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08.10.05 / "Die Liebe Christi drängt mich" / Vor 125 Jahren wurde "Vertriebenenbischof" Maximilian Kaller geboren

© Preußische Allgemeine Zeitung / 08. Oktober 2005

"Die Liebe Christi drängt mich"
Vor 125 Jahren wurde "Vertriebenenbischof" Maximilian Kaller geboren

Vor einem Jahrhundert, am 10. Oktober 1880, kam Maximilian Josef Johannes Kaller im oberschlesischen Beuthen als zweites von acht Kindern einer Kaufmannsfamilie zur Welt. Nach dem Abitur, das er 1899 am staatlichen Gymnasium seiner Heimatstadt ablegte, begann er in Breslau eine theologische Ausbildung, die er bereits vier Jahre später mit der Priesterweihe abschließen konnte. Nach einem nur zweijährigen Vikariat wurde er Pfarrer auf Rügen. Bereits in dieser Stellung zeigten sich seine besonderen Fähigkeiten im Bereich der Diasporaseelsorge. Hier schuf er den Katholiken, in der Mehrzahl Kurgästen und polnischen Saisonarbeitern, religiöse Zentren in Bergen sowie in Sellin und Garz, wo er neue Kirchen baute.

Im Kriegsjahr 1917 folgte er dem Ruf seines Bischofs als Pfarrer von St. Michael nach Berlin-Kreuzberg. Er bewies nun, daß er auch in der Großstadtseelsorge erfolgreich zu wirken vermochte, sowohl durch Belebung der Religiosität als auch durch soziales Engagement. Unter schwierigsten Diasporaverhältnissen entfaltete er bei den ihm anvertrauten 17000 Katholiken eine weit über die Pfarrgrenzen hinausstrahlende Seelsorgetätigkeit. Als pastorale Schwerpunkte pflegte er die lebendige Feier der Liturgie, die zeitnahe, richtungsweisende Verkündigung und eine alle einschließende Caritasarbeit. Diese umfaßte unter anderem Küchen zur Armenspeisung, Werkstätten für Arbeitslose, Asyl für Obdachlose und entlassene Strafgefangene. Seiner Zeit voraus, rückte er mit dem Aufbau des Laienapostolates weitsichtig die Seelsorge als Aufgabe aller Getauften in den Blick.

Die zweite Lebensphase führte Kaller nach Ostdeutschland. Vermutlich auf Empfehlung des damaligen Nuntius in Berlin Eugenio Pacelli, dem späteren Pius XII., bestellte ihn der Heilige Stuhl 1926 zum Oberhirten der Apostolischen Administratur Tütz für die nach dem Ersten Weltkrieg beim Deutschen Reich verbliebenen Teile der Bistümer Gnesen-Posen und Kulm in der Grenzmark Posen-Westpreußen. Wiederum war Kaller mit einer Diasporasituation konfrontiert. Hinzu kam diesmal als weiteres Problem der deutsch-polnische Nationalitätenkonflikt. Er unterstützte die katholische Tageszeitung "Grenzwart", gab ein Kirchenblatt heraus, förderte das katholische Vereinswesen und bemühte sich um Hauswirtschaftsschulen, eine Landvolkshochschule, Caritasheime und Krankenhäuser.

1930 erfolgte seine Wahl zum Bischof von Ermland mit Dienstsitz in Frauenburg. Als Wahlspruch wählte er das Wort des Apostels Paulus. "Die Liebe Christi drängt mich." Der Nichtermländer, der wohl vom Heiligen Stuhl für dieses Amt favorisiert worden war, mußte in seiner Diözese zunächst Widerstände bei Klerus und Volk abbauen. Voller Eifer machte er sich an seine ihm neu zugewiesene Aufgabe. Durch eine Vielzahl von Aktivitäten versuchte er die Seelsorge in seinem Sprengel zu beleben. Er besuchte alle Pfarrgemeinden, warb für den häufigen Kommunionempfang, führte das Ewige Gebet ein, förderte die Exerzitien wie die Volksmissionen und den Kirchenbau, rief das "Ermländische Kirchenblatt" ins Leben und weihte ein neues Priesterseminar in Braunsberg ein.

Auf einer von ihm anberaumten Diözesansynode stellte er 1932 das Programm der sogenannten Katholischen Aktion vor, die den Kern seines Seelsorgekonzepts bildete. Deren programmatische Ziele faßte er ein Jahr später auf dem Christkönigskongreß in Mainz in die Worte: "Teilnahme der Laien am hierarchischen Apostolat, Mitarbeit und Mithilfe der Laien an der Sendung der Kirche. Die Katholiken stehen nicht mehr in Verteidigungsstellung wie früher, sondern leisten positive katholische Aufbauarbeit, und so in frohem Bekenntnis und fruchtbringendem Schaffen arbeiten sie zugleich mit für Volk und Vaterland."

Obwohl sich das Verhältnis der Kirchen zu den nationalsozialistischen Machthabern im Laufe der NS-Zeit verschlechterte, konnte Kaller 1938 ein neues Gebet- und Gesangbuch und 1939 ein neues Ritual im Geiste der liturgischen Bewegung herausgeben. Bis zu einem gewissen Grade war es ihm auch möglich, sich für den polnischsprachigen Bevölkerungsteil seines Sprengels einzusetzen. Wie weit seine Bereitschaft ging, den Unterprivilegierten beizustehen, zeigt sein Angebot an Nuntius Cesare Orsenigo in Berlin aus dem Kriegsjahr 1942, die Seelsorge im Konzentrationslager Theresienstadt zu übernehmen. Das Anerbieten wurde abgelehnt.

Kallers dritte Mission begann mit dem Einmarsch der Roten Armee in Ostpreußen. Im Februar 1945 zwang ihn die deutsche Staatsmacht, seinen Amtssitz Frauenburg zu verlassen. Über Danzig gelangte er nach Halle an der Saale. Noch im Sommer des Jahres machte er sich auf den Weg zurück in sein Bistum. Nachdem der polnische Primas Kardinal August Hlond ihm gegenüber den falschen Eindruck erweckt hatte, der Papst wolle es so, verzichtete Kaller jedoch auf sein Bischofsamt und verließ das Ermland.

Nach einem kurzen Aufenthalt im westfälischen Wiedenbrück begann er von Frankfurt am Main aus, seine Schäfchen zu sammeln sowie eine Flüchtlingsseelsorge aufzubauen und zu organisieren. Vertriebene, so seine bereits in den ersten Nachkriegshirtenbriefen vertretene These, seien keine "Gottverlassenen", sondern von Gott "Auserwählte".

Papst Pius XII. berief Kaller 1946 zum Päpstlichen Sonderbeauftragten für die heimatvertriebenen Deutschen und empfing ihn wenige Monate später in der Ewigen Stadt. Gezeichnet von seelischen und körperlichen Strapazen predigte er auf den großen Wallfahrten der Heimatvertriebenen in Werl und Vierzehnheiligen. Am 7. Juli 1947 erlag er plötzlich an seiner letzten Wirkungsstätte Frankfurt einem Herzversagen. Seine letzte Ruhestätte fand Manfred Kaller in Königstein im Taunus, wo sein Grab Ziel von zahlreichen Gläubigen ist. E. B.

Bischof Maximilian Kaller Foto: Visitator Ermland


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