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03.09.05 / Nicht immer nur Musterbeispiel / Privatuniversitäten sind keineswegs so gut wie ihr Ruf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. September 2005

Nicht immer nur Musterbeispiel
Privatuniversitäten sind keineswegs so gut wie ihr Ruf
von George Turner

Private Universitäten sind in Deutschland eine Ausnahme. Wenn die Voraussetzungen vorliegen, sollten solche Institutionen auch Hochschulcharakter haben und ihnen entsprechende Bezeichnungen verliehen werden. Kritisch wird es dann, wenn die "Masse" zu gering bleibt. Gebilde mit einigen hundert Studenten und einem oder zwei fachlich eng konzipierten Studiengängen "Universität" zu nennen vermittelt einen falschen Eindruck von Größe und Fächerspektrum der betreffenden Einrichtung. Ebenso verhält es sich mit dem Begriff "privat". Vollmundig wird meist zunächst verkündet, daß man eine staatliche Finanzierung ablehne; kaum ist die Gründungsphase verstrichen, liegt die Forderung nach (Mit-)Finanzierung durch das Land auf dem Tisch. Die Inanspruchnahme vom Land besoldeter, an staatlichen Hochschulen tätiger Lehrkräfte in Nebentätigkeit (und -verdienst) ist solange nicht zu beanstanden, als nicht der Eindruck erweckt wird, im privaten Bereich sei die Lehre vorbildlich, im staatlichen hingegen mittelmäßig bis schlecht (bei identischen Professoren).

Der Wissenschaftsrat hat die Privatuniversität Witten-Herdecke gerade gehörig abgewatscht. Das Medizinstudium, das Herzstück der Institution, weise gravierende Mängel in Lehre und Forschung auf. Die Hochschule wird aufgefordert, den Studiengang Humanmedizin völlig neu zu ordnen. Andernfalls droht das Aus.

Damit ist der stets großsprecherisch auftretenden Einrichtung offiziell ins Stammbuch geschrieben worden, was Kenner schon immer wußten: Hier ist einer Institution, bei der in allen Studiengängen insgesamt rund tausend Studierende eingeschrieben sind, die also die Größe eines mittelgroßen Gymnasiums hat, bescheinigt worden, was sie ist, nämlich alles andere als ein Modell und keinesfalls beispielgebend für die staatlichen Hochschulen. Als solche hat sie vor allem ihr erster Präsident, Konrad Schily, hochzujubeln versucht. Dabei gab es von Anfang an Ungereimtheiten. Dem Versprechen, keine staatlichen Mittel in Anspruch zu nehmen, folgten Anträge an das Land Nordrhein-Westfalen um Zuschüsse; die Ankündigung alles ökonomisch günstiger zu machen als Staatsuniversitäten wurde durch Berechnungen widerlegt - die Studierenden in Witten-Herdecke sind teurer als anderswo.

Aber Witten-Herdecke ist kein Einzelfall. Der Stifterverband hat eine Bewertung der privaten Hochschulen vorgenommen. Die meisten sind Mini-Einrichtungen was das Fächerspektrum und die Anzahl der Studierenden angeht; viele haben unausgereifte Konzepte; auffällig ist bei den meisten das nahezu völlige Fehlen von Forschungsaktivitäten; die finanziellen Grundlagen sind nur selten dauerhaft gesichert. Am auffälligsten ist das Auseinanderklaffen von Anspruch und Wirklichkeit bei der sogenannten International University in Bruchsal, einer Einrichtung mit um die 300 Studierenden. Das Stuttgarter Institute of Management and Technologie (SIMT) hat seinen Hochschulstatus bereits wieder verloren.

Auf gutem Weg hingegen scheint die International University Bremen mit Natur-, Ingenieur- und Geisteswissenschaften zu sein. Von Qualität und Ansehen vergleichbar hoch einzuordnen dürften die Wissenschaftliche Hochschule für Unternehmensführung, Vallendar, und die Bucerius Law School, Hamburg, sein.

In Berlin ist man seit Jahren gespannt, ob die bei der pompösen Eröffnung der European School of Management and Technology (ESMT) von den Spitzen aus Staat und Wirtschaft geäußerten hohen Ansprüche eingelöst werden.

Der Anlaß für die Gründung privater Ausbildungseinrichtungen ist das empfundene Unbehagen beziehungsweise die Unzufriedenheit über die Art und das Ergebnis der Ausbildung an den staatlichen Hochschulen. Ob die Resultate so schlecht sind, wie sie oft geredet werden, kann man mit guten Gründen bezweifeln. Diejenigen, die über die Unzulänglichkeit des öffentlichen Hochschulwesens lamentieren, haben in aller Regel die Grundlagen für ihren Aufstieg und Erfolg an eben solchen Institutionen erworben. So schlecht kann das doch nicht gewesen sein, betrachtet man Karriere und Selbstbewußtsein der Protagonisten. Und weiter: Woher kommen die mit guten Kenntnissen ausgestatteten Berufsanfänger, auf deren Gewinnung die Unternehmen zu recht stolz sind und die in der nationalen und internationalen Konkurrenz ihren Mann oder ihre Frau stehen? Daß es daneben Absolventen gibt, die nicht reüssieren, stimmt auch. Dies hängt damit zusammen, daß unser Ausbildungssystem nicht den Bedingungen der Massenuniversität angepaßt ist. Deshalb registrieren wir zu lange Studienzeiten (im Mittel 13 Semester) und 28 Jahre als Durchschnitt bei den Absolventen.

Diese Befunde werden den staatlichen Hochschulen als Versäumnis und als Ergebnis ausgebliebener Reformen vorgeworfen. Hier sitzt nun der Kern des Ärgernisses. "Theoretisch" könnten die Universitäten eine ganze Menge verändern, praktisch sind sie wegen ihrer lähmenden Struktur und der sie strangulierenden staatlichen Regelungen gehindert, so effizient zu wirken, wie man sich das wünscht. Auf der einen Seite hat die sogenannte Demokratisierung der Hochschulen (siehe PAZ 31) dazu geführt, daß eine Vielzahl von Gremien, bestückt mit Vertretern der "Gruppen" (Professoren, wissenschaftlichen Mitarbeitern, Studenten und sonstigen Dienstkräften), an allem und jedem zu beteiligen ist; auf der anderen Seite werden sie am kurzen Zügel der Rechts- und Fachaufsicht durch das zuständige Ministerium gehalten.

Es sind die staatlichen Hochschulgesetze, die den oben beschriebenen Zustand an den Hochschulen herbeigeregelt haben. Was liegt näher, als die Ursachen für festgestellte Mißstände zu beseitigen. Wenn Motiv für die Gründung privater Hochschulen das erstarrte staatliche Hochschulwesen ist, kann es nur als zynisch bezeichnet werden, daß der Staat selbst private Initiativen unterstützt anstatt eigene Fehler zu beheben.

Der richtige Weg wäre, staatliche Hochschulen von den sie hemmenden Fesseln zu befreien, indem ihre Leitungen Kompetenzen erhalten, wie ein Management dies braucht, das erfolgreich arbeiten soll. Auch die Auswahl der Leitung sollte anderen Regeln unterliegen als der Wahl durch Universitätsgremien, die gerade so zusammengesetzt sind, daß dies (noch) nicht verfassungswidrig ist. Wenn der Staat hier der Aufgabe nachkäme, für seine Einrichtungen sachgerechte Bedingungen zu schaffen, würde manch tatsächlicher oder vorgegebener Grund für die Errichtung privater Gebilde entfallen.

Zwei Tendenzen weisen in diese Richtung: einige Länder sehen eine Stärkung der Leitung der Hochschulen in Anlehnung an einen Vorstand und einen Aufsichtsrat (Hochschulrat) vor. Damit werden Voraussetzungen für mehr Effektivität geschaffen. Auch die Herausbildung von sogenannten Elite-Universitäten wird deutlich machen, daß all das an staatlichen Hochschulen zu finden ist, das angeblich nicht vorhanden war und Anlaß für die Gründung von privaten Hochschulen gab. Das wird helfen, die Spreu vom Weizen bei den Privaten zu trennen.


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