25.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
03.09.05 / Befreiung, Niederlage oder was? / Nach den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit hatten die Deutschen den starken Wunsch nach äußerer Sicherheit (Teil XIV)

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. September 2005

Befreiung, Niederlage oder was?
Nach den Erfahrungen der Zwischenkriegszeit hatten die Deutschen den starken Wunsch nach äußerer Sicherheit (Teil XIV)
von G. Schultze-Rhonhof

Wenn man die Frage nach "Befreiung oder Niederlage" nicht von Deutschlands Stärke 1939 her betrachtet, sondern von Deutschlands Schwäche 1920, wird manche spätere Entwicklung eher verständlich.

Deutschland rüstete sein Heer nach dem Krieg auf 100.000 und die Marine auf 15.000 Mann ab. Eine Luftwaffe, schwere Schlachtschiffe, eine Panzertruppe und schwere Artillerie zu haben, war der Weimarer Republik durch den Versailler Vertrag verboten. Außerdem war Deutschland gezwungen, seine Westgrenze zu Frankreich und zu Belgien hin bis 50 Kilometer hinter den Rhein ohne Truppen, also schutzlos zu belassen. 100.000 Mann im Heer ohne ausgerüstete Reserven waren zur Deckung des großen Reichsgebiets zu wenig, wenn man bedenkt, daß selbst das kleine Litauen zu der Zeit 150.000 aktive Soldaten und Reservisten unterhielt.

Diese Lage machten sich die Sieger wiederholt zunutze. Trotz des formal geschlossenen Friedens brachen belgische und französische Truppen 1921 und 1923 in Deutschland ein, besetzten erst Teile und dann das ganze Ruhrgebiet und die Stadt Frankfurt.

Im Juli 1919 versuchten 22.000 polnische Bewaffnete im damals noch deutschen Oberschlesien die von den Siegermächten angesetzte Volksabstimmung zu verhindern. Frankreich setzte durch, daß die Reichsregierung Bauer die Reichswehr aus Schlesien, ohne einzugreifen, abzog. Zur Volksabstimmung zur Teilung Oberschlesiens im Februar 1920 ließ Polen elf Divisionen an der deutschen Grenze aufmarschieren und versuchte ein zweites Mal, die Abstimmung zu verhindern. Nach den Wahlen griffen polnisches Militär und polnische Milizen ein drittes Mal in Oberschlesien ein, um ein größeres Gebiet zu annektieren, als es ihnen nach dem Abstimmungsergebnis zukam. Die französische Regierung warnte die Regierung Bauer, die Reichswehr einzusetzen und die polnischen Verbände aus Deutschland zu vertreiben. Sie drohte, das Ruhrgebiet erneut mit Truppen zu besetzen. Diese drei Verletzungen der deutschen Souveränität durch Polen und die Drohungen Frankreichs waren 1939 nicht vergessen.

1925 eroberten litauische Truppen das deutsche Memelland, das als Völkerbundsmandat nicht von der Reichswehr betreten werden durfte. Und die Tschechoslowakei, ein Bündnispartner der Sowjetunion und Frankreichs, wurde von letzterem als Drohpotential benutzt. Der französische Luftfahrtminister Cot bezeichnete die Tschechoslowakei mehrmals unverblümt als Flugzeugträger Frankreichs im Rücken Deutschlands. Bomber hätten von dort aus Berlin in nur 45 Flugminuten erreichen können, und Deutschland verfügte über keine Luftstreitkräfte, diese notfalls abzuwehren.

Noch 1933 bot die polnische Regierung der französischen Regierung dreimal an, gemeinsam einen Krieg gegen Deutschland zu eröffnen. Die Franzosen lehnten ab, aber die Absicht der Polen wurden der deutschen Reichsregierung bald bekannt.

So muß man die Sehnsucht der deutschen Bevölkerung vor 1939 sehen, die endlich eigene Truppen haben wollte, die sie vor den wiederholten Friedensbrüchen und den Angriffsdrohungen aggressiver Nachbarstaaten schützen konnten. Eine "Befreiung" durch die Friedensstörer und Gegner aus dem Ersten Weltkrieg war damals nicht gefragt.

Bei der Unterzeichnung des Versailler Vertrages gab es einen Hoffnungsschimmer. Nicht nur Deutschland war gezwungen worden, die Masse seiner Truppen aufzulösen, auch die Siegermächte hatten sich in dem Vertrag verpflichtet, nach dem Vollzug der deutschen Abrüstung ihre eigenen Heere, Luftstreitkräfte und Marinen abzurüsten. Doch keine der großen Siegermächte hielt ihr Wort. Alle brachen den Vertrag. Frankreich und die mit ihm gegen Deutschland militärisch verbündeten Nationen unterhielten weiterhin so starke Heere, daß die Weimarer Republik ihnen an aktiven Friedens-Heereskräften eins zu zwölf, und einschließlich der Reservekräfte eins zu 97 unterlegen war (die Sowjetunion und England nicht mit eingerechnet).

Dieses Ungleichgewicht sollte ab 1926 in einer Serie von Abrüstungskonferenzen beim Völkerbund in Genf bereinigt werden. Der belgische Außenminister Vandervelde beschrieb den Sachverhalt zu Konferenzbeginn wie folgt: "Entweder müssen die anderen Mächte ihre Armeen im Verhältnis zur deutschen Reichswehr vermindern, oder der Friedensvertrag wird hinfällig und Deutschland nimmt für sich das Recht in Anspruch, Streitkräfte zu besitzen, die in der Lage sind, die Unverletzbarkeit seines Gebietes zu verteidigen."

Die Genfer Verhandlungen scheiterten nach acht Jahren letztlich an den steten Einsprüchen Frankreichs. England behielt seine umfangreichen Seestreitkräfte und Frankreich sein übergroßes Heer. Die Kompromißformel, die am Ende stand, war die Erklärung, daß Deutschland prinzipiell die gleichen Rechte zugestanden werden sollten wie allen anderen Staaten. Der Kompromiß wurde von Polen und von Frankreich sofort widerrufen.

Auf diese Weise hatten die Sieger von 1918 über ein Jahrzehnt lang Deutschlands Souveränität und Grenzen wiederholt verletzt und dann auch noch verhindert, daß die Weimarer Republik sich eine angemessene Selbstschutzfähigkeit zulegte. So ist die deutsche Wiederaufrüstung ab 1934 vom überwiegenden Teil der Deutschen, insbesondere von der Bevölkerung an Deutschlands Grenzen, als eine Befreiung vom aggressiven Druck des Auslands angesehen worden.

Von 1933 bis 1939 rüstete Deutschland seine Wehrmacht zu einer respektablen Größe auf, die 1939 stark genug war, die polnische Armee in einem Blitzfeldzug zu schlagen, die aber in einem Zweifrontenkrieg, wie ihn die Polen 1933 den Franzosen gegen Deutschland vorgeschlagen hatten, kaum stark genug gewesen wäre, Deutschland gleichzeitig sowohl nach Osten als auch nach Westen zu verteidigen. Fortsetzung folgt


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren