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03.09.05 / Der Dammbruch

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. September 2005

Der Dammbruch von Karlsruhe
Des einen Freud, des anderen Leid

Der 25. August war in mehrfacher Hinsicht ein denkwürdiger Tag. An diesem Donnerstag existierte offiziell zu einem existentiellen Thema eine parteiübergreifende Einigkeit. "Damit ist nun Gott sei Dank der Weg frei für den notwendigen Wechsel in Deutschland", nahm CSU-Chef Edmund Stoiber äußerst zufrieden die Entscheidung für Neuwahlen des Zweiten Senats des Bundesverfassungsgerichts zur Kenntnis. SPD-Innenpolitiker Dieter Wiefelspütz sprach sogar von einem bedeutenden "Urteil, das Klarheit und Rechtsfrieden schafft". Auch begrüßte er die klare Mehrheitsentscheidung des zuständigen Senats, die verdeutliche, "daß es nicht die geringsten Zweifel an der Verfassungsmäßigkeit der Bundestagswahl geben kann".

Von einer genauso ungewöhnlichen Einigkeit getragen wie die Parteien in dieser Frage waren auch die deutschsprachigen Medien - wenn sich diese auch grundlegend von der der Politiker unterschied.

Vergleichsweise zaghaft meinte die Tageszeitung Die Welt, daß die Richter des Zweiten Senats aus einer Situation des "Erkenntnisnotstands" heraus gehandelt hätten. Die Neue Zürcher sprach schon kritischer von "atemberaubender Elastizität" des obersten Gerichts bezüglich der Auslegung des Artikels 68. Am drastischsten verurteilte die Süddeutsche Zeitung die Karlsruher Entscheidung. "Die höchsten Richter haben den Kanzler erhöht", heißt es dort. Ein Kanzler könne in Zukunft Kritikern in seiner Partei und der Koalition ungehemmt mit Auflösung des Bundestages drohen.

Ähnlich sieht es auch Professor Jochen Rozek, Lehrstuhlinhaber für Öffentliches Recht an der Technischen Universität Dresden. "Die Verfassungsrichter hatten 1983 versucht, einen Mißbrauch der Vertrauensfrage abzuwehren, dadurch, daß man sozusagen als Korsettstange das Kriterium einer materiellen Auflösungslage einzieht." Diese Korsettstange habe sich aber nach dem aktuellen Urteil als eine Stange aus Gummi erwiesen, da die Einschätzung, ob eine solche Auflösungslage vorliegt, im wesentlichen dem höchstpersönlichen Urteil des Kanzlers anheimgestellt worden ist durch das Gericht, so der Jurist.

Für ihn haben die Vorgänge in diesem Sommer gezeigt, "daß diese wechselseitige Kontrolle der Verfassungsorgane nicht funktioniert hat". Eigentlich hätte schon der Bundespräsident klar erkennen müssen, daß die Vertrauensabstimmung im Bundestag fingiert gewesen ist, stellte Rozek fest.

Doch Professor Rozek vermag auch das positive in diesem Urteil zu sehen, denn die Richter "haben den Erwartungen der politischen Parteien und der Öffentlichkeit entsprochen". Aber es bleibe der fade Beigeschmack, daß jedenfalls die Senatsmehrheit nicht die Kraft gefunden hat, sich der auf Hochtouren laufenden Wahlmaschinerie entgegenzustellen. Oder, wie es die Süddeutsche sagt: "Für Anhänger eines starken Staates, die dessen Stärke an der Stellung des Regierungschefs messen, war gestern ein großer Tag. Anhänger eines Staates aber, die dessen Stärke an der Lebendigkeit der Parlamentsdemokratie messen, haben keinen Grund zur Freude."


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