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15.10.05 / Gegen Berlin und Moskau / Stichwahl des polnischen Präsidenten am 23. Oktober: Lech Kaczynski läßt seinem Ultranationialismus freien Lauf

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Oktober 2005

Gegen Berlin und Moskau
Stichwahl des polnischen Präsidenten am 23. Oktober: Lech Kaczynski läßt seinem Ultranationialismus freien Lauf
von Friedrich Nolopp

Mit antirussischen und antideutschen Parolen in die Stichwahl - so schien das Motto eines der beiden siegreichen Kandidaten für den ersten Durchgang der polnischen Präsidentschaftswahlen zu lauten: Lech Kaczynski. Er wetterte wegen der Unterzeichnung der Verträge für ein deutsch-russisches Pipeline-Projekt, das Warschaus Hoheitsgebiet gar nicht berühren wird, gleichermaßen gegen Moskau und Berlin. Sein Herausforderer bei der kommenden Stichwahl, Donald Tusk, gab sich gemäßigter.

Der neuerliche Wahlgang ist nötig, weil vergangenen Sonntag keiner der zwölf Kandidaten die absolute Mehrheit errungen hat. Die beiden Bewerber mit den meisten Stimmen treten nach dem polnischen Wahlgesetz zwei Wochen später in einer Stichwahl gegeneinander an.

Der Kandidat der rechtsliberalen Bürgerplattform (PO), Donald Tusk, lag mit 36,3 Prozent knapp vor dem bisherigen Warschauer Bürgermeister Lech Kaczynski von der nationalpolnischen Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS), auf den 33,1 Prozent entfielen. Auf Platz drei landete der ultra-linke Populist und Schrecken der Finanzmärkte, Andrzej Lepper, mit 15,6 Prozent.

Die Wahlbeteiligung war mit 49,6 Prozent fast zehn Prozentpunkte höher als bei den Parlamentswahlen am 25. September, blieb aber weit unter der Beteiligung von 62 Prozent bei den Präsidentenwahlen 2000.

Der Wahlausgang unterstreicht den Rechtsruck beim EU-Neumitglied Polen nach einer jahrelangen von Skandalen erschütterten Regierungszeit der Linken. Dieser war bereits bei der Parlamentswahl Ende September deutlich geworden. Damals siegte die PiS knapp vor der PO. Sie wollen eine Koalition bilden.

Doch die Gespräche über die Regierungsbildung verzögerten sich wegen der Rivalität Tusks und Kaczynskis im Präsidentenwahlkampf. Dies dürfte sich auch in den nächsten beiden Wochen fortsetzen: Beide Parteien kündigten an, bis zur Stichwahl werde es in der Koalitionsfrage keine Einigung geben.

Lech Kaczynski vertritt eine ultranationale Außen- und eine eher linke Sozialpolitik. Der Staat soll sich seinem Willen zufolge stärker bei der Bekämpfung der Arbeitslosigkeit von derzeit offiziell 18 Prozent engagieren. Der 56jährige Jurist ist der Zwillingsbruder des PiS-Vorsitzenden Jaroslaw Kaczynski, der zurzeit mit Tusks Bürgerplattform über die Bildung einer Regierungskoalition verhandelt.

Für das deutsch-polnische Verhältnis bedeuten die Wahlerfolge der PiS nichts Gutes. Noch vor einigen Monaten sprach Jaroslaw Kaczynski im Sejm, dem polnischen Parlament, von einer Bedrohung, die von Deutschland ausgehe. Von Spitzeln in deutschen Diensten war sogar die Rede. Das Leiden Polens unter dem nationalsozialistischen Deutschland und der kommunistischen UdSSR wird von den beiden Kaczynskis stets aufs Neue heraufbeschworen, wenn es gilt, nationale Positionen zu betonen.

Für Präsidentschaftskandidat Lech Kaczynski gilt Deutschland neben Rußland sogar als die "größte Gefahr" für Polen. Einmal brüstete er sich öffentlich damit, keine Kontakte zu deutschen Politikern zu unterhalten. Das ist keine bloße Rhetorik. Der Anwärter auf das höchste Staatsamt zeigte zuletzt tatsächlich kein Interesse an einem solchen Treffen. Das Angebot von Bundespräsident Horst Köhler, mit ihm (als dem amtierenden Bürgermeister der Hauptstadt Warschau) während seines Polenbesuchs vor einem Monat zu sprechen, ließ Lech Kaczynski einfach unbeantwortet.

"Die deutsch-polnischen Beziehungen waren nie normal. Vor lauter Versöhnung mit den Deutschen haben wir Polen uns in den zurückliegenden 15 Jahren zu nützlichen Idioten machen lassen", erklärte Bruder Jaroslaw in einer Parlamentsdebatte vergangenes Jahr, in der es um die von seiner Partei eingebrachte Resolution über Reparationsforderungen an Deutschland ging.

Kaczynskis antideutsche Parolen kommen dort besonders gut an, wo wenig Kontakt zu Deutschen besteht. In Regionen wie Schlesien, Hinterpommern, Ost- und Westpreußen hingegen siegte der gemäßigtere Tusk schon beim ersten Wahlgang mit über 50 Prozent. In jenen Gebieten also, wo insbesondere die häufigen Besuche deutscher Heimatvertriebener einen regen Austausch zwischen Polen und Deutschen gewährleisten, verfangen die Tiraden gegen den westlichen Nachbarn weit weniger als beim polnischen Durchschnitt.

Ihre antirussischen Gefühle artikulieren viele Polen alljährlichen beim Gedenken an die Schlacht vor den Toren Warschaus im August 1920, als sie die Rote Armee besiegten. Selbst der als gemäßigt geltende Staatspräsident Kwasniewski hielt bei dem Gedenken, das erst Mitte der 90er Jahre eingeführt wurde, stets eine Ansprache, bei der er aber nie erwähnte, daß der damalige starke Mann Polens, Marschall Jozef Pilsudski, den Krieg mit Rußland mit einem klassischen Angriffs- und Eroberungsfeldzug begonnen hatte.

Sollten die Kaczynski-Brüderneben ihrem bestimmenden Einfluß in der künftigen Regierungspartei PiS auch das Präsidentenamt erobern, droht eine außenpolitische Eiszeit rund um Polen. Allein zu den USA wünscht sich der ultranationalitische Kandidat gute Beziehungen, die er im angeblich notwenigen Ringen mit Polens unmittelbaren Nachbarn nutzbar machen will. Donald Tusk hingegen will ein anderes Zeichen setzten und seine ersten Auslandsreisen nach Brüssel und Berlin unternehmen.


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