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08.10.05 / Wie das Saarland zur Bundesrepublik kam / Wie jüngst bei der EU-Verfassung konterkarierte das Volk auch vor 50 Jahren die Pläne der Regierenden

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Oktober 2005

Wie das Saarland zur Bundesrepublik kam
Wie jüngst bei der EU-Verfassung konterkarierte das Volk auch vor 50 Jahren die Pläne der Regierenden
von Manuel Ruoff

Vor 50 Jahren tobte der Abstimmungskampf an der Saar, dessen Wurzeln weit in die Geschichte der deutsch-französischen Beziehungen zurückreichen. Während die Deutschen den Rhein für "Deutschlands Strom, nicht Deutschlands Grenze" hielten, unterschieden die Franzosen zwischen den "alten Grenzen", die an etwa ihren heutigen entsprechen, und den anzustrebenden "natürlichen Grenzen", zu denen auch der Rhein gezählt wurde. Aus diesem Grunde war das linksrheinische Deutschland traditionell französischen Begehrlichkeiten ausgesetzt. Besonders galt dieses für das Saarland mit seiner exponierten geographischen Lage und seinen Steinkohlevorkommen, die ungefähr einem Drittel der französischen entsprachen.

Das zeigte sich auch nach dem Ersten Weltkrieg, als Frankreich sich nicht mit Elsaß-Lothringen zufriedengab, sondern erneut seine Hände nach dem Rheinland im allgemeinen und dem Saarland im besonderen ausstreckte. Erst nach einer Volksabstimmung unter dem Schutz einer Völkerbundstruppe kam am 1. März 1935 das Saarland wieder an das Deutsche Reich.

Nach dem Zweiten Weltkrieg versuchte Frankreich erneut, den linksrheinischen Teil von Deutschland abzuspalten. Diese Pläne waren insofern erfolgreich, als die US-Amerikaner der abermaligen Abtrennung des Saarlandes zustimmten. Am 12. Februar 1946 wurde das Gebiet aus der französischen Besatzungszone ausgegliedert und damit der Zuständigkeit des alliierten Kontrollrates entzogen. Paris verlor keine Zeit und integrierte noch im selben Jahr das saarländische Territorium in das französische Zollgebiet. Im darauffolgenden Jahr wurde am 20. November der französische Franc als Währung eingeführt und am 15. Dezember eine Verfassung erlassen, die von einer Lostrennung von Deutschland und einem wirtschaftlichen Anschluß an Frankreich ausging. Wie die Besatzungsmacht in Mitteldeutschland stützten sich dabei auch im Saarland die Besatzer auf die Mitarbeit einer von deutschen Emigranten und NS-Verfolgten geprägten Regierung. Die eigentliche Macht übte jedoch von 1948 an ein französischer Hochkommissar aus.

Wenn die 1949 gegründete Bundesrepublik Deutschland als Rechtsnachfolger des Deutschen Reiches, als Kern eines deutschen Nationalstaates und als Wahrer deutscher Interessen ernstgenommen werden wollte, durfte sich ihre Kritik nicht nur auf die Behandlung Ost- und Mitteldeutschlands durch die Sowjets beschränken, sondern mußte die Verletzung der Meinungsfreiheit und anderer Menschenrechte im Saarland durch die Franzosen mit einbeziehen. So forderte die Bundesrepublik wie für die Mitteldeutschen auch für die Saarländer das Selbstbestimmungsrecht.

Da sich die Saarfrage zu einer längerfristigen schweren Belastung des deutsch-französischen Verhältnisses und einem ernsthaften Hindernis auf dem Weg zur angestrebten deutsch-französischen Freundschaft zu entwickeln drohte, schlug Frankreichs Außenminister Robert Schuman 1952 eine "Europäisierung" des Saarlandes vor. Die Franzosen machten ihre Zustimmung zur Beendigung des Besatzungsregimes in der Bundesrepublik, deren Beitritt zur Nato sowie der Aufstellung der Bundeswehr von einer sie befriedigenden Lösung der Saarlandfrage im Sinne des Schumanschen Vorschlages abhängig. Der frankophile deutsche Bundeskanzler Konrad Adenauer ließ sich darauf ein, und so kam es am 23. Oktober 1954 zur Unterzeichnung einer entsprechenden Vereinbarung zwischen dem bundesdeutschen und dem französischen Regierungschef. Danach sollte das Saargebiet bis zu einem Friedensvertrag Teil des französischen Währungs- und Zollgebietes bleiben, politisch jedoch einen europäischen Status im Rahmen der Westeuropäischen Union erhalten. Diesem politischen Status - nicht der wirtschaftlichen Anbindung an Frankreich - sollten die Saarländer in einer Volksabstimmung ihren Segen geben.

Nachdem im Anschluß an die französische Nationalversammlung am 27. Februar 1955 auch der Deutsche Bundestag der Vereinbarung zugestimmt hatte, ließen die Franzosen nun auch bis dahin verbotene prodeutsche Parteien zu, die sich im "Heimatbund" zusammenschlossen. Nach einem sehr leidenschaftlich geführten, erhitzten Abstimmungskampf fand am 23. Oktober 1955 die von einer Kommission der Westeuropäischen Union beaufsichtigte Abstimmung statt. So planmäßig die Abstimmung verlief, so unplanmäßig war ihr Ergebnis. Eine deutliche Mehrheit von 67,7 Prozent sprach sich gegen das Statut aus. Damit trafen die Saarländer die Regierenden in der Französischen Republik und der Bundesrepublik ebenso unvorbereitet, wie es Jahrzehnten später den Franzosen und den Niederländern bei der Abstimmung über die EU-Verfassung gelang. Darauf, daß das Volk den von der politischen Klasse vorgezeichneten Weg nicht beschreiten könnte, hatte man sich nicht vorbereitet.

Die Bundesrepublik hatte mit ihrem Artikel 23 ("Dieses Grundgesetz gilt zunächst im Gebiete der Länder ... In anderen Teilen Deutschlands ist es nach deren Beitritt in Kraft zu setzen.") zumindest eine grundgesetzliche Regelung für diesen Fall, doch die Französische Republik tat sich mit der Umsetzung von Volkes Wunsch sehr schwer.

Ähnlich wie Jahrzehnte später die Sowjetunion den Beitritt der DDR ließ sich auch Frankreich den Beitritt des Saarlandes zum Geltungsbereich des Grundgesetzes gemäß Artikel 23 mit Konzessionen und Übergangsregelungen versüßen. Im Luxemburger Vertrag vom 27. Oktober 1956 stimmte Frankreich der kleinen Wiedervereinigung endlich zu. Nach der politischen erfolgte am 6. Juli 1959 schließlich auch die wirtschaftliche Vereinigung.

Schwere Tumulte vor der Saarabstimmung zwischen Gegnern des Saarstatuts und der Polizei in Neunkirchen Foto: picture-alliance / dpa


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