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15.10.05 / Kuhhandel unter Roßtäuschern / Das dementierte Tauschgeschäft um die EU-Erweiterung

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Oktober 2005

Kuhhandel unter Roßtäuschern
Das dementierte Tauschgeschäft um die EU-Erweiterung
von R. G. Kerschhofer

Die Verknüpfung von Türkei und Kroatien bei den EU-Beitrittsverhandlungen war allzu durchsichtig - die Verhandlungstaktik "Haust du meine Bauern, hau' ich deine Bauern" bleibt eben auch in Zeiten des Bauernsterbens sehr beliebt. Weniger durchsichtig ist, wer alles am Kuhhandel beteiligt war und was alles an Roßtäuscherei getrieben wurde. Wie einseitig also die "Vorteile" und die "Vergangenheitsbewältigung" der beiden Kandidaten gewichtet wurden.

Fest steht, daß die USA großes Interesse daran haben, der EU den Nato-Partner Türkei aufzuhalsen, der zugleich der zweitwichtigste militärische Verbündete Israels ist. Weiters, daß Großbritannien keine "starke" EU will - was sich unverdächtig durch Aufnahme armer und problemträchtiger Mitglieder erreichen läßt. Tatsache ist aber auch, daß Österreich durch die Türkei vorwiegend Nachteile erwarten muß, während es als größter Investor in Kroatien ein legitimes Interesse am EU-Beitritt dieses Teils von Mitteleuropa hat.

Kroatiens eigentliches Problem ist, daß die Schaffung des "südslawischen", in Wahrheit großserbischen Staates ein gegen Mitteleuropa gerichtetes Kriegsziel der Entente-Mächte des Ersten Weltkriegs war. Als eben dieses Jugoslawien Anfang 1941 dem Dreimächtepakt beitrat, organisierte Großbritannien einen Militärputsch gegen die Regierung in Belgrad. Erst dann "entdeckte" Hitler die Kroaten, und Kroatien wurde ein Vasallenstaat. Auf Verliererseite. Beim Zerfall des zweiten jugoslawischen Staates ab 1990 traten die alten Gegensätze zwischen "Entente" (England, Frankreich) und "Mittelmächten" (Deutschland, Österreich, Ungarn) wieder offen zutage: Daß die Sezession der jugoslawischen Teilrepubliken so blutig verlief, liegt primär daran, daß der Großserbe Milosevic die längste Zeit mit Rückendeckung Englands und Frankreichs rechnen konnte. Und die "Parallel-Behandlung" von Serbien und Kroatien ist bis heute ein Indiz für das verklausulierte "Entente"-Ziel, eine Art Neo-Jugoslawien zu schaffen ("West-Balkan").

Die Ziele der USA decken sich zwar oft mit denen der "Entente", wenngleich nicht immer aus gleichen Motiven. Die USA tolerierten 1918/19 die Schaffung des Vielvölkerstaates Jugoslawien, obwohl dies den "Wilson-Punkten" widersprach. Nach 1990 erkannten sie aber die Unhaltbarkeit des Status quo. Washington ist es zu danken, daß Kroatien 1995 seine serbisch besetzten Landesteile zurückerobern durfte (vorwiegend mit NVA-Material). Ebenso, daß die völkerrechtlich fragwürdige, aber humanitär vertretbare Intervention im Kosovo erfolgte. Während die Bodenpräsenz der USA im Krisengebiet aber so gut wie beendet ist, besteht wegen der Adria-Häfen Split und Pula Interesse an einer Nato-Mitgliedschaft Kroatiens. Das ist des Pudels Kern.

Für Österreich gab es daher Peitsche und Zuckerbrot: Einerseits offene Drohungen - Dan Fried, der Europa-Beauftragte der US-Regierung, wird mit dem Satz zitiert, Österreich werde "einen Preis dafür bezahlen", wenn es "die Türkei quäle". Andererseits die Zusage für Kroatien - die sowieso US-Interessen entspricht. Österreichs Türkei-Forderungen wurden hingegen abgeschmettert (die "Alternative") oder nur kosmetisch erfüllt. Und daß - wie Bundeskanzler Schüssel daheim erzählt - die "gerechte Teilung der finanziellen Lasten" in der EU ein Ende des "Britenrabatts" bedeutet, darf man bezweifeln.

Der urplötzliche Kroatien-Schwenk von Carla del Ponte, der Chefanklägerin beim Haager Kriegsverbrechertribunal zu den Balkankriegen, zwingt Schlüsse auf: Entweder ist sie labil - und daher ungeeignet für ihr Amt. Oder es wurde das Statut des Jugoslawien-Tribunals verletzt, das in Artikel 16, Punkt 2 politische Einflußnahme verbietet. Del Ponte war also entweder zur Wahrung von "Entente"-Interessen bestellt worden oder sie mußte jetzt amerikanischem Druck nachgegeben. Oder beides. Die "Entente" hat sich dennoch durchgesetzt, denn ab sofort wird auch mit Serbien-Montenegro (aus dem Montenegro aussteigen will, aber auf EU-Druck nicht darf) eine EU-Assoziierung verhandelt. Hauptgegner Kroatiens waren zuletzt Großbritannien und die Niederlande. Paris hingegen hielt still, teils wegen des Gegensatzes zu London, teils weil der gesuchte General Gotovina als Ex-Fremdenlegionär mit französischem Paß unterwegs ist.

Schärfste Türkei-Gegner müßten eigentlich Zypern und Griechenland sein. Da Zypern Nato-Mitglied werden will, verlangte es sogar eine Klausel, die den Türken ein Veto verbieten sollte. Vergeblich, denn was ist schon ein Zypern, das von der Türkei nicht anerkannt wird! Griechenland wiederum, mit erschwindelter Euro-Teilnahme und weit verfehlten Maastricht-Vorgaben, will sich nicht mit höheren Mächten anlegen. So ging auch der Jahrestag des Istanbuler Griechen-Pogroms von 1955 an der Weltöffentlichkeit spurlos vorüber. - Post scriptum: Der türkische Stahlkonzern Erdemir wird soeben an den Pensionsfonds der Armee "privatisiert". Sicher völlig EU-konform?


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