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06.08.05 / Greifswald fürchtet amputierte Uni / Mecklenburg-Vorpommern: Hochschullandschaft wird gründlich umgebaut

© Preußische Allgemeine Zeitung / 06. August 2005

Greifswald fürchtet amputierte Uni
Mecklenburg-Vorpommern: Hochschullandschaft wird gründlich umgebaut
von Peter Ströming

Ihr Hauptgebäude ist eingerüstet, die Restaurierungsarbeiten gehen planmäßig voran, aber trotzdem ist völlig unklar, in welchem Zustand die Ernst-Moritz-Arndt-Universität sich im nächsten Jahr zu ihrem 550jährigen Jubiläum präsentieren wird. Die Debatte um die Zukunft der akademischen Landschaft in Mecklenburg-Vorpommern spitzt sich zu. Neben den Universitäten in Greifswald und Rostock geht es auch um die vier Fachhochschulen in Neubrandenburg, Rostock, Stralsund und Wismar.

Nach den Plänen von Kultusminister Hans-Robert Metelmann (parteilos) soll bis 2017 ein drastischer Stellenabbau und eine noch drastischere Strukturveränderung stattfinden. Metelmanns Konzept: Die Hochschulen sollen sich künftig auf Kernbereiche konzentrieren und dort Spitzenleistungen hervorbringen, statt flächendeckend Durchschnitt zu liefern. Umgekehrt bedeutet das, daß jede Hochschule wichtige Lehr- und Forschungsrichtungen abgeben muß. Erst in ihrer Vernetzung und Summe würden sie dann wieder eine vollständige Hochschule beziehungsweise Landesuniversität ergeben.

Die Aussicht auf eine amputierte Uni sorgt in Greifswald für große Erregung, die auch Kommunalpolitiker und Unternehmerverbände erfaßt. Es geht nicht nur um den wichtigsten lokalen Wirtschaftsfaktor der Stadt, sondern um die bedeutendste vorpommersche Institution überhaupt. Und die Studenten sind ohnehin im Aufruhr: Greifswalder Hochschüler zerfetzten eine dem Minister nachempfundene "Voodoo"-Puppe, ein düsterer karibischer Fluchbrauch.

Auch andernorts schlagen die Wellen hoch. An der Pädagogischen Hochschule Neubrandenburg wurde Metelmann mit Wasser bespritzt. Finanzministerin Sigrid Keler (SPD) warnte vor einer Eskalation und betonte, daß es dem Minister gelungen sei, mit dem neuen zahnmedizinischen Zentrum für Greifswald das immerhin größte Investitionsprojekt des Landes in die Stadt zu holen.

Die Hochschulrektoren hatten nach drei erfolglosen Treffen mit dem Minister ein neues Treffen im Juni abgesagt. Die Landesregierung drohte daraufhin, einseitige Maßnahmen zu ergreifen und das Hochschulgesetz so zu ändern, daß Eingriffe in die Unistruktur möglich sind. Metelmann verkündete, das Treffen sei eine "Zusammenkunft des Vorgesetzten mit seinen Bediensteten". Als es doch noch stattfand, erklärten sich alle Teilnehmer zu 80 Prozent einig. Der Rektor der Uni Greifswald, Rainer Westermann, hat sich bereits mit der Streichung der Romanistik und der naturwissenschaftlichen Lehramtsfächer mit Ausnahme von Geographie abgefunden. Er weiß, daß Metelmanns Konzept bitter, aber alternativlos ist.

Der Minister ist von Haus aus selber Wissenschaftler und kann auf eine internationale Mediziner-Karriere zurückblicken. Außerdem war er einige Jahre Rektor in Greifswald, so daß man ihm abnehmen darf, daß er die Universität nicht schädigen, sondern flottmachen will. Er hat darauf verwiesen, daß Schwerin seinen Bildungsetat zuletzt um 1,5 Prozent erhöht, Hessen dagegen um denselben Prozentsatz gesenkt hat. Klingt passabel, aber wenn man die absoluten Zahlen heranzieht und sie mit denen in anderen Städten inner- und mehr noch außerhalb Deutschlands vergleicht, werden die bescheidenen Spielräume in Mecklenburg-Vorpommern klar. Der Landeshaushalt umfaßt 14 Milliarden Euro, davon stammen 30 Prozent aus Bundeszuschüssen, dem Länderfinanzausgleich und Schuldenaufnahme. Gerade hat das Verfassungsgericht in Greifswald die Etats der vergangenen zwei Jahre als weitgehend verfassungswidrig bezeichnet.

Das Budget der Greifswalder Uni beträgt 50 Millionen Euro, 80 Prozent davon für Personalkosten. Zu einem pommerschen Harvard wird das nicht reichen, nicht einmal in Miniaturausgabe. Dazu ein weiterer Vergleich: Die 1,9 Milliarden Euro, die der Bund über Jahre auf mehrere deutsche Hochschulen verteilen will, um Eliteuniversitäten zu fördern, bringt Harvard locker in seinem Jahresetat unter. Das sind die globalen Dimensionen, an denen sich auch ein armes deutsches Bundesland messen lassen muß.


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