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09.07.05 / Königsbergs Universität erhielt Kants Namen / Prof. Dr. Rudolf Fritsch lehrt zukünftig an der "Staatlichen Ruissischen Kant-Universität"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 09. Juli 2005

Königsbergs Universität erhielt Kants Namen
Prof. Dr. Rudolf Fritsch lehrt zukünftig an der "Staatlichen Ruissischen Kant-Universität"
von Norbert Matern

Rechtzeitig zum diesjährigen 750. Stadtjubiläum hat die Königsberger Universität ihren Namen in "Staatliche Russische Kant-Universität" geändert. Sie hat rund 12.000 Studenten in 13 Fakultäten. Im Auftrag der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität pflegt der im ostpreußischen Johannesburg geborene Ordinarius für Mathematik Professor Dr. Rudolf Fritsch, die offiziellen Kontakte und mehr. Seit 1994 "opfert" er seine Semesterferien, um in Königsberg zu lehren. Selbst der Universitätsprospekt bildet ihn ab: Lachend mit einem großen Blumenstrauß, denn 2003 hat er die dortige Ehrendoktorwürde empfangen. Die entsprechende Urkunde gab es in drei Ausfertigungen, in Latein, in Russisch und in Deutsch.

60 Studenten hat der schlanke, drahtige Wissenschaftler vor sich sitzen, wenn er auf Deutsch im wenig anziehenden Betonbau auf dem früheren Gelände des Uni-Reitstalls seine Vorlesung hält. "Das Übersetzen ist nicht schwer, wir Mathematiker haben unsere Fachsprache, da versteht man sich schon." Sorge macht ihm anderes: "Meine Studenten teilen sich in zwei Gruppen: die Begabten, die auf Grund ihrer Leistung zum Studium zugelassen wurden, und die sogenannten Kontraktstudierenden. Als Kinder vermögender Eltern haben sie sich eingekauft. Sie bezahlen für ihr Studium und manchmal auch für mehr. Denn die Gehälter sind niedrig und schließlich müssen meine hiesigen Kollegen ja sich und ihre Familie ernähren. Manchmal unterrichten sie noch als Nebenjob an einer Schule." Fritsch benutzt im Hörsaal zwei nagelneue Tafeln aus der Bundesrepublik Deutschland. "Die Einfuhr beschäftigte den russischen Zoll mehrere Tage. Er war nur gewohnt, gebrauchte Dinge einzuführen."

Zunächst wohnte Fritsch in einer der beiden unteren Etagen des Studentenwohnheims Nr. 1, die von der Göttinger Universität restauriert wurden. Dort gehört zum Appartement eine Naßzelle. Die oben wohnenden Studenten dürfen einmal pro Woche im Keller duschen. Jetzt wohnt er etwas besser im einstigen Heeresbekleidungsamt mit extrem hohen Räumen an einem Bahndamm. Auch dort gibt es - wie bei fast allen Wohnungen in Königsberg - zwei Türen: zur Sicherheit vor Einbrüchen zunächst eine Stahl-, dann die normale Wohnungstür.

Als die Unterführung zur Straßenbahnhaltestelle drei Tage lang von heftigem Regen überflutet war, mußte er über die Gleise klettern, um die Bahn zu erreichen. "Mit dem Bus oder gar Taxi zu fahren ist derzeit ganz schlecht. Zum Stadtjubiläum ist ganz Königsberg eine Baustelle, Staus und Umleitungen sind an der Tagesordnung." Und das war eine Überraschung: "Als ich 1994 ... kam, drückte man mir einen Straßenbahnfahrplan aus dem Jahre 1930 in die Hand. Und er stimmte noch ungefähr."

Gewöhnungsbedürftig ist die Abfallentsorgung. Morgens um acht und noch einmal abends kommt ein Müllwagen auf den man eigenhändig seine Tüten wirft. Da hinein kommen auch die verblühten Blumen. "Denn Blumen braucht die russische Seele. Blumen sind immer dabei. Als ich das erstemal bei einem Kollegen eingeladen worden war, gab er mir vorher Blumen für seine Frau. Dabei wußte ich doch selbstverständlich, daß man Blumen mitbringt."

Fritsch kann kyrillische Buchstaben lesen und hatte ein Jahr in der Schule Russisch. "Damit komme ich durch", erzählt uns Fritsch. In den Supermärkten sei alles gut ausgezeichnet. Laut der deutschen putinkritischen Monatszeitschrift Königsberger Express gehöre der Inhaber der Supermarktkette Viktoria zu den zehn millionenschwersten Königsbergern. "Am Kiosk kann ich mich verständlich machen. Denn viel, sogar eine Glühbirne, kauft man am Kiosk."

Vier Straßen haben in Königsberg ihre deutschen Namen behalten. So die Wagner- , die E. Th. Hoffmann- und die Besselstraße. "Kuriosum: In Pillau gibt es noch die Horst-Wessel-Straße. Als ich kürzlich in einer Schule war, kannten die Kinder den deutschen Namen ,Kneiphof'. Die Stadtführer benutzen deutsche Pläne. Im einstigen Örtchen Brandenburg hängt in einer Kneipe eine Schwarzwälderuhr mit der Inschrift ,Manchmal läuft alles verkehrt'. Der Kneipier hat die Ortsgeschichte handgeschrieben als Buch. In Cranz gibt es das deutsche Schild: ,Heimatmuseum'."

Die meisten von Fritschs Kollegen haben mit der deutschen Stadtgeschichte keine Probleme. Es wird ganz offen darüber gesprochen. "Ich höre auch von Studenten die merkwürdigsten Ansichten. So innerhalb weniger Tage diese: ,Ich suche mir eine Stelle in

Moskau, die Deutschen kommen doch wieder.' Oder: ,Ich und mein Vater werden wohl bleiben.' Oder: ,Dies könnte doch wieder Deutschland werden.'" Fritsch vertritt jedoch die Ansicht: "Diese Ansichten sind weit von der Realität entfernt." Angesprochen auf das Autokennzeichen "KA" (Kaliningrad), meinte ihm gegenüber ein Bekannter: "HK - Hansestadt Königsberg - wäre mir lieber."

Am Jahrestag der Kapitulation von Königsberg, der in der Stadt immer mit vielen Spruchbändern begangen wird, wurde Fritsch diesmal von einem russischen Kollegen unbefangen zum Essen gebeten. Dazu ein anderer Kollege erstaunt: "Wie kann man es einem deutschen Professor zumuten, sich an einem solchen Tage von einem Russen einladen zu lassen?" Das ist russisches Verständnis von Patriotismus.

In Königsberg gibt es so manche zweisprachige Hinweistafel auf deutsche Gebäude oder berühmte Persönlichkeiten. "Es wird viel gemacht", stellt Fritsch fest, "aber dann leider nicht immer gepflegt."

 Königsbergs Universität: Noch mit der alten Beschriftung Foto: Papendick

Prof. Dr. Rudolf Fritsch: Weiß aus seiner Erfahrung als Dozent an der Albertina manches zu berichten Foto: Matern


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