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29.10.05 / "Tugend will ermuntert sein" / Staat, Gesellschaft und Medien müssen Eltern in ihrer Erziehungsleistung mehr unterstützen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

"Tugend will ermuntert sein"
Staat, Gesellschaft und Medien müssen Eltern in ihrer Erziehungsleistung mehr unterstützen
von Christa Meves

Die Eltern sind die Versager - so schallt es heute einmal wieder von den Dächern, nachdem es sich nicht mehr verdrängen läßt, daß die Zahl der seelisch gesunden, kraftvollen, einsatzbereiten jungen Erwachsenen bedrohlich klein geworden ist und Suchtanfälligkeit aller Art unter den Jugendlichen boomt. Zehn Prozent der Hauptschulabgänger sind für den Arbeitsprozeß überhaupt nicht mehr vermittelbar!

Aber es ist billig, den Eltern allein die Schuld dafür in die Schuhe zu schieben. Wie groß ist die Fülle der Schwierigkeiten, mit denen sie heute zu kämpfen haben! Wer hilft ihnen bei der schwer gewordenen Kindererziehung? Wie bläst der Familie der Gegenwind des Zeitgeistes ins Gesicht! Was alles soll - von ihm unangefochten - bewältigt werden!

Die Hirnforschung mahnt bereits für die Säuglinge und Kleinkinder full-time-action für die Eltern an: Persönliche Zuwendung, Ansprache und Beschäftigung sei nötig, sonst entfalte sich das Gehirn nur unzureichend. Die Fernsehforscher warnen einhellig vor undifferenziertem Fernsehkonsum - vor Reizüberflutung und unbekömmlicher Beeinflussung.

Den Kindern Grenzen zu setzen wird seit 30 Jahren als "autoritär" verteufelt und läßt wildwüchsigen Egoismus geradezu wuchern. Die Schule glaubte, sich der Sorge um die Disziplin im Klassenzimmer entheben zu dürfen, und erntete im Verein mit so belehrten Eltern eine Kindergeneration, die in der Tat - wie es einst in einem niedersächsischen Schulbuch zu lesen stand - ihren Eltern nun "in die Fresse rotzt", wenn einer von ihnen "um die Ecke glotzt". Ja, nicht nur das: In der Praxis zeigen Mütter mir immer öfter ihre blauen Flecke - hervorgerufen von den ihnen meist schon mit 14 an Körperkraft weit überlegenen Söhnen ...

Die Gossensprache - in den 70er Jahren mit viel Medienanstrengung hoffähig geworden - hat, nach dem lange vorherrschenden analen Grundtenor, jetzt dem sex-getönten den Vorzug gegeben. Mütter und Lehrerinnen als "Nutten" und "Huren" zu bezeichnen gehört ebenso zum Alltag wie Entsprechendes für männliche Bezugspersonen ... Die Erziehung zur Respektlosigkeit, zum Ungehorsam, zu rücksichtsloser Selbstdurchsetzung als erstrebenswerte Prämissen jugendlichen Verhaltens hat sich voll etabliert. Mehr als 50 Prozent der Lehrer halten deshalb ihre Berufstätigkeit nicht bis an die Pensionierungsgrenze durch.

Das hat oft sehr viel zu tun mit der Diskrepanz zwischen der müden Schulunlust der Jugendlichen und der Elternangst, ihre Kinder könnten schulisch auf der Strecke bleiben. Erbarmungslos fordert unsere materialistische Leistungsgesellschaft das Abitur als Garanten bürgerlichen Ansehens, was dazu geführt hat, daß in Deutschland pro Jahr Hunderte Millionen Euro für Nachhilfestunden ausgegeben werden. Ohne Schulsorgen mit mehreren Kindern die Schulzeit zu überstehen fordert den Eltern hellhöriges Dazwischen-Sein ab; denn das Zensurensystem mit den obligatorischen, sich vor den Zeugnissen zusammenballenden Klassenarbeiten ist zu konkurrierendem Streß entartet. Aber es ist nicht dieser Druck allein, der auf Eltern und Lehrern lastet.

Wie vieler, oft vergeblicher Anstrengung der Eltern bedarf es, ihre Kinder vor all den lauernden Verführungen im Jugendalter zu bewahren, vor all den Angeboten tödlicher Gifte und vor den inner- und außerschulischen Indoktrinationen durch esoterische, sektiererische, marxistische, satanistische, atheistische oder zu Sexualsucht führenden Einflüsterungen! Die GAL in Hamburg hat jüngst angekündigt, daß sie vom ersten Schuljahr ab hetero- und homosexuelle Spiele in ganz Deutschland flächendeckend einführen wolle ... Und bei diesem täglichen Kampf gegen Schlammfluten trifft die Eltern dann auch noch das abschätzige Lächeln der Karrieristinnen, die sich in flotter Voraussicht mit so etwas Überforderndem wie Familie gar nicht erst eingelassen haben.

Aber es wäre klüger, darüber nachzudenken, wie sie zu unterstützen, wie die Kinder zu beschützen seien; denn ohne eine hinreichende Zahl von gesundem Nachwuchs werden die Politiker - welcher Couleur auch immer - weder das Arbeitslosen- noch das Rentenproblem, weder die zu hohen Krankenkosten noch die Zahl der Sozialhilfeempfänger vom Tisch bekommen.

Es ist der Zeitgeist der Beliebigkeit, der unsere Kinder leichtfertig verkommen läßt. Niemanden steht es an, die Eltern als Versager zu be-schimpfen, solange man die Mütter als "Nur-Hausfrauen" diffamiert und die Väter als un-zureichend anklagt, jede Einschränkung kindlicher Selbstbezogenheit als "Machtmißbrauch" der Eltern verteufelt und sie dann mit dem verwöhnten, immer respektloser, immer aggressiver werdenden Nachwuchs allein läßt.

Eltern brauchen umfängliche verantwortungsbewusste Unterstützung durch die Gesellschaft, damit ihnen eine Erziehung der Kinder zu kraftvoller Menschlichkeit gelingen kann - durch die Medien, durch den Staat, durch die Schule, durch gezielt orientierenden Einsatz der Kirchen -, um den Eltern ihre Überforderung von den Schultern zu nehmen. Hier muß von Grund auf saniert werden. Vor allem muß die ideologische Fehlvorstellung aus dem Gefieder, daß der Mensch sich von allein zu anständigem, liebevollem Menschsein entfaltet. "Tugend will ermuntert sein, Bosheit kann man schon allein", hat uns der kluge Humorist Wilhelm Busch bereits vor 150 Jahren ins Stammbuch geschrieben. Kinder wollen phasenspezifisch gekonnt geführt sein, so wie es ihre seelischen und geistigen Wachstumsbedingungen erfordern - sonst geht die Zukunft verloren!

Viele Eltern fühlen sich mit der Erziehung ihrer Kinder überfordert. Bedarf an Hilfestellung ist vorhanden. Dies zeigt der Erfolg der Sendung "Super Nanny" auf RTL, bei der Familientherapeutin Katharina Saalfrank (r.) beim Umgang mit dem aufsässigen Nachwuchs hilft. Foto: RTL

Christa Meves, geboren 1925. Studium der Germanistik, Geographie und Philosophie an den Universitäten Breslau und Kiel, Staatsexamen in Hamburg, dort zusätzliches Studium der Psychologie. Freipraktizierende Kinder- und Ju-gendpsychotherapeutin in Uelzen, Arztfrau und Mutter zweier Töchter, sechs Enkel.


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