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05.11.05 / Zwischen Volksfront und Jamaika / Nach der linken Palastrevolution stellt sich die Koalitionsfrage neu / Von Hans-Jürgen Mahlitz

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Zwischen Volksfront und Jamaika
Nach der linken Palastrevolution stellt sich die Koalitionsfrage neu
von Hans-Jürgen Mahlitz

Da waren die Groß-Koalitionäre ihrer Sache wohl doch etwas zu sicher: Am 22. November - so der Berliner Terminplan - sollte die CDU-Chefin zur Kanzlerin gekürt werden; der CSU-Chef sah sich schon als Superminister für Wirtschaft und allerlei sonstiges, und der SPD-Chef freute sich auf Amt und Würden im Doppelpack - als Vizekanzler und Arbeitsminister. Die Sache hat nur einen Haken: Am 22. November wird der SPD-Chef wie auch immer heißen, jedenfalls nicht mehr Müntefering.

Ausgerechnet am Reformationstag probte die reformunwillige SPD-Linke die Revolution, ließ ihren Vormann bei der Suche nach einem neuen Generalsekretär im Regen stehen und torpedierte mit der Nominierung der robusten Andrea Nahles auch die Koalitionsverhandlungen. Denn die scheinheiligen Beteuerungen, mit der prompten Reaktion des düpierten Parteichefs habe man nicht gerechnet, sind unglaubwürdig und hochgradig peinlich: Traut die SPD ihren Vorsitzenden wirklich so wenig Charakter zu?

Franz Müntefering jedenfalls zeigte Charakter und kündigte den Verzicht auf ein Amt an, das von der karrieresüchtigen Ex-Juso-Vorsitzenden mutwillig beschädigt worden ist. Ihm war sofort klar, daß ein trotz allem unter einer Generalsekretärin Nahles nominell weiter amtierenden Parteichef Müntefering viel zu schwach wäre, um in einergroßen Koalition noch glaubwürdig als "Schwergewicht" aufzutreten.

Das andere "Schwergewicht" hatte diese Problematik ebenso schnell erkannt: CSU-Chef Edmund Stoiber begann schon wenige Stunden nach Münteferings Rückzug reichlich laut über ein Verbleiben in Bayern nachzudenken. Schon munkelt man in München, der Ober-Bayer wolle möglicherweise mit einem Verzicht auf Berliner Ministerwürden den Weg für andere, zwischenzeitlich zu den Akten gelegte Koalitionsspielereien freimachen. Und in Berlin wurde zwar noch nicht über der CDU-Zentrale die Flagge Jamaikas gehißt, doch hört man hinter vorgehaltener Hand bereits Stimmen, man könne doch, nachdem die Grünen sich eines Teils ihrer 68er-Altlasten entledigt hätten, noch mal anfragen von wegen "Schwampel".

So haben nun die beiden sogenannten Volksparteien (denen erhebliche Teile des Volkes inzwischen abhandengekommen sind) mehrere Koalitionsoptionen: neben der großen Koalition die einen das schwarz-gelb-grüne Bündnis, die anderen sowohl die "klassische" rot-gelb-grüne Ampel als auch die tiefrote Volksfront. An dieser "Erbschaft" wird, wer immer die Nachfolge Münteferings antritt, kaum Freude haben. Sie steht für die totale innere Zerrissenheit der deutschen Sozialdemokratie.

Dies ist nicht nur eine innere Angelegenheit der SPD, sondern erfüllt auch aus konservativer und bürgerlicher Sicht mit Sorge. Denn das Wahlergebnis vom

18. September macht - trotz "Jamaika" und Volksfront - die große Koalition zur wahrscheinlichsten Option. Und was Deutschland heute am dringendsten braucht, ist eine handlungsfähige Regierung; die wiederum kann nur von starken Partnern gebildet werden. So ist zu befürchten, daß Andrea Nahles nicht nur der SPD und ihrem Noch-Vorsitzenden schweren Schaden zugefügt hat, sondern in noch schlimmerem Maße unserem Vaterland insgesamt.


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