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01.10.05 / Wie finden wir zurück zur Dankbarkeit? / Von einem Leben nach Gottes Gesetz von Saat und Ernte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 01. Oktober 2005

Wie finden wir zurück zur Dankbarkeit?
Von einem Leben nach Gottes Gesetz von Saat und Ernte
von Klaus Plorin

Das bevorstehende Erntedankfest erinnert uns wieder einmal dran, daß Säen und Ernten zu den elementarsten Lebensvollzügen gehören. Sei es im ursprünglichen Sinn, wie Landwirte und Gärtner arbeiten, oder auch übertragen auf ganz andere "Felder" täglichen Wirkens. Glücklich ist zu schätzen, wer zumindest im Blumenkasten auf Fensterbrett oder Balkon, besser noch im Garten oder sogar auf Acker und Feld nach seinem Säen das Wunder von Keimen, Wachsen, Blühen, Reifen, Fruchtbringen erleben kann oder schon einmal erleben durfte. Derjenige wird sich ein nahes Verhältnis zur Natur und ein dankbares Staunen über die Wunder der Schöpfung Gottes bewahren können.

Leider sind durch Verstädterung und mangelndes Interesse immer mehr Menschen der Natur und ihren Wundern entfremdet. Schon vor Jahrzehnten mußte ich erleben, daß Kinder aus der Großstadt nicht wußten, was da unter dem Kartoffelkraut wuchs, geschweige denn, daß sie die Getreidearten auf den Feldern an ihren Ähren hätten unterscheiden können. Wer alles hat da wohl versagt? Wie erfreulich für Sinne und Seele sind doch Anblick und Duft eines blühenden Gartens, eines wogenden Kornfeldes oder eines gut bearbeiteten Kartoffelackers - falls sie nicht zu sehr nach Kunstdünger riechen. Doch wie traurig, ja bedrückend wirken versteppte, öde Brachflächen wie im heutigen Ostpreußen. Das frühere Überschußgebiet an landwirtschaftlichen Produkten ist zum Importland für Lebensmittel geworden.

Aber auch in Deutschland nimmt die Fläche landwirtschaftlich genutzten Bodens immer mehr ab. Frühere Weiden und Ackerflächen werden aufgeforstet, für neue Bebauung und Straßen verwendet oder auch zu Golfplätzen umgestaltet. Werden wir uns eines Tages überwiegend von Einfuhrprodukten ernähren müssen, deren Herkunft undurchschaubar ist und deren weite Transportwege unsere Straßen noch mehr belasten und die Luft stärker verpesten? Wahrscheinlich haben wir uns in den letzten Jahrzehnten an das Überangebot von Lebensmitteln in unseren Supermärkten schon sehr gewöhnt, daß wir es für selbstverständlich halten und nur noch gedankenlos hinnehmen, jedoch tiefere Zusammenhänge nicht mehr wahrnehmen.

Wie finden wir zurück zur Dankbarkeit für jede schmackhafte Mahlzeit und jedes köstliche Getränk? Wie zurück zum persönlichen und familiären Tischgebet, das, zumindest äußerlich, leider fast verschwunden ist? Hilft uns Älteren vielleicht die Erinnerung an durchlittene Hungerzeiten nach dem Krieg? Mahnt uns der Hunger in vielen Teilen der Welt, für unsere Nahrung dankbar zu sein? Zu den genannten betrüblichen Entwick-lungen gibt es aber auch erfreuliche Gegenbewegungen. Da sind Bemühungen um erzeugernahen Direktverkauf auf Bauernhöfen, auf Märkten und an Straßen. Ferien auf dem Bauernhof werden bei Familien immer beliebter und bringen etwas Einblick in die Landwirtschaft. Auch die wachsenden Teilnehmerzahlen bei Gottesdiensten zum Erntedankfest lassen hoffen, daß sowohl Arbeit, Fleiß und Geschick von Landwirten wieder mehr geschätzt werden, als auch Gott als Schöpfer hinter all den Wundern von Saat und Ernte anerkannt und dankbarer gewürdigt wird.

So sollten wir Ernte-Dank feiern als unsern Dank für alles, was unser Leben ernährt, trägt, speist, stärkt, reich und lebenswert macht. Für alle "Lebensmittel", die unser Leben ermöglichen, die uns, trotz schlechter Konjunktur, auch in diesem Jahr zur Verfügung standen. Unser Danken kann und darf sich aber nicht auf liturgisch-gottesdienstliches Feiern, Beten und Singen und vielleicht auf eine großzügige Kollekte beschränken. Danken sollte uns doch auch zum Nachdenken über soziale und politische Zusammenhänge führen. Angesichts der Nähe des Erntedankfestes zum "Tag der Deutschen Einheit" und zwei Wochen nach der Bundestagswahl, wenn mit der Regierungsbildung auch über die Zukunft unserer sozialen Marktwirtschaft entschieden wird, bekommt der offizielle Predigttext besondere Aktualität. Da heißt es unter anderem:

"Wenn du in deiner Mitte niemand unterdrückst und nicht schlecht über ihn redest, sondern den Hungrigen dein Herz finden läßt und den Notleidenden sättigst, dann wird dein Licht in der Finsternis aufgehen ..." (Jesaja 58, 9b - 10).

Die in unseren aktuellen Krisen "zu kurz Gekommenen" und die nach Gerechtigkeit Hungernden "unser Herz", also unser Verständnis und unsere Hilfe finden zu lassen, ist in unserer anonymisierten Gesellschaft nicht einfach. Not wird oft schamhaft verschwiegen, bleibt unserem Blick meist verborgen. Doch an städtischen "Tafeln", die Notleidende mit gespendeten Lebensmitteln versorgen, wächst die Zahl der anerkannt Bedürftigen. Neben den sozialen, diakonischen und karitativen Organisationen, die wir mit Spenden unterstützen können, ist besonders die Sozialpolitik von der neuen Armut herausgefordert.

Anders als den alttestamentlichen Propheten, der nur auf die Menschen "in deiner Mitte" hinweist, gehen uns Christen auch Menschen in der Ferne etwas an. Viele der Flüchtlinge und Vertriebenen aus den Ostgebieten kümmern sich seit Jahrzehnten um Notleidende in der Heimat. Die Sach- und Geldspenden wie der persönliche Kontakt zu Einzelnen, Familien, Kindergärten, Schulen, Krankenhäusern und Kirchgemeinden haben auf beiden Seiten viele Herzen sich öffnen und finden und manches Licht in Dunkelheiten aufleuchten lassen. Zugleich ist das ein von Herzen kommender, praktischer und Gott wohlgefälliger Dank für die Ernten, die wir nach dem Krieg im Westen nach harter Arbeit unter Gottes Segen einbringen durften. - Gott, wir danken dir!

Und was wir hier bei uns oder in der Heimat oder anderswo an Hilfe und Liebe verschenken, steht ebenso wieder unter dem von Gott geschaffenen Gesetz von Saat und Ernte. Es ist nicht verschwendet, sondern wird Frucht tragen bei den Menschen, denen wir helfen, wie auch bei uns selbst, jetzt schon teilweise und endgültig in Gottes kommendem Reich.

 Junge im Maisfeld: Freude am Ernten Foto: vario-press


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