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29.10.05 / Für die Einheit Deutschlands / Kritische Biographie über den ersten DDR-Außenminister Georg Dertinger

© Preußische Allgemeine Zeitung / 29. Oktober 2005

Für die Einheit Deutschlands
Kritische Biographie über den ersten DDR-Außenminister Georg Dertinger

Peter Joachim Lapp, Autor von "Georg Dertinger: Journalist - Außenminister - Staatsfeind", einst politischer Häftling in der DDR, ist durch mehrere bemerkenswerte Biographien hervorgetreten. Sein neuestes Buch hat das Leben von Georg Dertinger zum Inhalt, der als erster DDR-Außenminister 1950 die Oder-Neiße-Linie anerkannte. Aufgrund seiner Veröffentlichungen in der NS-Zeit hatten ihn die Russen sehr früh zu einem Spitzel gemacht. Aber auch sonst wurde er bald ein offener Anhänger der Deutschland-Politik Moskaus. Nach seinen Äußerungen sei man in der Ostzone einfach gezwungen, mit den Sowjets zu kooperieren, um so das politische Überleben der dortigen CDU und ihren - allerdings immer geringer werdenden - Einfluß zu sichern. Gewiß, aber die entscheidende Frage war doch stets, wie weit man geht und es vor seinem Gewissen vereinbaren kann. Dertinger überschätzte seine Bedeutung bei der Besatzungsmacht und unterschätzte deren Perfidie bei der Durchsetzung ihrer Ziele. Einen Rückzug aus der DDR-Politik ließen seine Geltungssucht und wohl auch sein direktes Sendungsbewußtsein nicht zu.

Es ist das große Verdienst des Autors, dabei einen entscheidenden Punkt hervorzuheben: Dertingers stets gesamtdeutsches Denken, sein beharrliches Festhalten an der Einheit. Dazu gehörten auch seine vielen Gespräche mit westlichen Politikern; sehr oft (aber wohl nicht immer) führte er sie auf Weisung der Sowjets, die er dann auch informierte. Als diese dann gegen Jakob Kaiser, den ersten Vorsitzenden der Ost-CDU, vorgingen, fiel Dertinger ihm in den Rücken. Die Folge war, daß er von der dortigen CDU als ausgewiesener Vertrauensmann der Besatzungsmacht angesehen wurde und "auf Vorbehalte und Ablehnung, manchmal auch auf Haß und Verachtung" stieß. Ob er für die damals vielen Verhaftungen von CDU-Mitgliedern verantwortlich war, ist nicht unwahrscheinlich; andererseits warnte er Gefährdete. Der fanatisch wirkende Einpeitscher der Moskauer Politik - wie ihn der Rezensent erlebte - will all das nur für sein Ziel, die Einheit Deutschlands getan haben. Als der Kreml seine Pläne zur Wiedervereinigung aufgab und statt dessen den Aufbau des Sozialismus in der DDR anstrebte, stand er im Wege. Seine früheren West-Kontakte ließ nun der Haftbefehl zur "Agententätigkeit" werden, 15 Jahre Zuchthaus lautete später das Gerichtsurteil. Die Freilassung des Strafgefangenen Nr. 1068/56 in Bautzen erfolgte im Mai 1964. Er arbeitete dann noch einige Jahre in einem katholischen Verlag in Leipzig.

Der Autor sieht sehr wohl Dertingers Verantwortung am Aufbau der DDR-Diktatur. Er meint indes, für sein Eintreten für die deutsche Einheit habe er über elf Jahre im Zuchthaus verbracht "und damit seine Schuld getilgt". Je nach der eigenen Lebenserfahrung wird mancher Leser zu einer anderen Bewertung kommen. Wie dem auch sei: Es ist ein notwendiges Buch über die erste Nachkriegszeit in der Ostzone, das man nachdenklich aus der Hand legt. F.-W. Schlomann

Peter Joachim Lapp: "Georg Dertinger: Journalist - Außenminister - Staatsfeind", Herder Verlag, Freiburg 2005, 331 Seiten, 15 Euro


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