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09.07.05 / Feines Gespür für sachlich schöne Form / Vor 125 Jahren wurde der Architekt Friedrich Lahrs in Königsberg geboren - Er schuf das Grabmal für Immanuel Kant

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Juli 2005

Feines Gespür für sachlich schöne Form
Vor 125 Jahren wurde der Architekt Friedrich Lahrs in Königsberg geboren - Er schuf das Grabmal für Immanuel Kant

Wenn in diesem Jahr der Gründung der Stadt Königsberg vor 750 Jahren gedacht wird, dann wird gewiß auch der Name eines Mannes fallen, der mit seinem Wirken viel für das Gesicht der Stadt getan hat: Friedrich Lahrs. Es war im Jahr 1936, da der Architekt zum "Bohnenkönig" der Gesellschaft der Freunde Kants erkoren wurde. Aus diesem Anlaß übergab er den versammelten Herren eine Mappe mit acht Blättern, auf denen er Bauten seiner Vaterstadt festgehalten hatte, wie sie zu Zeiten des großen Philosophen ausgesehen hatten. - "Man muß schon die alten Bilder, Zeichnungen und Lithographien zu Hilfe nehmen, um die Stadt Kants wieder aufleben zu lassen", sagte er damals. "Da aber der Darstellungsstil früherer Zeiten vieles für uns fremd und unwirklich erscheinen läßt, so habe ich auf den acht Blättern der Mappe ... bemerkenswerte Punkte der Stadt aus den Prospekten zusammengetragen und so gezeichnet, als ob sie heute noch ständen ..."

Eng ist der Name Friedrich Lahrs mit dem des großen Philosophen Kant verbunden, schuf er doch das Grabmal am Dom, das wie durch ein Wunder die Schreckensnacht vom 29. / 30. August 1944 überstand. Während fast alle berühmten Bauwerke der alten Pregelstadt im Krieg zerstört wurden oder später der Spitzhacke zum Opfer fielen, blieb das 1924 eingeweihte Kant-Mausoleum erhalten. Noch heute wird es von den Russen gepflegt und gilt als einer der Hauptanziehungspunkte für Touristen.

Friedrich Lahrs wurde vor 125 Jahren am 11. Juli 1880 in Königsberg geboren. Er besuchte das Löbenichtsche Realgymnasium und legte dort 1898 das Abitur ab. Bald zog es ihn nach Berlin, wo er an der Technischen Hochschule in Charlottenburg Hochbau studierte. Nachdem er sein Studium beendet hatte, arbeitete Lahrs als Regierungsbauführer in Berlin. Sein erster Erfolg war 1902 die Errichtung der Schleusenanlage in Klein Machnow südlich von Berlin. Er verzichtete bei dieser Arbeit auf alles schmückende Beiwerk. "Architektur war nicht künstlich gemacht, sondern aus Zweck und Umgebung gewachsen", lobte die Kritik. Bereits 1906 wurde er für seine Arbeit mit dem Schinkel-Preis ausgezeichnet.

Ludwig Dettmann, der rührige Direktor der Kunstakademie Königsberg, war es schließlich, der Lahrs 1908 in seine Vaterstadt zurückrief. Seine Frau Maria Lahrs erinnerte sich später an die erste Begegnung der beiden: "Professor Ludwig Dettmann ... kam nach Berlin. Der Staat wollte eine neue Kunstakademie bauen, außerhalb der Stadt, in einem schönen grünen Gelände. Dettmann wollte nach einem Architekten suchen, dem er einen so großen Bau anvertrauen könnte. Friedrich Lahrs war nach seiner Staatsprüfung, die er mit Auszeichnung gemacht hatte, als Baumeister am Kammergericht. Professor Dettmann fragte Bruno Paul, wer da wohl in Frage käme. Ja, da wäre ein mit der Schinkelmedaille ausgezeichneter Architekt, von dem man ziemlich viel erwarte, Friedrich Lahrs.

Dettmann suchte ihn auf mit seinem Stadtplan. Sie würden in Königsberg eine Akademie bauen, in hübschem Gelände, also hier, hier ginge die Straße ... ,Nach Juditten', bemerkte Lahrs. Dettmann sah ihn fragend an ... und hier wäre ein schöner Park! ... ,Der Douglas-Park.' Dettmann fragte: ,Woher wissen Sie das?' - ,Nun, ich bin Königsberger, und meine alten Eltern wohnen dort.' - ,Kommen Sie, kommen Sie, wir werden das gleich mit dem Minister besprechen ...'"

Lahrs wirkte jedoch nicht nur als Architekt in Königsberg, sondern er erhielt auch den neugeschaffenen Lehrstuhl für Architektur und wurde 1911 zum Professor ernannt. Neben der neuen Kunstakademie und dem Kant-Mausoleum am Dom schuf er viele weitere bekannte Bauwerke für seine Vaterstadt, so Wohn- und Geschäftshäuser und die neue Kunsthalle am Wrangelturm, die ebenfalls heute noch erhalten ist. Nils Aschenbeck schreibt in dem Heft "Moderne Architektur in Ostpreußen" (herausgegeben von der Landsmannschaft Ostpreußen, Abt. Kultur) über die Kunsthalle: "Das Gebäude, das in der Nachbarschaft des Wrangelturms errichtet worden war, erinnert stark an die Ausstellungsgebäude, die Peter Behrens 1905 und 1906 errichtet hatte, es erinnert auch an seine Fabrikbauten. Der Klassizismus wird weitmöglichst reduziert. Nur noch wenige, hell gestrichene Gesimse zeichnen die Grundformen nach, während der Baukörper sonst ohne jeden Schmuck bleibt. Die Kunsthalle mit ihrem Portikus erscheint als schwere Masse, als ein Monument ..."

Auch restaurierte Friedrich Lahrs einige Kirchen in und um Königsberg, baute Stadt- und Gutshäuser, das Schalthaus für das Königsberger Elektrizitätswerk, schuf zahlreiche Totengedenkstätten und erwarb sich durch Grabungen auf dem Schloßgelände in Königsberg große Verdienste. Durch diese archäologische Tätigkeit gelang es ihm, Form und Grundriß der alten Bauten festzustellen. Ergebnis dieser Forschungen war ein Buch, das 1956 unter dem Titel "Das Königsberger Schloß" vom Herder-Forschungsrat in Marburg im Stuttgarter W. Kohlhammer Verlag herausgebracht wurde. Doch auch weniger spektakuläre Arbeiten stammen von Friedrich Lahrs, etwa die Kandelaber vor dem Königsberger Stadttheater oder die "ebenso praktische wie gefällige ,Brikettform' unserer Straßenbahnen", wie Ludwig Goldstein es so treffend 1927 in der Königsberger Hartungschen Zeitung formulierte.

Bis 1934 war Friedrich Lahrs an der Kunstakademie tätig, als freier Architekt wirkte er in seiner Vaterstadt bis zur Vertreibung. Neben Werken aus Stein entstanden auch zarte Zeichnungen und Aquarelle, darunter "zauberhaft köstliche Kinderporträts", wie sein Freund, der Bildhauer Hermann Brachert einmal anerkennend sagte und den Zeichner und Aquarellisten so in die Nähe von Schinkel rückte. Auch Tochter Katharina Eßlinger weiß von ihrem Vater zu berichten: "Kinder malen ist wie Fliegen fangen, sagte er. Wer die Kinderbilder gesehen hat, muß bemerken, daß Friedrich Lahrs einen besonderen Sinn für die Kleinen hatte, ihren Schmelz und ihre Unschuld." Doch nicht nur Porträts schuf der Architekt und Zeichner Friedrich Lahrs, auch Skizzen und Aquarelle von Landschaften entstanden - in Ostpreußen, auf Reisen und später im Westen. "Zeichnen ist Schreiben", soll er gern gesagt haben. Sein Talent hat Friedrich Lahrs übrigens an seine drei Töchter vererbt - zwei von ihnen sind Malerinnen, eine wurde Architektin. Selbst ein Urenkel ist Architekt geworden.

Am 28. Januar 1945 schloß Fried-rich Lahrs die Haustür in Königsberg hinter sich. "Die Schlüssel trug er bis zu seinem Tod leise lächelnd in der Hosentasche", erinnerte sich seine Frau. Über Tuningen bei Bad Dürrheim, wo eine seiner Töchter lebte, gelangte das Ehepaar Lahrs nach Stuttgart. Dort starb der unvergessene Baumeister am 13. März 1964 an den Folgen eines Autounfalls. In einem Nachruf auf den Freund schrieb der Bildhauer Hermann Brachert: "Er war kein Moderner im üblichen Sinn, aber er hatte ein feines Gespür für sachlich schöne Form." Silke Osman

Friedrich Lahrs: Architekt und Zeichner Foto: Archiv


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