19.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
15.10.05 / Glaube siegte über den Krieg / Ein Jahr früher als geplant: Am 31. Oktober wird die Dresdner Frauenkirche neu geweiht

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Oktober 2005

Glaube siegte über den Krieg
Ein Jahr früher als geplant: Am 31. Oktober wird die Dresdner Frauenkirche neu geweiht
von Caroline von Gottberg

Menschen, Stimmen, Lärm, Bauen - geschäftiges Treiben herrscht rund um die Dresdner Frauenkirche. Fast scheint es so, als hätte sie nie am Neumarkt gefehlt. Doch läßt man die Gedanken zurückwandern, so wächst das Staunen darüber, daß dieser imposante Bau heute wirklich wieder den Neumarkt schmückt. Welch eine Geschichte, welch eine Entwicklung, die sich über Jahrzehnte vollzog, bevor das scheinbar Unmögliche möglich wurde. Dresden und die Frauenkirche - das ist ein Gedankengang.

Die glockenförmige Kuppel der Frauenkirche - monumental und graziös zugleich - thronte 200 Jahre über den Dächern der Altstadt Dresdens. Sie krönte das berühmte Stadtpanorama an der Elbe, eines der schönsten städtebaulichen Ensembles der Welt. In den Jahren 1726 bis 1743 nach den Plänen des Ratsbaumeisters und Architekten George Bähr gebaut, zählte der Barockbau zu den großen und bedeutenden Kirchen der evangelisch-lutherischen Christen in Deutschland. Sie gehörte zu den genialen Meisterwerken der europäischen Baukunst. Die Dresdner liebten ihre Kirche, die für alle Ewigkeit gebaut zu sein schien. Mit den Bombenangriffen 1945 sank mit der Stadt auch die Kirche in Schutt und Asche. Am 15. Februar 1945, zwei Tage nach dem Luftangriff auf Dresden, stürzte die stolze Kuppel ausgebrannt in sich zusammen. Das, was die Einwohner sich nicht hatten vorstellen können, war kurz vor Kriegsende Wirklichkeit geworden: Die Stadt lag in Trümmern und von der Frauenkirche zeugte nur noch ein Ruinenberg.

Selbst um diese Ruine mußten die Dresdener kämpfen, lag es doch im Interesse der DDR-Ideologie, auch dieses traurige Zeugnis vergangener Zeit auszulöschen. Das Beseitigen des Trümmerberges am Neumarkt scheiterte einzig und allein an den Kosten. Die Ruine blieb und wurde zum Mahnmal, dessen bedeutungsvolle, geistige Ausstrahlung fortwirkte.

Die Tage des Herbstes 1989 brachten neue Anstöße. Mit dem "Ruf aus Dresden" machte sich 1990 eine Bürgerbewegung für den Wiederaufbau des Gotteshauses stark. Pfarrer Karl-Ludwig Hoch war Mitverfasser des "Rufs aus Dresden", der an die Öffentlichkeit erging. Hoch, der das Bild der Frauenkirche seit seinen Kinderjahren in sich trug, fühlte sich aufgerufen, für das weitere Schicksal der Kirche Verantwortung zu übernehmen. Und aus seiner Verbundenheit zur Frauenkirche heraus trug der "Dresdener Ruf" folgende Sätze in die Welt: "Wir rufen auf zu einer weltweiten Aktion des Wiederaufbaus der Dresdner Frauenkirche, zu einem christlichen Weltfriedenszentrum im neuen Europa. In diesem Gotteshaus soll in Wort und Ton das Evangelium des Friedens verkündet, sollen Bilder des Friedens gezeigt, Friedensforschung und Friedenserziehung ermöglicht werden ... 45 Jahre nach ihrer Zerstörung ist auch für uns die Zeit herangereift, die Frauenkirche als einen verpflichtenden Besitz der europäischen Kultur wiedererstehen zu lassen. Darum rufen wir aus Dresden um Hilfe."

Der von der Bürgerinitiative unter der Leitung des Dresdner Musikers Professor Ludwig Güttler gegründete Förderkreis begann Anfang 1990 mit 14 Mitgliedern. Doch der Gedanke, nach 45 Jahren der Kunststadt Dresden ihr Wahrzeichen und der Weltkultur eines ihrer großen Denkmale zurückzugeben, hatte in kurzer Zeit immer mehr Menschen weit über Dresden hinaus begeistert. Aus der Dresdener Gruppe wurde eine weltweite Bewegung. 1991 entstand aus dem Förderkreis die "Gesellschaft zur Förderung des Wiederaufbaus der Frauenkirche Dresden e.V". Heute gehören ihr mehrere tausend Mitglieder an. Neben regionalen Förderkreisen in Deutschland gibt es auch im Ausland Fördervereine.

Am 27. Mai 1994 wurde offiziell mit dem Wiederaufbau begonnen. Dank einer erhalten gebliebenen, vollständigen Dokumentation konnte die Frauenkirche in ihrer originalen historischen Gestalt in originalem Material, dem sächsischen Elbsandstein, nachgebaut werden. Die aufrechtstehenden Ruinenteile wurden dabei in den Wiederaufbau einbezogen. Darüber hinaus ließen sich auch viele der originalen Steine wiederverwenden. Baudirektor Eberhard Burger war es wichtig, die Kirche mit Ergänzungen und genaueren statischen Berechnungen, aber dennoch im Sinne George Bährs wiederaufzubauen. Eigentlich hatte man 1990 geplant, die Kirche bis zum Jahr 2006, dem 800jährigen Stadtjubiläum Dresdens fertigzustellen. Dieser Zeitraum konnte unterboten werden.

Die zweifelnden Stimmen, die glaubten, daß die nachgebaute Kirche nur eine Kopie, ein Abklatsch sei, welcher die historische Tragödie negiere, sind heute längst verstummt. Die dunkel gefärbten, originalen Steine sind in dem sich auftürmenden hellen Sandsteinbau unübersehbar. Sie sind wortlose Zeugen für die Geschichte der Zerstörung, die sich in Dresden vollzogen hat. Und gleichzeitig sind sie wieder zu Bausteinen für die Zukunft geworden. So sind sie Geschichte und Gegenwart in einem und schlagen den Bogen von der Vergangenheit in die Zukunft.

Bei der Frauenkirche geht es um viel mehr als um das bloße Wiedererrichten einer Kirche. Das zeigt sich besonders an der einzigartigen, weltweiten Spendenbereitschaft, durch die allein der Aufbau möglich wurde. Dieser Bau wurde von vielen Menschen begleitet. Das Engagement zeigt, welch eine Symbolwirkung und Ausstrahlung die Frauenkirche hat. Deutschlandweit und weltweit wurde sie für viele Menschen zu einem besonderen Anliegen.

Es gab viele Etappen und Höhepunkte, welche die mehrjährige Bauphase prägten: Im Februar 2000 empfing Landesbischof Volker Kreß aus den Händen des Herzogs von Kent das Turmkreuz. Der britische Förderverein für den Wiederaufbau der Frauenkirche, Dresden Trust, hatte das Kreuz in Auftrag gegeben und gestiftet. Der Silberschmied des Kreuzes, Alan Smith, ist der Sohn eines britischen Bomberpiloten.

Am 22. Juni 2004 konnte mit dem Aufsetzen der Turmhaube und des Turmkreuzes der äußere Bau abgeschlossen werden. Von diesem Zeitpunkt an konzentrierte sich die Bautätigkeit auf den Innenraum, auf umfangreiche handwerkliche und künstlerische Arbeiten. Die Arbeiten am Altar schritten voran, der Einbau der Orgel begann im April 2005.

Zu beobachten, wie das Gotteshaus wieder entstand, wie ein Bau von europäischem Rang in die Stadt zurückkehrte, war für viele ein anrührendes Erlebnis. Die große Wegstrecke ist geschafft, die letzte Etappe - die Weihe der Kirche am Reformationstag - rückt immer näher.

Läuft man über den Neumarkt, so trifft man vor allem auf viele Besucher und Touristen, die sich von der Frauenkirche wie einem Magneten anziehen lassen. Ein Ehepaar aus Köln erinnert sich an seinen ersten Besuch vor vielen Jahren. Damals war die Frauenkirche noch eine Ruine, heute ist es "wie ein Wunder, daß sie wieder steht." Sie selber hätten natürlich nicht so eine emotionale Beziehung zu dieser Kirche wie die Dresdner. Insofern sei für sie der Wiederaufbau auch nicht so präsent gewesen. "Aber ungeheuer beeindruck-end ist das schon, was hier passiert ist."

Beeindruckt sind auch die Dresdner, obwohl sie der Wiederaufbau ihrer Kirche nun schon über Jahre begleitet.

Eine ältere Dresdenerin erinnert sich an die lange Zeitspanne, da der Neumarkt noch von der Kirchenruine geprägt wurde. Vor ihrem inneren Auge sieht sie noch "die vielen Steine der Ruine, in deren Mitte Birken wuchsen." Nein, vorgestellt hätte sie es sich nicht, daß sich aus der Ruine einmal wieder die Frauenkirche erheben würde. "Nein, das geht über jede Vorstellung hinaus."

Bei älteren Menschen erwachen beim Stichwort Frauenkirche sofort die Erinnerungen an das Kriegsgeschehen und die Städte-zerstörungen durch die Bombenangriffe.

Ein älterer Hamburger hat die Bombenangriffe in seiner norddeutschen Heimatstadt miterlebt. Mit der Erinnerung kommen die Tränen. Die Kirche sei eine geistige Wurzel, die wichtig für die Menschen ist.

"Heute wieder vor der Frauenkirche zu stehen, bei Führungen durch die Unterkirche zu laufen - fast kann ich das gar nicht begreifen." Das Besondere sei die Versöhnung, die hier sichtbar werde. Schließlich ist die Frauenkirche auch mit internationaler Hilfe wiedererrichtet worden.

Spenderkreise im In- und Ausland sammelten die Millionen für den Wiederaufbau. Vor diesem versöhnlichen Hintergrund ist für den Hamburger der Besuch der Frauenkirche in Dresden "wie eine Wallfahrt". Und man spürt, daß hinter seinen Sätzen eine tiefe Dimension an Erleben, an Schmerz aber auch an Glauben und Hoffen steht. Er werde anläßlich der Weihe zwar nicht extra nach Dresden reisen, "aber auf weitere Besuche und Konzerte in der Frauenkirche freue ich mich schon".

Für die Dresdener ist es klar, daß sie die Weihe ihrer Frauenkirche mitverfolgen werden. In der Kirche selbst sind die Plätze zwar reserviert, aber es finden Übertragungen statt. Im Anschluß an die Weihe werden die Türen zur Besichtigung geöffnet.

Am Reformationstag und an den folgenden Festtagen wird die Frauenkirche im Mittelpunkt stehen. Nicht nur in Deutschland, sondern auch im Ausland wird man an diesem Tag von Dresden und seiner Kirche hören. Die große Zerstörung Dresdens und seines Wahrzeichens ist nicht das Ende geblieben. Mit dem Wiederaufbau wurde die Sinnlosigkeit der Zerstörung überwunden. Ein Mahnmal bleibt das Gotteshaus dennoch.

Der Einsatz unzähliger Menschen hat sich gelohnt. Wer heute nach Dresden kommt, den grüßt wieder die "steinerne Glocke", die Kuppel der Frauenkirche.

Fotos: 

Frauenkirche: Das rund 91 Meter hohe Gotteshaus bietet knapp 1800 Gläubigen Platz

Am 15. Februar 1945 zerbarst die mächtige Kuppel

1994 begann der Wiederaufbau des Gotteshauses

Ruf aus Dresden fand Widerhall

Heilen ist besser als Wunden offen halten." Diese Worte des sächsichen Landesbischofs Dr. Johannes Hempel (von 1972 bis 1994 im Amt) nahmen sich Menschen weltweit zu Herzen. Nachdem schon zu DDR-Zeiten engagierte Bürger ein Schleifen der Ruine verhindert hatten, kam es 1994 nach dem "Ruf aus Dresden" nach einigem Meinungsstreit und Richtungskämpfen zur Gründung der "Stiftung Frauenkirche Dresden". Weltweit hat die Fördergesellschaft 13000 Mitglieder, die die 179,7 Millionen Euro für den Wiederaufbau gespendet und gesammelt haben.


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren