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29.10.05 / Abstoßend und faszinierend / Provozierender Film über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Königsbergs

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

Abstoßend und faszinierend
Provozierender Film über Vergangenheit, Gegenwart und Zukunft Königsbergs

Königsberg is dead" - "Königsberg ist tot" - lautet der ziemlich provokante Titel der vorliegenden DvD. Provozierend ist auch der ganze 73minütige Film. Rasant wird der Zuschauer mit einer ständig thematisch wechselnden Bildfolge, mit den unterschiedlichsten Aussagen und Darstellungen konfrontiert. Abstoßend und doch faszinierend zugleich rasen die Szenenfolgen vorbei, ohne das eine Hintergrundstimme das Gezeigte kommentiert, dafür werden die Bilder aber von einem Hintergrundton begleitet, der häufig nicht zu dem Gezeigten paßt, dem gar widerspricht. Alles ist so verwirrend, das der Zuschauer nicht einmal eine Ahnung davon hat, wo die Filmemacher stehen. Doch worum geht es eigentlich?

Ja, um Königsberg! Max und Gilbert - wer auch immer das sein mögen, es heißt nur "ein Film von Max und Gilbert" und daß sie ihre Nachnamen nicht preisgeben wollen - haben eine traurig, freche filmische Collage gemacht. Sie zeigen Bilder vom alten Königsberg, Szenen von alten Wochenschauen, Sequenzen von Filmen über die Ordensritter oder den russischen Volkshelden Alexander Newski sowie Aufnahmen von der heutigen Stadt. Mittendrin sind immer wieder Interviews hineingeschnitten. Bekannte Zeitzeugen wie Hildegard Rauschenbach oder Michael Wieck, unbekannte Zeitzeugen, die beim Deutschlandtreffen der Ostpreußen 2002 in Leipzig befragt wurden, aber auch Experten wie den im Königsberg der Gegenwart an der Albertina tätigen Professor Gilmanov, Historiker, den Leiter der deutschen Handelskammer in der Pregelmetropole, leitende Verwaltungsangestellte von Archiven oder für das Thema zuständige Behörden.

Einmalige Archivaufnahmen vom brennenden Königsberg werden von Wochenschaukommentaren oder Zeitzeugenberichten untermalt. Zwischendurch singt Zarah Leander "Davon geht die Welt nicht unter". Dann wieder Schnitt, Szenenwechsel, friedliche Halle beim Deutschlandtreffen der Ostpreußen, gealterte Zeitzeugen berichten, Schnitt brennendes Königsberg, Schnitt unberührte ostpreußische Landschaft.

Besonders beeindruckend sind die Interviews mit Michael Wieck und Elvira Syroga. Beide Aussagen werden in schnell wechselnder Folge nacheinander eingeblendet, beide sitzen in einem wild blühenden Garten, beide erzählen von ihrer Zeit in Königsberg nach Kriegsende, von Hunger, Elend, Tod, Leichen. Spätestens hier zeigt sich, daß die Filmemacher wissen, was sie da machen. Ihr Szenenwechsel ist nicht nur moderner Schnickschnack, er ist ein Stilmittel, der die Bilder gerade durch den abrupten Wechsel stärker wirken läßt.

"Der Mythos", "Atlantis der Ostsee", "Gestohlenes Land", "Aufmarschgebiet", "Vernichtung", "Selbstvernichtung", "Oblast", "Aufbau", "Identität", lauten einige der Kapitelnamen, die immer mit einem markanten "K" eingeleitet werden. Immer wieder taucht ein roter Elch auf, anfangs gesund und kräftig, später ein Skelett, zum Ende hin wieder kräftiger.

Am Ende ist der Zuschauer erschöpft von der Bilder- und Aussagenflut, die ihm keine Linie vorgibt, da die unterschiedlichsten Erlebnisse und Meinungen nebeneinandergestellt waren. "Königsberg is dead"? Wohl nicht, denn so lange offenbar junge Filmemacher sich so unverkrampft einem Thema annehmen und es so lebendig gestalten, kann dem nicht so sein. Und vielleicht haben Max und Gilbert sehr wohl eine Meinung: Königsberg bedeutet viel für viele Menschen.

Ein provozierender, greller und traurig stimmender Film! R. B.

"Königsberg is dead!", DvD, 73 Minuten, 14,90 Euro


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