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22.10.05 / "Unser Dank gilt Adenauer" / Rede des Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Workuta

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Oktober 2005

"Unser Dank gilt Adenauer"
Rede des Vorsitzenden der Lagergemeinschaft Workuta
von Horst Schüler

Vor wenigen Tagen befragte der Moderator eines Hamburger Rundfunksen-ders Bürger, was sie von Begriffen wie "Vaterland" und "Heimat" hielten. Die Antworten waren zum Teil erschütternd. Sie reichten von totaler Ablehnung bis zur zynischen Verhöhnung. Obgleich das gar nicht so staunenswert ist, gehört das an Selbsthaß grenzende Hadern mit deutscher Identität ja schon fast zum politischen Alltag. Doch alle, die so verächtlich von Vaterland und Heimat denken, haben natürlich immer in der Geborgenheit eines demokratischen Staates gelebt. Sie haben nie in fremden Ländern die Sehnsucht nach ihrer Heimat, nach dem Vaterland verspürt, sie wissen nicht, wie diese Sehnsucht einem schier das Herz zerreißen kann.

Vor Ihnen stehen Frauen und Männer, die eine ganz andere Meinung über ihr Vaterland und über ihre Heimat haben. In unendlich langen, in unendlich bitteren Jahren haben die Gedanken daran ihr armseliges Dasein beherrscht, haben sie von dem fernen Zuhause geträumt, hat das Fünkchen Hoffnung, vielleicht doch noch mal in die Heimat zurückkehren zu können, sie am Leben gehalten - einem Leben, das in dieser Form nichts mehr wert war.

Das gilt für alle, die sich hier versammelt haben: Für die Kriegsgefangenen, für die politischen Häftlinge, die wegen ihres Eintretens und Widerstands gegen eine neue Diktatur in ihrer Heimat zu langen Freiheitsstrafen oder gar zum Tode verurteilt wurden, und das gilt ganz besonders auch für die Frauen, die als meist blutjunge Mädchen in ihrer ostpreußischen, schlesischen, pommerschen Heimat nach kaum zu beschreibendem Martyrium und den schlimmsten Entwürdigungen zur Zwangsarbeit in die Sowjetunion deportiert wurden und die in unserem Staat dafür nie eine Anerkennung erfuhren. Das ist einer der Punkte, die uns empören. Es gibt weitere. Zum Beispiel das jahrelange vergebliche Ringen um eine Opferpension und um Anerkennung der psychischen Haftfolgeschäden bei den Versor-gungsämtern.

Zum Beispiel die Tatsache, daß in der medialen Öffentlichkeit fast ausschließlich die Rede davon ist, damals seien nur Kriegsgefangene heimgekehrt, derweil man uns politische Häftlinge unterschlug und auch heute noch kaum erwähnt. Am meisten aber empört uns die Tatsache, daß hochrangige Vertreter der kommunistischen DDR in deutschen Parlamenten vertreten sind, sie sogar mitregieren. Dies hier zu sagen, ist mir von meinen Kameradinnen und Kameraden besonders aufgetragen worden.

50 Jahre ist es jetzt her, daß die letzten in den Monaten Oktober 1955 bis Januar 1956 heimkehrten. 6557 verurteilte Kriegsgefangene und 3006 politische Häftlinge. Und wenn wir nachher das Lied "Nun danket alle Gott" singen, dann wird das alles wieder wach werden in unseren Gedanken: die schreckliche Zeit in den Gefängnissen, die Sklavenarbeit in den Lagern, der Aufstand 1953 in Workuta, die Frauen und Männer, die hingerichtet wurden, und schließlich die Spaliere begeisterter Menschen, die uns auf der Fahrt von Herleshausen nach Friedland begrüßten. Heute erinnert sich kaum noch jemand an die dramatischen Verhandlungen in Moskau, die dem vorangingen. In der deutschen Hauptstadt steht ein unauffälliges, bescheidenes Denk-mal des Mannes, dem wir vor allem unsere Heimkehr verdanken: Konrad Adenauer, erster Kanzler der Bundesrepublik Deutschland, unter dessen Führung dieses Land sich von einer verzweifelt trost-losen Stein- und Ruinenwüste in einen Wohlstandsstaat verwandelte. Diesem Mann nach einem halben Jahrhundert noch einmal zu danken, das hat uns hierher geführt.

Daß Sie, sehr geehrter Herr Bundespräsident, heute unter uns weilen, dafür danken wir Ihnen ebenfalls von Herzen.

Wir sind auch sehr stolz, daß diese Gedenkfeier in einem so ein-drucksvollen Rahmen abläuft."


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