23.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
29.10.05 / Ohne große Visionen / Schwarz-rote Bildungspolitik wird vermutlich nicht viel bewegen

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

Ohne große Visionen
Schwarz-rote Bildungspolitik wird vermutlich nicht viel bewegen
von George Turner

Vor der Bundestagswahl war Bildungspolitik ein kontrovers behandeltes Thema. Wäre es nach dem Willen von Bundesbildungsministerin Edelgard Bulmahn (SPD) gegangen, hätte sich der Bund in Schulen und Hochschulen so weit als möglich eingemischt; die Vorstellungen von Anette Schavan, Kandidatin für die Nachfolge, gehen dahin, den Ländern noch mehr Spielräume zu lassen als sie ohnehin haben. Sie weiß selbst, daß Qualitätsgefälle in den Schulen (Niveauunterschiede zwischen den Ländern als mobilitätshemmende Faktoren, Pisa) den Ruf nach mehr Einheitlichkeit provozieren. Wenn der Bund auf diesem Gebiet Zurückhaltung übt, bedarf es einer starken Kultusministerkonferenz.

So unwahrscheinlich vielen eine sogenannte Jamaika-Koalition von CDU, FDP und den Grünen von vornherein erschien - diese Kombination hätte eher Neuanfang und Durchbruch in der Wissenschaftspolitik bedeutet.

Die Hochschulpolitik der SPD ist weitgehend geprägt von dem, was man als Vorstellungen der sogenannten "68er" bezeichnet. Auch wenn der Lebensstil der Protagonisten sich an den gelegentlich aufgesetzt wirkenden weltmännischen Attitüden der Toskana-Fraktion orientiert - die Hochschulpolitik wird immer noch vom Klein-Klein der Gremienhuberei beherrscht. Anhänger entsprechender Verhaltensmuster gibt es auch bei den Grünen. Aber es gibt hier auch neue Ideen und Personen. Sie sind zunehmend nicht in erster Linie an Formalien und Strukturen, sondern an inhaltlichen Fragen und Lösungen interessiert. Dies führt zu einer ganz anderen Diskussion unter den Partnern. Im Verhältnis zur SPD muß die CDU vor allem Debatten über Strukturen, Organe sowie ihre Notwendigkeit und Zusammensetzungen führen. Die Grünen hätten sie eher mit Problemen wie der Erforschung neuer Energien, Verbraucherschutz mit Blick auf zu erkundende Rückstände in Lebensmitteln, aber auch mit Gentechnik und Atomenergie herausgefordert. Damit wäre es nicht in erster Linie um Zuständigkeiten gegangen; es wären mehr Fortschritte in der Sache denkbar gewesen.

Bei einer großen Koalition wird sich an der Gesetzeslage wahrscheinlich nicht viel ändern. In der Föderalismusreform hingegen dürfte die große Koalition allem Anschein nach relativ schnell erfolgreich sein. In der Tat ist sie bisher nur knapp unter anderem an der Frage der Zuständigkeit für die Hochschulen gescheitert. Durch die erste große Koalition auf Bundesebene (1966-1969) ist das Grundgesetz dahin geändert worden, daß Gemeinschaftsaufgaben von Bund und Ländern formuliert worden sind und dem Bund eine Kompetenz zur Rahmengesetzgebung für das Hochschulwesen eingeräumt wurde. Das hat sich lange als segensreich erwiesen, nicht zuletzt, weil damit auch eine finanzielle Beteiligung des Bundes einherging.

Gleichgültig, ob und in welchem Umfang die Länder gestärkt werden - sie müssen die ihnen zustehenden Kompetenzen auch aktiv wahrnehmen. Bisher haben sie weniger agiert als reagiert. Damit es nicht zu einem Flickenteppich in der Bildungspolitik kommt, muß, wie gesagt, der Kultusministerkonferenz höheres Gewicht beigemessen werden. Das gilt vor allem für den Schulbereich. Geschieht das nicht, wird bald wieder der Ruf nach größerer Zuständigkeit des Bundes ertönen.

Aus der Sicht der Hochschulen wird sich bei einer großen Koalition im Verhältnis zur derzeitigen Situation nicht viel ändern. Diejenigen, die den persönlichen Aufbruch in die Toskana verkündet haben, sind konservativ in dem Sinn, daß sie an ihren alten Ideen festhalten; bei schwarz-gelb-grün wäre ein frischer Wind von Jamaika herübergeweht. Vielleicht braut sich da ja mal etwas in den Ländern zusammen.

Die alte und die neue Bundesbildungsministerin (v.l.): Edelgard Bulmahn (SPD) und Anette Schavan (CDU)


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren