. Damit sind rohstoffpolitische Konflikte wie bei den fossilen Energierohstoffen nicht zu befürchten. Das Schöne ist ferner die in dem Verfahren selbst liegende Sicherheit, weil es sich bei Störung von allein abschaltet. Auch gibt es keine Emissionen, und der radioaktive Abfall ist (als eine Folge der Aktivierung der Reaktorgefäßwände) deutlich geringer als bei Kernspaltungsreaktoren und gilt daher als akzeptabel.

Der nächste Schritt auf dem Weg zu einem Energie liefernden Fusionsreaktor ist das Großexperiment International Thermonuclear Experimental Reactor (ITER), gemeinsam betrieben und finanziert von Europa, Japan, Rußland, den Vereinigten Staaten, China und Südkorea sowie ins Werk gesetzt durch deren Forschungskapazitäten. Auf dem nächsten Gipfeltreffen der G8-Staaten wird der Baubeschluß und der voraussichtliche Standort Frankreich verkündet werden.

Die Planung für ITER läuft schon seit 17 Jahren. Das Großexperiment soll nachweisen, daß sich die Kernfusion zur Energiegewinnung prinzipiell eignet und daß das Konzept, das heiße Plasma mit Hilfe von starken Magnetfeldern einzuschließen, zukunftsträchtig ist. Hartfuß: "Damit wird dann gezeigt werden, daß man das Sonnenfeuer tatsächlich auf die Erde holen kann."

Ist ITER fertiggestellt, vermutlich im Jahr 2015, wird mit ihm mindestens 20 Jahre experimentiert. Läuft alles wie geplant, wollen die Forscher noch während dieser Laufzeit den Prototypen eines Fusionskraftwerkes planen und bauen, abgekürzt DEMO genannt. Der Prototyp könnte frühestens 2035 fertig sein. Wenn auch er erfolgreich läuft, lassen sich Fusionskraftwerke zur kommerziellen Stromgewinnung errichten. Das wird aber nicht vor 2050 sein. Klaus-Peter Krause

Energie pur: Während die Reaktionen auf der Sonne ungehindert ablaufen, müßten sie auf der Erde unter Kontrolle gehalten werden.


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