© Preußische Allgemeine Zeitung / 24. September 2005

Heimgekehrt
Adoptivkind findet seine echte Familie

Nachdem die Anruferin ihr eröffnet hatte, wer sie war, griff Claire Halt suchend nach dem nächsten Stuhl. Alles Blut war ihr aus dem Gesicht gewichen. Mutter! Wild wirbelten ihre Gedanken durcheinander. In den vergangenen 20 Jahren hatte sie sich immer wieder ausgemalt, wie es wäre, wenn ihre leibliche Mutter wie aus heiterem Himmel auftauchte, um sie zu holen. Mit fünf Jahren hatte sie erfahren, daß sie ein Adoptivkind war. Immer wieder hatte sie sich in ihrer Kindheit und Jugend ausgemalt, sie wäre ein Kind der Liebe und ihre richtige Mutter gezwungen, sie wegzugeben, weil die Eltern aus geheimnisvollen Umständen auseinandergerissen worden waren.

Als Claire den Telefonhörer aufgelegt und sich ihre Verwirrung etwas gelegt hatte, dachte sie über das Gespräch nach. Ihre Mutter hatte sie für ein Wochenende zu sich eingeladen, damit sie sich gegenseitig besser kennenlernten. Bei dieser Gelegenheit erfuhr Claire auch, daß sie noch einen Bruder und eine Schwester hatte. Würden sie die ältere Schwester akzeptieren? Gibt es vielleicht noch einen ganzen Familienclan - Großeltern, Tanten, Onkel, Cousins und Cousinen, fragte sie sich und spürte bei dieser Vorstellung eine leichte Vorfreude, aber auch ein wenig Unbehagen. Am meisten jedoch verwirrte sie die Auskunft über den Vater. Tausend Fragen stürmten auf Claire ein. Wichtig aber war nur eine: Warum?

Eileen Goudge erzählt in ihrem Roman "Bittersüßer Honig" einfühlsam die Geschichte einer jungen Frau, die ihr Kind zur Adoption freigibt und nach 28 Jahren wieder Verbindung zu der Tochter aufnimmt. Eine lebensnahe, aber auch romantische Erzählung für lange Abende oder kurze Ferientage. Barbara Mußfeldt

Eileen Goudge, " Bittersüßer Honig", Lübbe Verlag, Bergisch Gladbach, brosch., 508 Seiten, 7,95 Euro