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22.10.05 / Kaum gelesen / Literaturnobelpreiskomitee in der Kritik

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Oktober 2005

Kaum gelesen
Literaturnobelpreiskomitee in der Kritik
von Richard G. Kerschhofer

Jedes Jahr um diese Zeit ist Nobelpreis-Zeit - und damit auch Zeit der Kritik an den Entscheidungen der Schwedischen Akademie. Diesmal aber geschah, was es noch nie gegeben hatte: Zwei Tage vor Bekanntgabe des Preises für Literatur verkündete das Akademie-Mitglied Knut Ahnlund seinen Austritt aus dem hehren Gremium - aus Protest gegen die Entscheidung des Vorjahres! Die Akademie habe sich, so Ahnlund, mit der Wahl von Elfriede Jelinek irreparablen Schaden zugefügt, den Wert des Preises zerstört und allgemein das Verständnis von Literatur verwirrt. Seine Kollegen hätten der Jelinek deren Selbstdarstellung abgekauft und von ihren "Werken" höchstens einige Seiten einiger übersetzter Bücher gelesen.

Prompt geriet Ahnlund ins Kreuzfeuer, hatte er doch Geschäftsstörung betrieben und gegen das "Gesetz des Schweigens" verstoßen, demzufolge interne Dispute erst nach 50 Jahren der Öffentlichkeit zugänglich sein dürfen. Genüßlich könnten wir nun auf den Streit im Elfenbeinturm eingehen - und noch genüßlicher auf die vernichtende Jelinek-Wertung Ahnlunds, der angibt, alle ihre Ergüsse gelesen zu haben. Aber wirklich bedeutsam ist, daß da ein grundsätzliches Problem des Nobelpreises, ja der Literatur überhaupt bloßgelegt wurde:

Als der Literatur-Nobelpreis 1901 erstmals vergeben wurde, konnte ein "Belesener" durchaus noch den Überblick über "die Weltliteratur" haben. Was sich seither an Weltgeschreibsel angehäuft hat, vermag hingegen selbst das größte Genie nicht mehr zu überblicken. Trotzdem tun "Experten" bis hin zu "Literaturpäpsten" so, als wären sie dazu in der Lage. Das heißt aber, auch sie handeln nicht anders als die "Laien". Sie untermauern vorgefaßte Meinungen durch ausgewählte Zitate. Da viele "dazugehören" wollen, mangelt es nie an Komparsen und Claqueuren bei den Scheingefechten unter Autoren, Kritikern, Juroren, Verlegern und Kulturbürokraten. Die Scharlatanerie blüht - und nirgends ruft ein Kind "die sind ja nackt"! Selbst wenn, der Vorwurf des gesunden Kindsempfindens würde es schnell zum Schweigen bringen.

Um die Vergabe von Preisen und Förderungen "gerechter" erscheinen zu lassen, wird auf gewisse Techniken zurückgegriffen: Etwa auf den auch sonst um sich greifenden Proporz nach Herkunft, Geschlecht, Alter, "sexueller Orientierung" und dergleichen mehr. Eine andere Technik besteht darin, Personen zu bedenken, die sich als diskriminiert verkaufen lassen - so sind Proteste leicht abzuschmettern. Drittens gibt es noch die politische Opportunität: Hätte es ohne "Österreich-Sanktionen" einen Nobelpreis für die Jelinek gegeben?

Der diesjährige Nobelpreis für Literatur ging übrigens an Harold Pinter, der sicher allen ein Begriff ist. Oder doch nicht? Marcel Reich-Ranicki jedenfalls rühmt die Entscheidung und eine Hand wäscht die andere.

Elfriede Jelinek (Foto), Harold Pinter (Foto)


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