26.04.2024

Preußische Allgemeine Zeitung Zeitung für Deutschland · Das Ostpreußenblatt · Pommersche Zeitung

Suchen und finden
05.11.05 / Das Risiko des Friedens

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Das Risiko des Friedens

Brennende Synagogen mit zerbrochenen Fensterscheiben - diese Bilder müßten in Deutschland eigentlich Empörung hervorrufen. Aber kein Wort kommt über die Lippen des Außenministers oder seines Kanzlers. Sicher, dies ist keine Reichskristallnacht auf palästinensisch. Dafür sind die Verhältnisse in der Region auch zu unterschiedlich. Bilder des Hasses jedoch sind es allemal. Solange solch ein Haß die Menschen antreibt, solange ist der Frieden nur ein Traum. Ein mahnendes Wort aus Deutschland wäre da wohl nicht fehl am Platz gewesen.

Auch auf jüdischer Seite gibt es Haß. Deshalb ist der Mut des israelischen Premiers Ariel Scharon nicht hoch genug einzuschätzen, daß er den Gaza-Streifen nach 38 Jahren Besatzung räumen ließ. Es ist ein konkreter Schritt zum Frieden. Jetzt müssen die Palästinenser nachziehen. Der Schritt zum Frieden ist ein Schritt in den Alltag ohne Haß. Es reicht auch nicht, die eigene Flagge zu hissen und Freudentänze aufzuführen. Jetzt müssen die Ärmel hochgekrempelt und die Felder bestellt, Häuser gebaut und im Dienstleistungsbereich Arbeitsplätze geschaffen werden. Das erreicht man nicht mit Parolen und Forderungen nach mehr Land und Geld. Die arabischen Staaten könnten jetzt ihre so oft und laut bekundete Solidarität mit den Palästinensern unter Beweis stellen und Investitionen ermöglichen, Geld gibt es in den Ölländern zur Zeit mehr als genug.

Zu den Investitionen gehört auch der Bau eines Hafens. Israel wird sich dem nicht verweigern können. Natürlich können über einen Hafen schwere Waffen importiert werden. Aber dieses Risiko muß Israel eingehen, wenn es den 1,3 Millionen Einwohnern des Gaza-Streifens eine wirtschaftliche Überlebensfähigkeit zugestehen will. Das Risiko ist begrenzt, die israelische Armee wäre binnen Stunden wieder Herr der Lage in Gaza. Das Eingehen des Risikos lohnt sich, denn auch das ist bei all dem Haß in der Region ziemlich klar: Ohne Risiko ist nicht nur ein Krieg, sondern vor allem der Frieden nicht zu gewinnen. Insofern gab und gibt es für Israel zum Abzug auch keine Alternative. Und dazu passen auch die Bilder israelischer Kampfhubschrauber über Gaza nicht, die uns in diesen Tagen wieder erschrecken.

André Glucksmann hat in seinem neuen Buch "Haß" die Rückkehr dieser elementaren Gewalt in unsere moderne Zivilisation beschrieben. Der Kern des Hasses und der Zerstörungswut sei nicht eine Religion, sondern der Nihilismus. Er ist der neue Ideologieersatz. Der bretonische Schriftsteller Ernst Hello hat schon vor 150 Jahren in seinem Buch "Welt ohne Gott" solche Gedanken weitergedacht, als er prophetisch schrieb, der Nihilismus sei eine "Leidenschaft, die das Nichts zum Gegenstand hat. Hat sie einen Sinn? Nein. Aber diese Leidenschaft enthält ein Geheimnis: Die Liebe zum Nichts ist der Haß gegen das Sein." Das gilt nicht nur in Nahost. lim


Artikel per E-Mail versenden
  Artikel ausdrucken Probeabo bestellen Registrieren