19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.09.05 / Mit der "Prussia" ins südliche Ostpreußen / Die Exkursion der Gesellschaft führte vom Schloß Krockow bis zum Freilichtmuseum in Hohenstein

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. September 2005

Mit der "Prussia" ins südliche Ostpreußen
Die Exkursion der Gesellschaft führte vom Schloß Krockow bis zum Freilichtmuseum in Hohenstein

Näherer Ausgangspunkt der diesjährigen Exkursion der "Prussia, Gesellschaft für Heimatkunde Ost- und Westpreußens" in Duisburg unter der Leitung von Günter Brilla ins südliche Ostpreußen war das in Westpreußen im ehemaligen Polnischen Korridor nahe der Ostsee gelegene Schloß Krockow. Das Anfang der 1990er Jahre wiederhergestellte barocke Herrenhaus dient heute als Sitz der deutsch-polnischen Stiftung "Europäische Begegnung - Kaschubisches Kulturzentrum Krockow". In einigen Räumen des Schloßhotels wird über die gräfliche Familie von Krockow informiert, deren Stammsitz das von einem tiefen Burggraben umgebene und in einem Landschaftspark gelegene Schloß über sieben Jahrhunderte war und die den Wiederaufbau tatkräftig unterstützte.

Von Krockow aus erfolgte ein Ausflug auf die Halbinsel Hela mit dem 1942 nach seiner Zerstörung zu Beginn des Zweiten Weltkriegs wieder

aufgebauten Leuchtturm an deren Ende. In der Helaer Pfarrkirche St. Peter und Paul ist ein Schiffahrtsmuseum eingerichtet. Von dem als Aussichtsplattform umgebauten Turm der aller sakralen Ausstattung beraubten Kirche bot sich ein Blick auf die Danziger Bucht.

Über Danzig erreichten die Exkursionsteilnehmer Elbing. An dem mit deutscher Hilfe renovierten Markttor trafen sie den in seiner Heimatstadt weilenden Paul Regenbrecht, der ihnen lebhaft davon erzählte, wie er als Junge am 23. Januar 1945 den Einfall der ersten drei russischen Panzer miterlebte, wovon einer einen Teil des Torturms mit der großen Uhr herunterschoß.

In den Gebäuden der Vorburg des Deutschen Ordens ist das Elbing-Museum untergebracht. Dessen archäologische Abteilung enthält eine Fülle von Funden des Alltagslebens vom 13. bis zum 20. Jahrhundert aus den neueren Grabungen in der Altstadt, die seit 1980 wiederaufgebaut wird. Aber auch kleine Schätze wie Bernsteinschmuck aus dem im 9. Jahrhundert nachweisbaren wikingisch-prußischen Handelsplatz Truso bei Elbing sind hier versammelt. In den letzten Jahren wurden Teile der bei Hansdorf entdeckten Handels-, Hafen- und Handwerkersiedlung einschließlich Booten freigelegt.

Im Elbinger Kantor von Edward Parzych hielt der passionierte Majolika-Sammler Helmut Niederhaus nach neuen Objekten aus den von Kaiser Wilhelm II. gegründeten Majolika- und Terrakotta-Werkstätten in Cadinen Ausschau. Im Laden wurde den Deutschen auch ein rotes Schälchen der Cadiner Keramik mit umlaufender Inschrift "Aus ostpreußischer Erde" gezeigt, und auf einem der hohen Vitrinenschränke stand eine Büste des Kaisers zum Verkauf. Einer der farbigen, auch im Internet angebotenen Elche aus der Zeit um 1930 wäre nicht unter 700 Euro zu haben gewesen. Hier lernten die Exkursionsteilnehmer auch Niederhaus' kaschubischen Sammlerfreund Richard Formela kennen. 1999 stellten beide ihre Schätze auf der Marienburg, dem einstigen Sitz des Hochmeisters des Deutschen Ordens, aus.

Formelas 79jähriger Landsmann und Dolmetscher, Edmund Lonski, klärte die Deutschen über das Wort Kaschuben auf. Der westslawische Volksstamm, dessen Sprache kein Dialekt des Polnischen ist, sondern zur pomoranischen Sprache gehört, die einst an der Ostseeküste zwischen Weichsel und Oder nördlich der Linie Warthe-Netze gesprochen wurde, bedeute "Waldmänner", da diese "Ureinwohner" in den Wäldern des Landes wohnten und hier dem Fischfang an den reichen Seen und Flüssen nachgingen - wie im übrigen auch ihre archäologischen Hinterlassenschaften bezeugen. Westslawische Stämme waren im 7. und 8. Jahrhundert aus Osteuropa an die Ostsee vorgedrungen.

Gerne hätte Lonski den Exkursionsteilnehmern seinen Videofilm "Von Elbing nach Osterode auf dem Wasserwege" gezeigt, doch für sie ging es weiter am Frischen Haff entlang nach Cadinen. Dort steht das Hauptgebäude des kaiserlichen Schlosses, der barocke Kernbau des 1688 für Graf von Schlieben erbauten Herrenhauses mit dem Trophäenschmuck am Giebel, zur Zeit leer, soll aber bereits von einem reichen Engländer gekauft worden sein. 1898 erwarb Kaiser Wilhelm II. das Gut Cadinen und ließ es zu einem landwirtschaftlichen Musterbetrieb ausbauen. Erhalten ist auch die "tausendjährige" Eiche am Rande des Parks und das Gebäude der Majolikafabrik. Die Wirtschaftsgebäude des Schlosses sind seit vielen Jahren zu einem Hotel und Restaurant umgebaut. 1961 kam wieder ein Gestüt hinzu. Gesprengt wurde 1957 leider die neugotische, 1920 eingeweihte Kirche, auf deren Altar die Deutschen in der Elbinger Nikolaikirche gestoßen waren.

Der letzte Besitzer von Cadinen, des Kaisers 1994 verstorbener Enkel Louis Ferdinand Prinz von Preußen, floh mit seiner Familie am 25. Januar 1945 - nur eine halbe Stunde vor dem Eintreffen der Russen - mit Pferdeschlitten über das zugefrorene Frische Haff, doch der Direktor der Majolikafabrik, Wilhelm Dietrich, wurde von den Russen erschossen und nur notdürftig hinter dem Gebäude begraben.

Drei Tage übernachteten die Exkursionsteilnehmer auf dem in Dünhöfen nahe Elbing gelegenen Hof der nach Ostpreußen zurückgekehrten Familie Kurt und Dora Mross. Der Sohn leistet ebenfalls bereits einen Beitrag für die Überlebensfähigkeit des mit preiswerten Fremdenzimmern ausgestatteten Anwe-

sens, indem er hier Skudden züchtet, eine in Ostpreußen und im Baltikum schon vor der Ordenszeit bodenständige Schafsrasse, die das ganze Jahr über im Freien gehalten werden kann. Die Wollfasern der Skuddenvliese sind, wie eine Informationstafel am Stall aufklärt, besonders fein. Mit ihren natürlichen Haaranteilen ergeben sie wertvollste Tuche. Seit 1984 setzt sich der "Zuchtverband für Ostpreußische Skudden und Rauhwollige Pommersche Landschafe e.V." bundesweit für die Erhaltung dieser alten Rassen ein.

Von diesem ländlichen "Paradies" starteten die Deutschen auch nach Tolkemit an der Haffküste, um die prußische Wallburg zu besteigen. Die von den alten Grabungen stammenden, im Elbinger Jahrbuch dokumentierten Schnitte durch die hölzerne Wallkonstruktion waren trotz der dichten Bewaldung des Geländes noch auszumachen. Weiter ging es nach Frauenburg mit der Domburg auf einer Anhöhe am Frischen Haff. Vom 13. Jahrhundert bis 1945 war es die Residenz des ermländischen Domkapitels. Der Dom zur Himmelfahrt Mariens ist das bedeutendste sakrale Bauwerk im ehemaligen Deutschordensland Preußen. Im alten bischöflichen Palais ist das Copernicus-Museum eingerichtet. An den Astronomen erinnert auch der Copernicus-Turm, in dem sich 1512 bis 1543 Wohnung, Arbeitszimmer und Observatorium befanden. Vom Turm soll man bei Fernsicht bis nach Königsberg sehen können.

In der Archäologischen Abteilung des Museums für Ermland und Masuren in Allenstein stellte Miroslav Hoffmann von der polnischen "Pruthenia" den Exkursionsteilnehmern Funde, vor allem Keramik, aus verschiedenen Epochen und Fundorten von der Kurischen Nehrung bis Masuren vor, bei denen es sich um Bestände der 1944 nach Carlshof bei Rastenburg (Kirche der Irrenanstalt) ausgelagerten Studiensammlung des Königsberger Prussia-Museums handelt. Auf den Gefäßen stehen Fundorte wie Laptau, Warnikam, Corjeiten, Laucknicken, Kaup und Wiskiauten. Auf einem Fundstück klebt noch das Etikett "Alterth.-G. Prussia/Königsberg i. Pr.". Aber auch Archivalien wie der "Zettelkasten" des Archäologen Otto Tischler sind unter dem 1945 Geretteten.

Im Gräberfeld von Wiskiauten-Kaup im Samland bei Cranz wird übrigens in diesem Sommer von einem russisch-deutschen Team gegraben, dem Moskauer Archäologen Wladimir Kulakov und Claus Carnap-Bornheim vom Archäologischen Landesmuseum in Schloß Gottorf bei Schleswig und der Universität Kiel. Wie in Haithabu bei Schleswig, wo der Professor für Ur- und Frühgeschichte Ausgrabungen vorgenommen hat, Truso bei Elbing und Grobin bei Libau an der lettischen Ostseeküste wird bei Wiskiauten ein von Wikingern begründeter Handelsplatz gelegen haben. In diesem müssen auch samländische Prußen ansässig gewesen sein, denn im "Wäldchen Kaup" schließt sich an das Hügelgräberfeld der Wikinger unmittelbar eine prußische Begräbnisstätte an.

Ein ganz besonderes Keramikgefäß unter den rund 2.000 heute im Allensteiner Museum verwahrten Prussia-Exponaten kam aber gar nicht in Ostpreußen zutage. Es ist ein Henkeltöpfchen, das Heinrich Schliemann (1822-1890), der Entdecker und Ausgräber von Troja und Mykene, anläßlich seines Vortrags bei der Altertumsgesellschaft Prussia in Königsberg dem Prussia-Museum verehrte. Dies muß in den 1880er Jahren gewesen sein und ein Bericht darüber in der Zeitschrift der 1844 in Königsberg gegründeten Prussia zu finden sein.

Hoffmann hat unlängst in Allenstein die polnische Gesellschaft "Pruthenia" gegründet, die sich wie die 1972 in Duisburg wiederbegründete deutsche "Prussia" der Erforschung insbesondere der Prußen und ihrer Vorgänger widmet. Auf einer als Geschenk überreichten CD-Rom hat er eine Vielzahl dieser Prußenburgen des 8. bis 13. Jahrhun-

derts zusammengestellt, die sich wie ein enges Netz über das Land erstrecken. Zu zwei dieser Wallburgen im Allensteiner Gebiet führte er die Deutschen: zum Plateau bei Alt Wartenburg, auf dem er unlängst die Gußform für eine Lunula, einen sichelförmigen Anhänger, gefunden hat, und auf den Burghügel Bergfriede. Auf letzterem wurde in der Neuzeit der evangelische Friedhof angelegt. Während das Gutshaus und die Kirche 1945 zerstört wurden, zeugt noch die Ruine der neugotischen Grabkapelle der Gutsbesitzerfamilie mit den aufgebrochenen Zinnsärgen in der Gruft von den Kriegszeiten.

Von Allenstein unternahmen die Exkursionsteilnehmer Fahrten nach Heilsberg mit dem viertürmigen Ordensschloß und nach Mohrungen mit dem Dohna-Schlößchen. Amt und Haus verpfändete einst Herzog Albrecht von Preußen dem Burggrafen Peter zu Dohna, und 1595 erbaute die Familie das barocke Gebäude. Während in Heilsberg einige aus ostpreußischen Kirchen stammende Holzplastiken des 14. bis 16. Jahrhunderts verwahrt sind, die bis 1944 in der Kirchlichen Abteilung des Prussia-Museums im Königsberger Schloß ausgestellt waren, findet man in Mohrungen neben dem Herder-Museum auch Reste seit 1945 verschollener Ausstattungsstücke des Königsberger Doms: das Luther-Gemälde aus der Wallenrodtschen Bibliothek im Südturm, Engelsfiguren vom Orgelprospekt und vor allem das Epitaph des Johann von Nemitz mit der ältesten Ansicht von Königsberg und seines - vor nunmehr 750 Jahren gegründeten - Schlosses zu Füßen des gekreuzigten Christus, 1557 von Heinrich Königswieser gemalt.

Den Abschluß der erkenntnisreichen Exkursion bildete der Besuch des Freilichtmuseums in Hohenstein. Das ab 1913 auf Initiative des Provinzialkonservators Richard Dethlefsen in der Freigrabenschlucht des Königsberger Tiergartens aufgebaute erste Heimatmuseum dieser Art in Deutschland mit Dorfkirche, Schule, Bauernhäusern, Wirtschaftsgebäuden, Windmühle und so weiter aus dem 18. und 19. Jahrhundert wurde 1938 bis 1942 aus Raumnot nach Hohenstein verlegt, wo bereits das Reichsehrenmal bei Tannenberg mit dem Mausoleum Paul von Hindenburgs einen Anziehungspunkt bildete.  Heinrich Lange

Auf der Prußenburg von Bergfriede: Miroslaw J. Hoffmann von der "Pruthenia" (links) und Günter Brilla von der "Prussia" Foto: Lange


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren