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29.10.05 / Ein schwacher Fürst in schwerer Zeit / Die Regierungszeit des vor 410 Jahren geborenen Hohenzollernherrschers Georg Wilhelm war von Krieg überschattet

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

Ein schwacher Fürst in schwerer Zeit
Die Regierungszeit des vor 410 Jahren geborenen Hohenzollernherrschers Georg Wilhelm war von Krieg überschattet
von Manuel Ruoff

Kaum etwas spiegelt den Zeitgeist und die hinter ihm stehenden Machtverhältnisse derart wider wie die jeweilige Mode in der Geschichtsschreibung. Das gilt für die Bundesrepublik Deutschland, aber auch für vorausgegangene Epochen. Hier bildet die Beurteilung der Preußenherrscher keine Ausnahme. In der Zeit der sogenannten borussischen, kleindeutschen Geschichtsschreibung wurden Herrscher an Eigenschaften wie Sparsamkeit, Männlichkeit, Härte, Stärke, Entschlossenheit, Gradlinigkeit, Offenheit und militärische Haltung gemessen, wie sie der "Soldatenkönig" gemeinhin verkörperte. Bei einem solchen Maßstab konnte Brandenburgs Kurfürst Georg Wilhelm nur schlecht wegkommen. Der Vorgänger und Vater des Großen Kurfürsten war nämlich keine heroische Erscheinung, körperlich gebrechlich wegen eines unheilbaren Beinleidens, fast nur in der Sänfte mobil, ein schlechter Feldherr, raschen, gar kühnen Entschlüssen abgeneigt, dafür sinnlichen Genüssen, vor allem denen des Gaumens, um so mehr zugetan. Und so galt Georg Wilhelm als der schwächste aller Hohenzollernregenten.

Das Deutsche Reich wurde erst in West- und inzwischen auch in Mitteldeutschland durch die Bundesrepublik abgelöst, und das blieb nicht ohne Wirkung. In der heutigen bundesdeutschen Nachkriegsgesellschaft sind Sparsamkeit und Schuldenfreiheit der politischen Führung keine ernsthaften Ziele mehr, statt zur Bescheidenheit wird zu Spaß und Selbstverwirklichung aufgerufen, die Diplomatie besitzt als Folge der nationalen Katastrophe des Zweiten Weltkrieges und auch der Reeducation ein besseres Image als das Militär, öffentlich werden "Softies" statt "Machos" gefordert, klassisch als männlich geltende Eigenschaften werden im Zuge der Emanzipation als Führungsqualitäten in Frage gestellt oder zumindest relativiert, und körperlich Behinderte werden nicht mehr als "Krüppel" diskriminiert.

Angesichts dieser Veränderungen kann es nicht verwundern, daß ebenso wie die Beurteilung des "Soldatenkönigs" auch die Georg Wilhelms nicht mehr so eindeutig ist wie früher. So verweist beispielsweise Frank-Lothar Kroll in seiner Sammelbiographie über "Preußens Herrscher" zur Relativierung der an Georg Wilhelm angebrachten Kritik auf die ungünstigen Ausgangs- und Rahmenbedingungen seiner Regentschaft.

In der Tat waren diese Bedingungen in zweierlei Hinsicht schwierig. Der von Georg Wilhelm im Alter von 24 Jahren übernommene Herrschaftsbereich war alles andere als ein arrondiertes Staatsgebiet. Erst unter seinem Vater und Vorgänger waren zum mitteldeutschen Kerngebiet um Brandenburg in Deutschlands Westen die kleinen zersplitterten Grafschaften Mark und Ravensberg sowie das Herzogtum Kleve und in Deutschlands äußerstem Osten das außerhalb der Grenzen des Heiligen Reiches gelegene Herzogtum Preußen hinzugekommen. So zerstreut der Besitz war, so schwer war er zu verteidigen. Zudem erbrachte die Streuung und die erst kurze gemeinsame Geschichte noch kaum die Möglichkeit zur Herausbildung eines Gemeinschaftsgefühls.

Als eine noch größere Belastung sollte sich der Dreißigjährige Krieg erweisen, der Georg Wilhelms gesamte Regentschaft überschattete. Als die Regierungszeit des Hohenzollern begann, lag der Prager Fenstersturz ein Jahr zurück. 1618 hatten in Prag Protestanten zwei Statthalter des katholischen Kaisers aus ihren Amtsräumen im Hradschin aus dem Fenster in den Burggraben geworfen und damit den böhmischen Aufstand ausgelöst. Protestantische Fürsten des Heiligen Reiches und der ebenfalls protestantische König Dänemarks solidarisierten sich mit den Aufständischen, während katholische Reichsfürsten an die Seite des Kaisers traten, und so eskalierte der Aufstand zum Krieg.

Obwohl Georg Wilhelm nicht Partei für seine Glaubensbrüder ergriff, sondern sich offiziell neutral verhielt, wurde die Mark Brandenburg Kriegsschauplatz in der Auseinandersetzung zwischen protestantischen und kaiserlichen Truppen. Die Katholiken obsiegten in dieser ersten Etappe des Krieges, und obwohl Protestant, versuchte Georg Wilhelm, mit den Siegern zu paktieren. Nachdem er vorher jahrelang als einziger Kurfürst die Anerkennung der Kurtranslation verweigert hatte, erkannte er 1627 die Übertragung der Kurwürde von der reformierten pfälzischen auf die katholische bayerische Linie der Wittelsbacher an und erklärte sich darüber hinaus mit der Einquartierung kaiserlicher Truppen in der Mark einverstanden. Georg Wilhelms Parteinahme für den Kaiser hinderten dessen Truppen jedoch nicht daran, sich in der Mark wie Besatzer aufzuführen.

Nun aus der Neutralität zu den siegreichen Katholiken herübergeschwenkt, deren Sieg im Friede von Lübeck aus dem Jahre 1629 seine Manifestation fand, war Georg Wilhelm im Folgejahr erneut vor die Qual der Wahl gestellt. 1630 landete sein Schwager König Gustav Adolf von Schweden mit einem Heer in Vorpommern, um die Kaiserlichen Richtung Süden zurückzudrängen, was er denn auch mit großem Erfolg tat. Widerstrebend schloß sich Georg Wilhelm, der die Rache des Kaisers fürchtete, im Folgejahr ohne förmliches Bündnis dem bereits in sein Land einmarschierten Ehemann seiner Schwester Marie Eleonore an.

Nachdem seine Truppen 1633 vor denen Albrecht von Wallensteins hatten kapitulieren müssen, verharrte Georg Wilhelm zunächst im Bund mit Schweden, um sich dann aber doch wieder dem Kaiser zuzuwenden. Nichtsdestotrotz blieben Gustav Adolfs Soldaten im Land und beherrschten die Mark. Anfänglich schlug den lutherischen Glaubensgenossen von jenseits der Ostsee in der brandenburgischen Bevölkerung ungeachtet des erneuten Schwenks des Kurfürsten große Sympathie entgegen, die allerdings durch die Lasten der Besatzung zumindest eingetrübt wurden.

Schweden trug mit seinen Besatzungslasten nicht nur das Seine zur Ausbeutung der Mark bei, sondern verhinderte 1637 auch, daß Pommern nach dem Tode des letzten Herzogs entsprechend der alten Erbverträge an Brandenburg fiel. Resignierend zog sich Georg Wilhelm im Folgejahr aus dem verwüsteten Brandenburg in Preußens Hauptstadt Königsberg zurück, wohin er sich schon in den Jahren 1627 bis 1630 vor den Wirren des Krieges geflüchtet hatte. Hier starb der am 3. November 1598 Geborene am 1. Dezember 1640.

Der Dreißigjährige Krieg sollte noch acht Jahre dauern. Aus diesem Kriege, von dem Brandenburg durch die Besetzung fremder Truppen wie kaum ein anderes Fürstentum in Mitleidenschaft gezogen wurde, sowie aus der Zersplitterung und Heterogenität des Herrschaftsgebietes sollte erst sein Nachfolger und Sohn, der Große Kurfürst, relevante Konsequenzen ziehen. Dieser nämlich verdreifachte fast das stehende Heer von 8000 auf 23000 Mann und schuf die brandenburgisch-preußische Staatsnation.

Kupferstich Georg Wilhelms aus dem Jahre 1707 (oben); zeitgenössischer Kupferstich, der die Erstürmung Magdeburgs durch die kaiserlichen Truppen unter Johann Graf von Tilly am 20. Mai 1631 einschließlich des Feuers unbekannten Ursprungs zeigt, das die Stadt in Schutt und Asche legte (rechts)


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