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23.07.05 / "Strahlende Vergangenheit" / Der Wettlauf um die Atombombe und der sowjetische Uranabbau in Sachsen und Böhmen

ï Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Juli 2005

"Strahlende Vergangenheit"
Der Wettlauf um die Atombombe und der sowjetische Uranabbau in Sachsen und Böhmen

Ende 1938 war es den Chemikern Otto Hahn und Fritz Straßmann in Berlin erstmals (allerdings unbeabsichtigt) gelungen, den Kern eines Uranatoms zu spalten. Bereits im Frühjahr 1939 wiesen deutsche Wissenschaftler auch auf die militärischen Anwendungsmöglichkeiten der durch Kernspaltung freigesetzten Energie hin. Das deutsche Heereswaffenamt war sehr interessiert an dieser neuen Technologie, die - so die Einschätzung - dem Land, das als erstes davon Gebrauch machen würde, eine kaum mehr einzuholende Überlegenheit in der Kriegsführung zu verschaffen vermochte. So wurden auf deutscher Seite die entsprechenden zivilen und militärischen Stellen koordiniert und in zunehmend stärkeren Maße auf militärische Verwendungen hin ausgerichtet. Wissenschaftler wie Werner Heisenberg, Otto Hahn und Kurt Diebner arbeiteten damals bereits an einer Waffentechnik, welche "die Explosionskraft der bisher stärksten Explosivstoffe um mehrere Zehnerpotenzen übertreffen" konnte.

Die Probleme für die Kernwaffenforschung allerdings waren vielfältiger Natur: Zum Beispiel konnte Schweres Wasser (siehe Kasten auf dieser Seite) bis dahin nicht in Deutschland hergestellt werden. Erst nach der Besetzung Norwegens 1940 gelang es den Deutschen, die Schwerwasserproduktion erheblich zu erhöhen. Damit bahnte sich eine stabilere Versorgungslösung an, da in Belgien große Radium- und Uranoxydmengen lagerten, die den Deutschen während des "Blitzkrieges" in die Hände gefallen waren.

Nachdem Heisenberg im September 1941 ausreichend schweres Wasser aus Norwegen erhalten hatte, rückte man dem Ziel, der Herstellung der Uranbombe, schon sehr nahe. Man kaufte weiterhin Uran aus dem Ausland hinzu, so daß im Sommer 1944 Deutschland über die damals weltweit größten Uranoxidvorräte verfügte - ausreichend, um eine Atombombe herstellen zu können.

Nach den erfolgreichen "Blitzkriegen" hatte das Interesse des Heeres an der Atomforschung allerdings nachgelassen, da man glaubte, der Krieg sei bereits gewonnen und man könne daher die Rüstungsanstrengungen reduzieren. Im Februar 1942 veranstaltete der Reichsforschungsrat in Berlin eine Tagung zum Stand der deutschen Atomforschung, der hochkarätige Fachleute weitgehend fern blieben. Das bedeutete wohl nicht, daß man die gewaltige Vernichtungskraft dieser neuen Super-Waffe verkannt hatte, sondern wohl eher, daß man auf deutscher Seite meinte, den Sieg schon in der Tasche zu haben.

Propagandaminister Goebbels hingegen schien diesbezüglich skeptischer zu sein, denn er notierte in seinem Tagebuch (21. März 1942): "Die Forschungen auf dem Gebiete der Atomzertrümmerung sind so weit gediehen, daß ihre Ergebnisse unter Umständen noch für die Führung dieses Krieges in Anspruch genommen werden können. Es ergeben sich hier bei kleinstem Einsatz derart immense Zerstörungswirkungen, daß man mit einigem Grauen dem Verlauf des Krieges, wenn er noch länger dauert, und einem späteren Krieg entgegenschauen kann."

Auch Rüstungsminister Albert Speer tendierte in diese Richtung, während Hitler, der eine tiefe Abneigung gegen die "jüdische Physik" und Albert Einstein hegte, dem Atomwaffenprojekt gegenüber eher skeptisch blieb. Dennoch wurde auch auf deutscher - wie auf alliierter - Seite weiterhin an diesem ehrgeizigen Projekt gearbeitet. Und trotz aller Geheimhaltung auf beiden Seiten sickerten verschiedene Details durch, so etwa über das britisch-amerikanische Atomprogramm oder über Angriffe britischer Kommandotrupps und norwegischer Widerstandskämpfer auf die Anlagen der Deutschen für die Herstellung Schweren Wassers. Zu Beginn des Jahres 1944 stand nicht mehr genügend Brennsubstanz zur Verfügung, auch nahmen die Bombardements der Alliierten auf entsprechende Ziele weiter zu. Die noch vorhandenen Forschungsanlagen wurden daraufhin so weit wie möglich in sichere Landstriche verlegt.

Für die Atomwissenschaftler um Heisenberg war die Niederlage nun absehbar, aber sie konzentrierten sich noch 1944/45 auf die Tauglichkeit der sogenannten Gottower Uranmaschine, und das erfolgreich. Hätte das den "Endsieg" bedeutet? Briten und Amerikaner wußten mit ziemlicher Sicherheit ab Mitte November 1944, daß "die Deutschen eine Atombombe weder besaßen, noch in irgendeiner praktikablen Form konstruieren konnten", wie Rainer Karlsch und Zbynek Zeman in ihrem Buch "Urangeheimnisse" schreiben.

Die West-Alliierten fahndeten bei Kriegsende rasch und konsequent nach den Uranerzlagern der Deutschen und konnten den größten Teil (zirka 1.100 Tonnen) bei Magdeburg vor den Russen sicherstellen.

Mit den amerikanischen Atombombenabwürfen über Hiroshima und Nagasaki geriet der sowjetische Diktator Stalin im August 1945 in Zugzwang und erklärte: "Hiroshima hat die Welt verändert." Unter der Leitung des sowjetischen Geheimdienstes wurde ein Sonderkomitee für Atomfragen gebildet und die Forschung vorangetrieben. Aber es fehlte an Uranerz. Aus diesem Grund gerieten nun auch die alten Silbergruben im sächsischen und böhmischen Erzgebirge ins Blickfeld der großen Politik.

Im Sommer 1945 - als die späteren Supermächte bereits einen Konfrontationskurs zu steuern begannen - kamen mehrere Gruppen sowjetischer Geologen zur Uranerzsuche und zur Verpflichtung deutscher Wissenschaftler für die Sowjets nach Deutschland, unter anderem auch nach Freiberg/Sachsen, und in die Tschechoslowakei, so nach Joachimsthal (das an Uran nicht sehr ergiebig war), um Aufschlüsse über die Bergreviere im Erzgebirge zu gewinnen. Zuvor hatten die Amerikaner versucht, möglichst viel uranhaltiges Gestein für sich zu sichern, aber ihre Kenntnisse über die böhmisch-sächsischen Uranvorräte, die bedeutend größer waren als angenommen, waren nicht auf dem aktuellen Stand. So fiel das meiste den Russen in die Hände. Ein "Treppenwitz der Weltgeschichte"? Beileibe nicht, denn die Besatzungsgebiete waren bereits viel früher festgelegt worden.

Im Frühjahr 1946 wurden Erkundungs- und Aufschlußarbeiten auf Uran durchgeführt, und bereits im Herbst 1946 begannen erste Gewinnungs- und Förderarbeiten. Einen nicht geringen Anteil am Abbau des Urans in den folgenden Jahren hatten deutsche Kriegsgefangene sowie tschechische Häftlinge, von denen viele die Strapazen und die Strahlung im Bergbau nicht überlebten. In vielen dieser GULags wurden Häftlinge für die Bau- und Bergbauarbeiten eingesetzt. Zugleich bauten die Sowjets - aus strategischen Gründen meist hinter dem Ural - gigantische Fabrikkomplexe und später ganze Städte für die Atombetriebe auf, hermetisch von der Außenwelt abgeschirmt, so genannte "Atomgrady", die bereits ab 1946 ihren Betrieb aufnahmen.

Neben dem forcierten Aufbau der Atomindustrie war ein besonders drängendes Problem der gravierende Uranengpaß im eigenen Land. Daher hatte sich der sowjetische Geheimdienst bereits während des Krieges im Ausland über entsprechende Möglichkeiten zu informieren versucht, zuerst in Bulgarien. Später wurde dann mit massivem Einsatz bei der Erschließung und Förderung versucht, das sowjetische Uranprojekt möglichst rasch an den Stand der Amerikaner und Briten heranzuführen.

Am 10. Mai 1947 beschloß der Ministerrat der UdSSR die Gründung einer staatlichen Aktiengesellschaft der Buntmetallindustrie mit dem Tarnnamen "Wismut". Auf Befehl des Obersten Chefs der Sowjetischen Militäradministration (SMA) in Deutschland (Mai 1947) wurden die sächsischen Erzbergwerksbetriebe von der UdSSR übernommen und an die Wismut AG übergeben. Gegenstand der Aktionen war offiziell "die Gewinnung, das Schürfen und der Absatz bunter Metalle auf dem Gebiete der UdSSR und im Auslande", unter anderem deklariert als "Reparationsleistung".

Von 1946 bis 1954 förderte die Wismut AG mit rund 200.000 Beschäftigten zirka 9.500 Tonnen hochwertiges Uran, den wertvollen und dringend benötigten Rohstoff für das sowjetische Atomprojekt. 1949 gelang dann auch der Bruch des Atombombenmonopols der USA durch die UdSSR. Das Uran des Erzgebirges spielte dabei eine wesentliche Rolle.

Der Uranerzabbau wurde von den Sowjets ohne jede Rücksicht auf die Gesundheit der eingesetzten Arbeitskräfte oder die Belange des Natur- und Landschaftsschutzes betrieben. Auch anderthalb Jahrzehnte nach dem Zusammenbruch des sowjetisch- kommunistischen Systems haben die sächsischen und böhmischen Erzgebirgsregionen noch mit gravierenden ökologischen und medizinischen Folgeschäden des Uranabbaus zu tun.

Zur weiteren Information empfehlen wir einen Besuch der Ausstellung "Strahlende Vergangenheit" im Sudetendeutschen Haus (Hochstraße 8, 81669 München) sowie die Lektüre des bereits oben erwähnten Buches von Rainer Karlsch und Zbynek Zeman ("Urangeheimnisse - Das Erzgebirge im Brennpunkt der Weltpolitik 1933-1960", Ch. Links Verlag, Berlin 2003, 19,90 Euro, zu beziehen über den Preußischen Mediendienst). EB/H.J.M.

 

Ohne Rücksicht auf Mensch und Umwelt: Die Folgen des sowjetischen Uranabbaus im Erzgebirge müssen heute mit großem Aufwand beseitigt werden. Foto: pa

 

Uran - schwer und gefährlich

Uran trägt im Periodensystem der Elemente die Ordnungszahl 92, das heißt, sein Atomkern enthält 92 Protonen. Damit galt es lange Zeit als das schwerste auf der Erde natürlich vorkommende Element; inzwischen geht man jedoch davon aus, daß es weltweit auch etwa 300 Tonnen natürliches Plutonium mit der noch höheren Kernladungszahl 94 gibt. Heute können Kernphysiker im Labor eine Reihe deutlich schwererer Elemente künstlich herstellen; hier sind übrigens deutsche Wissenschaftler weltweit führend.

Entdeckt wurde Uran von dem Berliner Chemiker und Apotheker Martin Heinrich Klaproth im Jahre 1789. Er benannte es nach dem Planeten Uranus, dessen Entdeckung Friedrich Wilhelm Herschel neun Jahre zuvor in einer Ansprache vor der Preußischen Akademie der Wissenschaften bekanntgegeben hatte.

Klaproth hatte in einem sächsischen Bergwerk in Wittigsthal/Erzgebirge mit Erzen experimentiert und dabei auch ein schwarzes Pulver gewonnen. Dies war jedoch nicht, wie er irrtümlich glaubte, das Element Uran, sondern ein Uranoxid, also eine Sauerstoffverbindung. Erst ein halbes Jahrhundert später gelang es dem französischen Wissenschaftler Eugène Peligot, reines Uran zu gewinnen.

Ende des 19. Jahrhunderts entdeckten Henri Becquerel und seine Schülerin Marie Curie, die spätere zweifache Nobelpreisträgerin, daß Uran radioaktiv ist. Das am häufigsten vorkommende Isotop 238U sendet a-Strahlen aus und hat eine Halbwertzeit von fast 4,5 Milliarden Jahren. Dies bedeutet, daß seit Entstehung unseres Heimatplaneten ziemlich genau die Hälfte des ursprünglich vorhandenen Urans durch Strahlung in andere Elemente (Endprodukt: Blei) zerfallen ist.

Neben 238U ist von Bedeutung das Isotop 235U (Isotope haben im Atomkern gleich viele Protonen, aber eine unterschiedliche Zahl von Neutronen). In Natururan kommt es in äußerst geringer Konzentration vor (0,72 Prozent). Es ist wegen seines instabilen Kerns leicht durch thermische Neutronen spaltbar; dies geschieht - kontrolliert - in Kernreaktoren und - unkontrolliert - in Atombomben.

Bei der Kernspaltung entsteht thermische (Wärme-)Energie, die man zur Erzeugung von elektrischem Strom nutzen kann. Eine Kettenreaktion kommt zustande, wenn bei jeder Spaltung ein Neutron freigesetzt wird, das einen weiteren Kern spaltet. Die "kritische Masse", also die dafür benötigte Mindestmenge, liegt bei 50 Kilogramm 235U. Der Brennstoff für Kernkraftwerke muß auf rund drei Prozent dieses Spaltmaterials "angereichert" werden, für Atombomben braucht man deutlich mehr als 80 Prozent Anreicherung. Beides erfordert einen gigantischen industriellen und finanziellen Aufwand.

Ein "Abfallprodukt" der Anreicherung ist sogenanntes abgereichertes Uran (depleted uranium, DU), das wegen seiner extremen Dichte als Panzerungsmaterial sowie als Kernmaterial für panzerbrechende Waffen eingesetzt wird.

Auch in seinen natürlich vorkommenden Formen ist Uran für den Menschen gefährlich: Es strahlt, setzt hochradioaktive Spaltprodukte frei, bildet giftige chemische Verbindungen und gilt daher als Auslöser schwerer Erkrankungen, unter anderem von Nierenkrebs. H.J.M.

 

Schweres Wasser

Schweres Wasser unterscheidet sich von "normalem" Wasser dadurch, daß die Kerne seiner Wasserstoffatome nicht nur ein Proton, sondern zusätzlich ein Neutron enthalten. Dieses Wasserstoffisotop, das Deuterium genannt wird, kommt in der Natur nur relativ selten vor; es kann in einem aufwendigen Verfahren durch Anreicherung (Elektrolyse) aus natürlichem Wasser gewonnen werden und wird vor allem in Kernreaktoren als Moderator eingesetzt. E.B.


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