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30.07.05 / Sommer am Strand

© Preußische Allgemeine Zeitung / 30. Juli 2005

Sommer am Strand
von Eva Pultke-Sradnick

Sommer hieß bei uns Sonnenschein, Strand, viel Strand, vor allem aber Wasser. Der Geschmack salzig, nicht so stark wie in der Nordsee. Als Kind brauchten wir keine Badetaschen, keine Badekappen, Bade- und Straßenschuhe überhaupt nicht. Wir nahmen den Bademantel einfach über den Arm. Schlimm war es allerdings, wenn die Gemeinde mal aus Sparsamkeit Kohlenschlacke anfahren und auf dem Weg ausstreuen ließ. Das war für uns Kinder scheußlich, ausgerechnet da, wo man zum Strand ging. Eine Erinnerung, die sich mir tief eingeprägt hat.

Beim Lesen dieser Zeilen könnte der Eindruck entstehen, daß wir wie die Wilden aufwuchsen. Weit gefehlt - wir besaßen auch Lack-schuhe, später Pumps, Flatterkleider aus Voile, sogar aus Seide, aber auch solche aus Kattun. Es war ja schließlich nicht alle Tage Sonntag.

Mein Heimatort hieß Sorgenau und lag dicht bei Palmnicken. Es war ein "großes" Fischerdorf, wie Heinz Schock schrieb. Er stammte aus einer eingeborenen Fischerfamilie. Der alte "Bernstein"-Schock war der Großvater, den ich als Kind immer ehrfürchtig grüßte, weil er für mich alt war, einen dicken Bauch hatte, auf dem eine goldene Uhrkette baumelte. Er trug sie, so glaube ich zumindest, auch im Alltag.

Schock war, so um 1930 herum, unser Bürgermeister und hatte die Bernsteinabnahmestelle. Dort trugen die Fischer ihren Fund zum Verkauf hin. Keineswegs war der Bernstein immer golden, oft hatte er eine borkige, rauhe Rinde und meistens war er an einem Ende angeschlagen. Dort zeigte er seine innere Leuchtkraft. War das Glück besonders groß, dann war sogar ein Käferchen gefangen im fossilen Harz. Nur die Fischer durften den Bernstein suchen und sammeln. Wenn es gestürmt hatte, verbot meine Mutter meinen Brüdern, an den Strand zu gehen und nach Bernstein zu suchen. Wir beiden Mädchen waren sowieso nicht so wild darauf. Was war schon Bernstein? Ja, hätten wir gleich nach dem Sturm gehen dürfen, hätten wir sicher auch Grammer gefunden. Große Stücke, die nach Gramm bezahlt wurden. Aber der Bernstein war Zubrot für die Fischer, denn im Winter hatten sie schon einige schwere Wochen ohne Verdienst durchzustehen.

Ein oder zwei Tage nach dem Sturm durfte man wieder zum Strand, fand auch noch kleineren Bernstein oder aber doch mal ein größeres Stück. Im Winter wurden, wenn man ein bißchen Talent hatte, ein paar Schmuckstücke hergestellt.

Mit Alaun wurden die Nadeln der Broschen festgemacht. Wir Kinder mußten mit Kreide und einem Wollappen, der auf ein Brett gespannt war, und mit Spiritus polieren. Meine Mutter besaß eine wunderschöne Bernsteinkette mit kostbaren ausgesuchten Steinen. Ein Liebesgeschenk meines Vaters an sie. Im Krieg hat sie die Kette dann doch verscherbeln müssen. Ist ja auch egal.

Schade nur, daß es heute nicht mehr so schönen Bernstein gibt. Liegt es daran, daß er jetzt ohne viel Liebe behandelt und verkauft wird? Loch gebohrt, aufgefädelt, angeboten - scheußlich.

Karina Stängle: Stockrosen in Nidden (Aquarell, 2003). Diese zarte Pflanze ist ein Sinnbild für den Sommer, nicht nur in Ostpreußen.


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