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23.07.05 / Zur Heirat gezwungen / Türkin berichtet über ihre Jugend in Anatolien und ihre Rechte als Frau

ï Preußische Allgemeine Zeitung / 23. Juli 2005

Zur Heirat gezwungen
Türkin berichtet über ihre Jugend in Anatolien und ihre Rechte als Frau

Was wissen wir eigentlich über das Leben einer traditionell erzogenen Türkin? Vorurteile haben wir meistens viele und vom Hörensagen meinen wir so einiges zu wissen. Doch kommt es so gut wie nie vor, daß eine türkische Frau aus dem Nähkästchen plaudert und uns Einblick in ihr Leben gewährt.

In dem Buch "Erstickt an Euren Lügen" ist dies jedoch der Fall. Hier erzählt eine Türkin unter dem Pseudonym Inci Y. ihre Lebensgeschichte: wie sie in Deutschland geboren wurde, in der Türkei aufwuchs, zwangsverheiratet, vergewaltigt und gedemütigt wurde und wie es sie letzten Endes wieder nach Deutschland zurück verschlug.

"... es ist das Schicksal tausender türkischer Frauen, die sich Jahr für Jahr in das ergeben, was ihre Familien beschließen. Meine Eltern haben mich zur Heirat gezwungen - ich habe mich der Tradition ergeben. Was anderes hätte ich tun können? Was nützt hier in Anatolien die Freiheit, die in den Straßen der modernen türkischen Metropolen pulsiert?"

Ein paar Jahre nach ihrer Hochzeit muß Inci mit ihren zwei Kindern in einem Schafstall leben, da ihr Mann Hikmet keine Arbeit findet. Völlig ausgemergelt und krank vor Hunger, erhält Inci nach langem Bitten von ihrer Familie die Erlaubnis, die Scheidung einzureichen. Ein erbitterter Kampf um ihre Kinder folgt.

Doch auch als unverheiratete oder besser gesagt gerade als unverheiratete Frau in der Türkei ist Inci vor Vergewaltigung und sexueller Belästigung nicht gefeit.

Ein brutal realistisches Buch, das dem europäisch geprägten Leser, der in einer Welt der Gleichberechtigung aufgewachsen ist, manchmal vor Unglauben, Schrecken und Abscheu schier das Blut in den Adern gefrieren läßt.

Während des Lesens drängt sich ein Gedanke dem Leser immer wieder auf: Ist es wirklich schon an der Zeit und ratsam, ein dermaßen mit seinen Traditionen und mit seinem Glauben verwachsenes und teilweise noch unterentwickeltes Land als Mitglied in die Europäische Union aufzunehmen?

Denn auch wenn die Erzählungen der Autorin stark durch ihr persönliches Schicksal geprägt sind, steckt unter dem Mantel an Emotionen eine Fülle von nackten Tatsachen, die es nicht zu unterschätzen gilt.

Und eines ist sicher: Der Leser wird nach beendeter Lektüre dieses Buches so manche unter ihrem Kopftuch verborgene, mit gesenktem Blick an ihm vorbeihuschende Türkin mit anderen Augen sehen. A. Ney

Inci Y.: "Erstickt an Euren Lügen - Eine Türkin in Deutschland erzählt", Piper, München 2005, broschiert, 297 Seiten, 14,90 Euro


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