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10.09.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 10. September 2005

Stoppt Doris! / Als die Kanzlergattin das letzte Mal für ihren Mann in den Ring stieg, ging das gründlich in die Hose
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Entgegen allen Umfragen: Schröder hat das TV-Duell verloren. Dies scheinen zumindest seine eigenen Genossen zu glauben. warum sonst fordern führende SPD-Politiker durch die Bank einen weiteren Zweikampf vor der Kamera. Sigmar Gabriel behauptet, dann könnten die Menschen "noch tiefer und intensiver in die Argumentation der beiden Kontrahenten" eindringen.

Er hat das Duell vermutlich gar nicht gesehen. Sonst hätte er mitbekommen, daß der Kanzler mangels "Argumenten" mitten im Gespräch anfing, von der Liebe zu seiner Frau Doris zu schwärmen. Ihm fiel offensichtlich nichts besseres mehr ein. Gut, über Freud und Leid im Eheglück hätte uns Gerhard Schröder gewiß noch viel mehr zu erzählen in einer zweiten Runde. Aber wollen wir das hören? Und wer sollte solch zuckersüßes Geplauder moderieren? Rosamunde Pilcher?

Und würde ihm das Gerede über's Private überhaupt nützen? Schröders eigene Erfahrung sollte ihn davor warnen, seine Familie einzuspannen. Doris Schröder-Köpf hat sich schon einmal für ihren Mann ins Getümmel gestürzt, was gründlich in die Hose gegangen ist. Wir erinnern uns: Als es schon einmal sehr schlecht stand um Schröders Popularität, drohte sie Leuten, die des Kanzlers Haare öffentlich als gefärbt bezeichneten, mit dem Kadi. So machte die Kanzlergattin alles nur noch schlimmer, ganz Deutschland hat gelacht. Jetzt hat sie bei Angela Merkel durch's Fenster geguckt und berichtet uns, daß die Kandidatin gar keine Kinder habe, was sie, Doris Schröder-Köpf, der Frau Merkel natürlich "niemals vorwerfen" würde, weil Kinderlosigkeit bei Frauen ja "oft auch mit persönlichem Leid verbunden" sei. Diese besondere Art von Diskretion kennen wir. Das ist die Manier von Leuten, die gern an Klöntüren herumlungern und Sätze tuscheln wie: "Nicht daß es mich was anginge oder daß ich gar etwas dagegen hätte, aber haben Sie schon gehört, daß ... ?" Herzlichen Dank, wir haben Wichtigeres zu tun.

Das gilt besonders für die kleinen Parteien, die im Pulverdampf der streitenden Giganten fast unsichtbar geworden sind und hektisch um Aufmerksamkeit ringen. Rastlos düst Außenminister Fischer in seinem Bus im Land umher und redet und redet und redet, ohne daß sich für seine Grünen an der Umfragefront etwas bewegt. Er sieht sein außenpolitisches Erbe in Gefahr, insbesondere der türkische EU-Beitritt könnte bei den Schwarzen unter die Räder kommen. Und damit auch unsere Sicherheit, meint Fischer. Warum das so sei, dafür hat er eine erstaunliche Begründung: Die Türkei sei ja ein islamisches Land und Nachbar der Araber, die in jüngster Zeit unter religiösem Bluthochdruck litten und dringend jemanden benötigten, dem sie vertrauen und der ihnen in unserem Namen gut zureden kann. Daß der Außenminister wie alle Freunde Ankaras bei der Suche nach diesem "Jemand" ausgerechnet auf die Türkei stößt, ist für historisch versierte Zeitgenossen einigermaßen rätselhaft.

Die Türken waren einige Jahrhunderte lang Kolonialmacht im arabischen Raum und sind dort deshalb keine Unbekannten, das stimmt. Die Erinnerung jedoch, die sie bei den Arabern hinterlassen haben, ist das genaue Gegenteil dessen, was man gemeinhin als den Blick auf ein "goldenes Zeitalter" bezeichnet - sie waren herzlich verhaßt. Die Türkei als "Brücke" zu den arabischen Ländern zu benutzen ist in etwa so, als beauftragten wir einen pensionierten Sklavenbaron mit den Beziehungen zu den Afrikanern - "weil man sich ja noch von früher kennt".

Am Ende des osmanischen Zeitalters haben sich die Araber sogar von den "ungläubigen" Briten nach Strich und Faden verkaspern lassen, nur um endlich die Türken vom Hals zu kriegen. Während des Ersten Weltkriegs erledigten arabische Reiterhorden die britische Drecksarbeit hinter den türkischen Linien - um nach Kriegsende von London und Paris um die versprochene Freiheit betrogen zu werden.

All das kratzt nicht an Joschka Fischers Brückengemälde. Er kann darauf vertrauen, daß seine Wählerschar von tieferen Kenntnissen über die historischen Verwerfungen des Orients ebenso unberührt ist wie er. Multikulturell sein heißt schließlich: großzügig denken, im konkreten Fall also nicht so genau hinsehen. Diese Großzügigkeit ist zum Markenzeichen unserer liberalen Gesellschaft geworden und übt eine enorme Anziehungskraft auf Menschen in aller Welt aus.

Die Türkei wollen die Brücke dennoch, jedoch nicht eine zu den Arabern, sondern zu uns. Daß ihre Fertigstellung gefährdet ist vom deutschen Urnengang, hat sich bis Ankara herumgesprochen. Zunehmend bockig grollt die türkische Führung all jenen, die ihr aus der lästigen Zypernsache oder der Angelegenheit mit den Armeniern einen Strick drehen wollen. Für Ankara ist das absehbare Ende von Rot-Grün ein Schlag ins Kontor. In den Fluren der Koalition geht es mittlerweile zu wie im Palast einer wegdämmernden Dynastie: jeder für sich und gegen die anderen. Mit Schrecken verbuchen die Grünen, daß die leichten Zugewinne der SPD auf ihre Kosten zu gehen scheinen und wildern nun ihrerseits per Zweitstimmenkampagne im Gehege der Sozialdemokraten. Die SPD-Minister reden nur noch beiläufig von der Koalition und statt dessen viel lieber von ihrem Kanzler, der dem armen Fischer sogar die fleckigen Früchte der rot-grünen Außenpolitik abjagen möchte. Das schmerzt.

Die Liberalen haben es in dieser Hinsicht besser. Unionspolitiker erwähnen den gelben Beiwagen bei jeder Gelegenheit, zumal ihnen die Alternative - große Koalition mit der SPD - weit weniger attraktiv erscheint. Besonders selbstlos engagieren sich die schwarzen Ministerpräsidenten für den kleinen Wunschpartner. Kurzfristig wurde es nämlich wirklich eng für die Westerwelles. Paul Kirchhofs Steuermodell ist in seiner Reinform dermaßen liberal, daß es die Freidemokraten nur mit der Forderung nach Tarifen wie auf den Cayman-Inseln hätten toppen können. Was natürlich lächerlich gewesen wäre, denn die Karibik-Inseln sind bekanntlich ein sogenanntes "Steuerparadies".

Die Lage war wirklich bedrohlich, als Saar-Müller und seine Kollegen Stoiber, Wulff und Oettinger wie die vier Musketiere im Film in letzter Minute um die Ecke galoppiert kamen und Kirchhof in den Staub ihrer sozialpolitischen Bedenken stießen. Da hockt er nun und klaubt die Reste seines Kunstwerks zusammen. Das schafft wieder Luft für die Liberalen. Jetzt fehlen ihnen nur noch die Köpfe, welche die frische Brise auch aufnehmen und in Stimmen verwandeln können.

 

"Ehrlich - ich wollte eigentlich die da treffen!" Zeichnung: Götz Wiedenroth


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