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15.10.05 / Nicht schlimmer als alle anderen auch / Während Deutschland für seine Taten im Zweiten Weltkrieg Buße tut, trägt Japan seine Vergangenheit erhobenen Hauptes

© Preußische Allgemeine Zeitung / 15. Oktober 2005

Nicht schlimmer als alle anderen auch
Während Deutschland für seine Taten im Zweiten Weltkrieg Buße tut, trägt Japan seine Vergangenheit erhobenen Hauptes
von Albrecht Rothacher

Noch bis in die 80er Jahre beschränkten sich die Proteste gegen Japans Untaten im Krieg hauptsächlich auf überlebende niederländische Internierte und britische Kriegsgefangene - ohne großes Medienecho hervorzurufen. Doch seit Ende der 90er Jahre Südkorea durch seine stagnierende Wirtschaft und China durch rapides ungleiches Wachstum starke soziale Spannungen erfahren, haben sie anti-japanische Massenproteste als geeignetes Ventil entdeckt, um politischen Dampf abzulassen. Die chinesische KP setzt ohnehin seit geraumer Zeit auf den Nationalismus als probates Herrschaftsmittel, um die diskreditierte kommunistische Ideologie zu ersetzen. Wie immer, wo Mythen, schrille Übertreibungen und Bigotterie sich um einen wahren Kern ranken, sind die internationalen Medien mit von der Partie. Allenthalben fordert das stereotyp informierte Gutmenschentum lautstark, Japan müsse sich nach deutschem Vorbild dauerentschuldigen und umgehend mit Sühnezahlungen beginnen.

Gibt der zweite Achsenpartner der Weltkriegsverlierer nun endlich nach? Bekommt die von US-Anwälten bestens organisierte internationale Wiedergutmachungsindustrie neue Nahrung?

Darauf wartet man wohl vergebens. Nicht nur ist die japanische Einstellung zum Zweiten Weltkrieg - ähnlich Italiens, Ungarns, Finnlands und der anderen verbündeten Achsenmächte - eine grundsätzlich andere als die der veröffentlichten Meinung in Deutschland. Auch ist die Lobby der japanischen Kriegsopfer - hauptsächlich Chinesen - wesentlich weniger gut organisiert, erfolgsgewohnt und medienorientiert.

Japan sieht seine Rolle im "Großen Ostasienkrieg", der 1931 in der Mandschurei begann und sich erst 1941 zum "Pazifischen Krieg" der Amerikaner ausweitete, gleichzeitig als Aggressor, als Opfer und als legitimer Verteidiger. Man schämt sich eher der Tatsache, daß der Krieg verloren ging, daß die Verbündeten enttäuscht wurden und daß alle Opfer vergebens waren, als daß man sich im neoprotestantischen Stil stets lauthals der eigenen Missetaten bezichtigt, so wie es dies das offizielle Deutschland in ritualhafter Routine zum allgemeinen Unverständnis auch im Fernen Osten darbietet.

Den öffentlichen Konsens hat der renommierte Politologe Seizaburu Sato in der Monatsschrift "Chuo Koron" schlicht zusammengefaßt: "Was Japan getan hat, war schlecht. Aber Japans Übergriffe waren nicht viel schlimmer als die, die alle anderen Nationen begangen haben."

Hinsichtlich der verschiedenen Kriegsphasen wird differenziert. So galten die militärischen Operationen in der Mandschurei ab 1931 eher der Sicherung der japanischen Siedler-, Eisenbahn- und Industrieinteressen im Staate "Mandschukuo", so wie es die anderen Kolonialmächte in ihren Einflußsphären in dem vom Bürgerkrieg zerrissenen China auch machten. Erst der Angriff auf das China Tschiang Kai Tscheks (der bis dahin deutsche Militärhilfe erhalten hatte), den radikale Offiziere der Kwantung Armee auf eigene Faust 1937 unternahmen, wird als unentschuldbare Aggression angesehen. Dagegen gilt der Angriff auf die amerikanische Flotte in Pearl Harbour 1941 als ein verzweifelter Befreiungsschlag, den Roosevelt durch die Abschnürung Japans vom Öl und anderen lebenswichtigen Rohstoffen gemeinsam mit den Kolonialmächten Großbritannien, den Niederlanden und China bewußt provoziert habe. Beim sowjetischen Angriff auf die unverteidigte Nordwestfront vier Wochen vor Kriegsende, der einen einseitigen Bruch des bilateralen Neutralitätsabkommens darstellte, schließlich war der Aggressor eindeutig nicht Japan.

Dazu stimmte die Kriegsführung der Alliierten kaum mit dem hehren Menschheitspathos ihrer deklarierten Kriegsziele überein: Massaker von Russen, Chinesen, Koreanern und Manchus an japanischen Zivilisten 1945, systematische Brandbombenkampagnen der B 29 Flotten auf Wohnbezirke in Japan, die beiden Atombomben auf das geschlagene Land nur Tage vor der absehbaren Kapitulation, und die jahrelange Internierung aller US-Bürger japanischer Abstammung in Konzentrationslagern in den Wüsten des amerikanischen Westens.

Die japanischen Revisionisten wie Fusao Hayashi gehen einen Schritt weiter. Sie stellen den "Großen Ostasienkrieg" in die Tradition des hundertjährigen antikolonialen Widerstandes Japans, das zusammen mit seinem thailändischen Verbündeten in Asien einzig der Kolonisierung durch den weißen Mann entronnen war. In der Tat wurden die siegreichen japanischen Truppen von den Malaien, Indonesiern und Burmesen (ähnlich wie die Wehrmacht im Baltikum, der West-Ukraine und im Nordkaukasus) zunächst als Befreier begrüßt.

Bei ihrer Kapitulation im August 1945 überließen japanische Truppen den nationalen Befreiungsbewegungen häufig Waffen und Gerät. In Indonesien und in Vietnam kämpften japanische Offiziere gelegentlich in ihren Reihen gegen die zurück-kehrenden Kolonialherren weiter. Ohne Zweifel wurde die Dekolonialisierung Ost- und Südasiens von den geschwächten Kolonialmächten, neben dem Krieg in Europa, auch durch den Pazifikkrieg beschleunigt.Die Revisionismusthese hat nur einen Schönheitsfehler: Japan verhielt sich selbst seit 1895, seinem ersten Krieg mit China, wie eine europäische Kolonialmacht, nicht wie ein selbstloser Befreier. So gewährte Japan weder Taiwan noch Korea, wo seine ab 1905, nach dem siegreichen Krieg mit Rußland, ausgeübte Herrschaft besonders hart war, die Unabhängigkeit. Das gleiche galt für die im Bündnis mit England (1908-26) im Ersten Weltkrieg errungenen deutschen Besitzungen auf der Halbinsel Schantung (wo das Tsingtao Bier ein zeitloses deutsches Zivilisationserbe darstellt) und die deutschen Pazifikinseln nördlich des Äquators, die Marianen-, Karolinen- und Marshallinseln. Die Chinesen, auch die Auslandschinesen in Südostasien, und die meisten anderen von ihnen "befreiten" Völker haben die japanische Herrschaft als arroganter und wesentlich brutaler als die der Europäer und Amerikaner erfahren müssen.

Mehr als sechs Jahrzehnte nach Kriegsende sind unsere Eindrücke vom Pazifikkrieg stark medial vermittelt. Neben den Wochenschauen der Kriegspropaganda beider Seiten war sicher "Die Brücke am River Kwai" für die Dramatisierung des Schicksals britischer Kriegsgefangener prägend. In "Merry Christmas, Mr. Lawrence" wird dieses Thema weitergesponnen.

Doch gibt es auch authentische schreckliche Bilder, bei denen chinesische Gefangene zu Bajonettübungen oder für medizinische Experimente mißbraucht oder gefangene alliierte Piloten nach Bombenangriffen enthauptet wurden. Bei den Massakern von Nanking war dem Generalstab die Kontrolle über die eigenen, über den ungewohnt tapferen Widerstand der Chinesen erbitterten Truppen entglitten. Todesmärsche, wie der der gefangenen Amerikaner von Bataan auf den Philippinen, entsprachen der Härte, die japanische Offiziere ihrer eigenen Truppe angedeihen ließen. In den Rüstungsbetrieben, wie etwa in den Mitsubishi Werften von Singapur und Schanghai herrschte militärische Disziplin, bei der selbst mindere Verstöße bei Sabotage- und Spionageverdacht mit tödlicher Härte geahndet wurden.

Die Tokioer Kriegsverbrecherprozesse von 1946/48 brachten dem Empfinden für Schuld und Sühne nur sehr unvollkommen Genugtuung. Nur die elf Siegerstaaten stellten die Richter. Der Indische Richter Radhabinod Pal bestand vergebens darauf, alle Angeklagten seien wegen der mangelnden Legitimität des Prozesses, der die Siegerjustiz von Nürnberg imitierte, freizusprechen. Später plagten auch den holländischen Richter Bert Roling öffentliche Gewissensbisse. Die politische und militärische Führung Japans war angeklagt worden, in einer Verschwörung die Vorherrschaft in Ostasien, im Pazifik und im Indischen Ozean durch mehrere Angriffskriege angestrebt zu haben. Nichts anderes hatte der amerikanische und europäische Kolonialismus zuvor getan. Allerdings lieferte der Prozeß keinen einzigen Beweis einer "Verschwörung zum Angriffskrieg". Doch er sprach sogar die japanische Führung zusätzlich der Aggression gegen die friedliebende Sowjetunion schuldig. Auch für die zentrale Anordnung von Kriegsverbrechen durch die politische oder militärische Führung unterblieb jede Beweisführung. Die Todesurteile wurden damit begründet, die Kriegsführung selbst sei strafwürdig und die politische und militärische Führung voll verantwortlich für alle Handlungen, die in ihrem Namen begangen wurden. Nach der gleichen Logik müßte man die Herren Schröder, Scharping und Fischer für die Kollateralschäden des Nato Bombenkriegs von 1999 an Hunderten serbischer Zivilisten aburteilen.

Es hatte in Japan während des Kriegs keine faschistische Diktatur gegeben. Es gab nicht einmal eine Massenbewegung diesen Typs. Heer und Marine stritten bis zum bitteren Ende leidenschaftlich um die strategischen Entscheidungen. Die bürgerlichen Freiheiten blieben, außer für Kommunisten, die 1945-48 zu den Lieblingen der US-Besatzung wurden, weitgehend erhalten. General Hideki Tojo war kein totalitärer Diktator. Es gab keinen Personenkult um ihn. Er ließ auch, im Gegensatz zu Hitler und Stalin, keine politischen Gegner umbringen. Als er 1944 keine Mehrheit im Kriegskabinette mehr fand, trat er schlicht zurück.

In dem manischen Zwang, es Nürnberg im Glauben an die eigene Kriegspropaganda, Tojo sei ein japanischer Hitler, gleichtun zu müssen, wurde 1948 die politische und militärische Führung Japans gehenkt. Darunter befanden sich Persönlichkeiten wie Außenminister Hirota und Armeegeneral Muto, die das wahnwitzige Abenteuer von Pearl Harbour abgelehnt hatten.

Japan hat nach den Friedensverträgen von San Fransisco (1952) umfangreiche Reparationsleistungen geleistet. Es zahlt auch noch heute die höchste Entwick-lungshilfe der Welt, die vorrangig nach Südostasien und China, also in ehemalige Kriegsgebiete, geht. Einzelentschädigungen, wie sie Deutschland in Gestalt von Renten für 120jährige (denn nur selten wird das Ableben der Empfänger gemeldet) in Argentinien und Israel unverdrossen leistet, lehnt Japan im Einklang mit den Prinzipien des internationalen Rechts grundsätzlich ab.

Wie Siegfried Kohlhammer, Professor an der Universität Yokohama, in der "FAZ" zu recht schreibt, wurden während und nach den chinesischen und koreanischen Bürgerkriegen wesentlich mehr Chinesen und Koreaner von den eigenen Landsleuten umgebracht als von den Japanern während des Zweiten Weltkriegs und seiner früheren Kolonialherrschaft. So hat sich das kommunistische China folgerichtig über die Massaker von Nanking (1937/38), der damaligen Hauptstadt der Kuomintang (KMT), jahrzehntelang nie besonders erregt. Dort waren von japanischem Militär schätzungsweise bis 300000 Soldaten und Parteigänger der KMT ermordet worden (dokumentiert sind allerdings je nach Quelle nur 3000 bis 13000). Interessiert war die KP jedoch nur an den eigenen "Märtyrern". Erst als die Pekinger Führung sich über die immer enger werdenden militärischen Bindungen Japans an den gefürchteten US Hegomon erzürnte und es ins neue Nationalismuskonzept paßte, wurden die Bluttaten national und international instrumentalisiert. Augenzeugen lassen sich allerdings nur noch eine Handvoll auftreiben.

Die meisten Japaner und ihre Regierung lehnen deshalb mit guten Gründen eine einseitige Schuldzuweisung an die eigene Adresse ab. Auch der jährliche Besuch von Premier Koizumi an den Yasukuni Schrein ("Schrein des Friedenslandes") im Herzen Tokios, wo die Seelen aller 2,5 Millionen Mann, die von 1853-1945 für Japan gefallenen sind, nach schintoistischer Überlieferung beheimatet sind, ist daher für die meisten eine Selbstverständlichkeit, ähnlich wie die des US Präsidenten in Arlington.

Daß wegen der Tatsache, daß unter den Kriegstoten sich auch 984 von den Alliierten hingerichtete Offiziere und Mannschaften befinden, Korea, China und ein Teil der Weltpresse in periodische Ausbrüche von Hysterie verfallen, wird mit achselzuckendem Unverständnis zur Kenntnis genommen. Als konfuzianisch geprägtes Land schätzen die Japaner die Leistungen und das Opfer ihrer Vorfahren. Auch gibt es viele ungebrochene Kontinuitäten. So begründete etwa Nobusuke Kishi, der unter Tojo Rüstungsminister und 1957 bis 60 Premierminister war, eine mächtige Fraktion in der regierenden LDP, zu der zum Beispiel Premier Takeo Fukuda (1976-78), ein enger Freund Helmut Schmidts, und heute kein geringerer als Junichiro Koizumi, der aktuell siegreiche Premier, gehört. Nach offizieller Zählung hat sich Japan bisher 17mal für seine Missetaten im Krieg entschuldigt. Nach allgemeinem Konsens reicht das.

Leistungen und Opfer der Vorfahren ehren: Am Yasukuni Schrein gedenken die Japaner ihrer 2,5 Millionen Weltkriegstoten

Japanische Eroberungen während des Zweiten Weltkrieges


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