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22.10.05 / Liebe im geteilten Berlin / Hardy Krüger und Judy Winter in einer Lesung der besonderen Art

© Preußische Allgemeine Zeitung / 22. Oktober 2005

Liebe im geteilten Berlin
Hardy Krüger und Judy Winter in einer Lesung der besonderen Art
von Rebecca Bellano

Ich bin ein Mann, der liebt. Zutiefst sogar." Nüchtern kommen die Worte aus dem Mund von Hardy Krüger, der als Johannes Ribbeck noch bis zum 5. November auf der Bühne des Hamburger Ernst-Deutsch-Theaters steht. Sachlich klingen seine Worte, so gar nicht wie die eines "zutiefst Liebenden", doch vielleicht liegt es daran, daß der fast 80jährige Johannes Ribbeck schon seit gut 70 Jahren liebt?

"Zarte Blume Hoffnung" heißt das Stück, daß Hardy Krüger selbst geschrieben hat und in dem er auch die männliche Hauptrolle spielt. Die Geschichte beginnt im Ersten Weltkrieg, als die beiden jungen Soldaten Gustav Ribbeck und Friedrich Ahrens gemeinsam im Schützengraben liegen und sich ohne Worte ewige Freundschaft schwören. Sie überleben den Krieg und in der Weimarer Republik zieht der eine als Abgeordneter für die SPD, der andere für die KPD in den Reichstag ein. 1933 flüchtet der Kommunist Friedrich Ahrens mit seiner kleinen Tochter Vera rechtzeitig in die UdSSR, der Sozialdemokrat Ribbeck wird von den Nationalsozialisten im Konzentrationslager Buchenwald festgehalten. Gustavs Frau zieht mit dem gemeinsamen Sohn Johannes nach London ins Exil. Während des einen Sohn 19jährig unter dem Namen John Ribbeck bei der Royal Air Force fliegen lernt, nennt die Tochter des anderen die Freunde des Vaters in Moskau "Onkel Ulbricht" und "Onkel Pieck", allerdings nur solange, bis die kleine Familie nach Sibirien transportiert wird.

Schon in der Vorgeschichte konfrontiert Hardy Krüger seine Zuschauer mit der deutschen Geschichte, sie spielt auch neben den beiden Liebenden Johannes und Vera die dritte Hauptrolle in "Zarte Blume Hoffnung".

Vor allem Vera wird zur Gefangenen dieser deutschen Geschichte - und ihrer Liebe zu dem zehn Jahre älteren John. Als sie 16 Jahre ist, trifft sie ihn 1945 im zerstörten Berlin wieder und bei beiden ist es Liebe auf den ersten Blick. Doch erst ist es Veras jugendliches Alter, danach die fortschreitende Teilung der Stadt, die sie nicht zueinander kommen läßt. Denn während Vera bei ihrem in der KPD engagierten Vater im sowjetisch besetzten Teil der Stadt lebt, wohnt John, wenn er mal nicht beruflich für den "Stern" als Journalist irgendwo in der Welt arbeitet, im Westen der Stadt. Lange besteht die Beziehung nur aus einem Briefwechsel, in dem Vera über die Ereignisse in der SBZ, später der DDR berichtet und John von seinen Erlebnissen in der Welt. Dann, als die Mauer sie trennt, verstärken sich auch die Mißverständnisse, von Liebe ist immer weniger die Rede.

Hardy Krüger und Judy Winter lesen und spielen zugleich vor einem dezent gehaltenen Bühnenbild diese Briefe. Vor allem Judy Winter, mehrfach geliftet und ohne Altersangabe im Programmheft, spielt mit ihrer Stimme. Man nimmt ihr das "Zauberwesen", das unbedarft liebende Mädchen, später die resignierte, aber stets hoffende Erwachsene, zum Schluß die vom Leben gezeichnete ältere Dame immer ab. Hardy Krüger, bekannter Schauspieler und durch seine "Weltenbummler"-Bücher durchaus Ähnlichkeiten mit seiner Hauptfigur John aufweisend, liest mehr ab, als daß er spielt. Das "Hamburger Abendblatt" schrieb gar von einem "überwältigendem Schlafbedürfnis", daß bei Krügers "Lesung" aufkäme. Ganz falsch ist dieses Urteil nicht. Steif wirkt der 77jährige, manchmal ein wenig konfus, doch ist das Krüger oder Ribbeck?

Die Umsetzung der dritten Hauptrolle ist ohne Zweifel langatmig. Zu viel deutsche Geschichte, zu viel Wertung. Die reine Spielzeit umfaßt zwei Stunden und 15 Minuten. Mindestens die letzte Viertelstunde wird für den Zuschauer zur Geduldsprobe. Weniger wäre mehr gewesen.

Die Liebesgeschichte zwischen Vera und John auf Konsalikniveau runterzubrechen, wie "Die Welt" es tut, ist jedoch ziemlich deplaziert. Im Theaterstück und noch intensiver im gleichnamigen Buch (Lübbe, geb., 139 Seiten, 14,90 Euro; zu beziehen über den PMD) wird offenbar, daß die Charaktere sehr durchdacht gezeichnet sind, die Sprache vor Bildern nur so überquillt und die deutsch-deutsche Teilung zusätzlich zu den eigenen Fehlern der Figuren der Liebesgeschichte die nötige Tragik nach der klassischen Dramentheorie des "Schuldlos Schuldigen" angedeihen läßt.

"Wenn das Lachen nämlich Tränen weicht, weil ein Liebender den anderen verläßt, wenn Trockenheit des Farmers Saat vernichtet, wenn Arbeiter arbeitslos vor kettenverhängten Toren stehen, wenn Krankheit den Gesündesten befällt, wenn eine Sturmflut die Häuser von Familien überschwemmt, wenn die Erkenntnis ,Ich denke, also bin ich' geradewegs zum Kerker führt, lebt der Mensch von Hoffnung", liest Vera aus einem Artikel ihres Geliebten, eines Geliebten, der die Welt so schön erkennt, doch beim Wesentlichen des eigenen Lebens mit Blindheit geschlagen ist.

Foto: Sehenswert, aber anstrengend: Hardy Krüger und Judy Winter in dem Theaterstück "Zarte Blume Hoffnung"


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