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03.09.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. September 2005

Hundert Prozent / Für den Fall, daß es wirklich sozialistisch wird, hat Lafontaine ein Herrenhaus auf Mallorca
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Alle stürzen sich auf Lafontaine: Ein "Luxus-Linker" sei er, höhnen seine Gegner. Die Bild am Sonntag (BamS) behauptet, der nobelrote Saarländer habe die Redaktion schwer gedrängt, ihm einen Privatjet zu stellen, damit er von seinem Urlaubsort Mallorca bequem zu einer Diskussionsveranstaltung der Zeitung an die Saar und wieder zurück auf die Insel fliegen könne. Lafontaine bestreitet das energisch. Überhaupt ärgert es ihn, wenn Leute wie der ehemalige Chef der Stasiunterlagen-Behörde, Joachim Gauck, ihn den "Schmuck-Wessi" der PDS nennen.

In der TV-Runde mit Sabine Christiansen und CDU-Finanzfachmann Friedrich Merz pochte der übergelaufene einstige SPD-Vorsitzende darauf, unter den Dreien derjenige mit dem geringsten Gehalt zu sein. Auf Mallorca bewohnt Lafontaine ein renoviertes Herrenhaus aus dem 15. Jahrhundert mit einem handelsüblichen Schwimmbecken davor und einer überschaubaren Parzelle von zwei Millionen Quadratmetern Land drumherum. Und Merz wohnt also besser? Beim nächsten Berlin-Besuch werden wir überprüfen, was am Schloß Charlottenburg oder dem Neuen Palais auf den Klingelschildern steht.

Nicht vertragen kann der Spitzenmann der Linkspartei überdies den Vorwurf, er sei ein "Populist", der bloß auf den Knalleffekt schiele. Das hatte ihm Merz in der Christiansenrunde untergejubelt. Lafontaine versuche, sich traurige Einzelschicksale nutzbar zu machen, denen er goldene Berge verspreche, und mißachte dabei das große Ganze, das, was der Staatsmann im Blick zu behalten habe. Das braucht sich Lafontaine nicht gefallen zu lassen. Erinnern wir uns: Rechte "Populisten" sind es gewesen, die vor 20 Jahren rührselig auf den Einzelschicksalen von ein paar Tausend Polithäftlingen in der DDR herumgeritten sind, statt sich verantwortungsbewußt um die guten Beziehungen zum "lieben Erich" oder später dem "lieben Egon" zu kümmern, welche Lafontaine noch bis in die letzten Tage der SED-Regierung konsequent gepflegt hatte.

Gemeinsam kämpfte er mit dem damaligen SPD-Ministerpräsidenten von Niedersachsen, Gerhard Schröder, dafür, daß die "Erfassungsstelle Salzgitter", wo die Einzelfälle in entspannungsfeindlicher Absicht gesammelt wurden, endlich aufgelöst werde - ohne Erfolg. Schließlich verpesteten mehrere Millionen verantwortungslose Einzelschicksale mit der "rückwärtsgewandten Forderung nach Wiedervereinigung" die Straßen der DDR, bis alles in Jahrzehnten aufgebaute Politikerwerk zerstob und mit ihm die Kanzlerhoffnungen des damaligen SPD-Spitzenkandidaten Oskar Lafontaine. Diese Undankbarkeit kann er den Deutschen nicht verzeihen, weshalb man ihm nicht übelnehmen sollte, daß er sie nun in die Falle locken will.

Ziemlich angefressen reagiert die neue Linkspartei auf die permanente Behauptung, gerade ihr Westflügel WASG rekrutiere sich bloß aus Frustrierten, denen es eigentlich nur darum gehe, den Etablierten eines auszuwischen - ein zufällig zusammengewehter Haufen von Verlierern und Querulanten also. Es blieb der Sendung Report Mainz des Südwestdeutschen Rundfunks überlassen, uns davon in Kenntnis zu setzen, wie falsch wir mit diesem chaotischen Eindruck lagen. Laut deren Recherchen ist die WASG ganz im Gegenteil das Ergebnis präziser Planungen, die gleich nach der Bundestagswahl 2002 aufgenommen worden waren.

Damals setzte sich laut Report eine Expertenkommission versierter Fachleute mit langjähriger Erfahrung in der DKP, der SED und dem Umfeld des DDR-Ministeriums für Staatssicherheit zusammen, um über die Zukunft zu beraten. Das Ziel: ein PDS-Westableger, aufgebaut frei nach Walter Ulbrichts Motto zur Integration der demokratischen Parteien ins System der DDR anno 1945: Es muß alles westdeutsch aussehen, aber die PDS-Zentrale in Berlin muß alles in der Hand behalten. Als das Projekt in groben Zügen stand, ging es nur noch darum, eine Reihe verblödeter Wessis zu finden, die freimütig mitmachen wollten, ohne zu wissen, wobei. In den Niederungen der Gewerkschaftsfunktionärs-Szene wurden die Werber schnell fündig. Im letzten Schritt des Dreijahresplans mußte schließlich dafür gesorgt werden, daß sich die WASG freiwillig mit den Genossen der PDS zur Einheitspartei zusammenschließt. Einen neuen Grotewohl (der Ostzonen-SPD-Chef, der seine Genossen 1946 in die SED führte) mußte man nicht lange suchen. Man kannte ihn seit langer Zeit aus guten wie aus schlechten Tagen - von den gemütlichen Nachmittagen beim "lieben Erich" ebenso wie vom gemeinsamen Kampf gegen die deutsche Einheit: Oskar Lafontaine.

So weit, so leicht. Was macht man nun mit den unvermeidlichen "Provokateuren" und "Abweichlern"? So nannten sie nach der Fusion zur SED 1946 jene SPDler, die sich der Einheit der Arbeiterklasse entgegenstellten. Damals kriegte man diese Typen schnell beim Kant-haken: Die wurden entweder eingesperrt oder weggejagt und fertig. Heute dürfen sich schimpfende WASG-Leute vor den Fernsehkameras verbreiten und behaupten, sie seien hintergangen worden. Genosse Ulbricht: Du hattest es besser!

Sogar WASG-Chef Klaus Ernst tanzt aus der Reihe. Das Geld anderer Leute umverteilen mochte er schon immer, doch will er bitte schön an der Beute beteiligt werden. Auf den Plakaten der PDS in den Neuen Ländern aber mußte Ernst die Forderung lesen: "100 Prozent für den Osten." Das findet Ernst ungerecht. Dabei dürfte er prominente Unterstützung in seiner Partei finden. Wer fordert, daß "100 Prozent" in die Neuen Länder gehen sollen, der erweckt ja den Eindruck, daß das auch für Oskar Lafontaines gediegene Besitztümer und Ansprüche gelten könnte.

Es ist höheren Genossen noch nie gut ergangen, wenn ihnen das Volk zu nahe kam. In der DDR flohen die SED-Oberen vor den Massen in ein muffiges Ghetto mit eigenem Supermarkt am Wandlitzsee. In so etwas Langweiliges läßt sich der Lebemann von der Saar auf keinen Fall abschieben, wenn die Linkspartei entgegen jeder Vorhersage an die Macht kommen sollte und tatsächlich "umzuverteilen" beginnt. "Lafo" hat indes sein Refugium am schönen Mittelmeer. Dorthin kann er sich in Sicherheit bringen, wenn aus seinem heiteren Spiel mit der Politik plötzlich bitterer sozialistischer Ernst wird.

Oskar im Wunderland Zeichnung: Götz Wiedenroth


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