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05.11.05 / Der Schicksalstag der Deutschen / Kein Tag des Jahres spielt in der Geschichte dieses Landes eine derart große und ambivalente Rolle wie der 9. November

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Der Schicksalstag der Deutschen
Kein Tag des Jahres spielt in der Geschichte dieses Landes eine derart große und ambivalente Rolle wie der 9. November

Wenn der 9. November auch zum Leidwesen vieler nicht der Tag der Deutschen Einheit ist, sondern der vergleichsweise blutleere 3. Oktober, so ist doch dieser 9. November wie kein anderer Tag des Jahres der Schicksalstag der Deutschen. Auch für Preußen hat er eine große Bedeutung, endete an ihm doch die Monarchie und die Hohenzollernherrschaft. Insbesondere Monarchisten sind versucht, an diesem Ende des Königreiches Preußen auch das Ende der preußischen Staatlichkeit festzumachen. Dabei muß die Frage erlaubt sein, ob die Monarchie Preußen überhaupt wesensgemäß ist. Immerhin beruhte die überdurchschnittliche Leistungsfähigkeit des Staatsapparates Preußens wie auch des Deutschen Ordensstaates nicht zuletzt darauf, daß Schlüsselstellen nach Leistung und nicht nach Herkunft vergeben wurden. Und Friedrichs des Großen Wort des "ersten Dieners seines Staates" erinnert eher an die deutschen Stadtrepubliken, an deren Spitze ein "Erster unter Gleichen" stand, als an das französische Königreich, wo der König erklärtermaßen nicht dem Staate diente, sondern seine Stelle einnahm.

Man muß allerdings nicht unbedingt Monarchist sein, um das Ende Preußens als Staat am Ende des kleindeutschen Kaiserreiches festzumachen, denn mit der Monarchie endete gleichfalls die privilegierte Sonderstellung Preußens im Deutschen Reich, die manche auch von Preußen-Deutschland sprechen läßt.

1923 ist als Krisenjahr dieser Weimarer Republik in die Geschichtsbücher eingegangen. Dieses lag nicht primär, aber eben doch auch am sogenannten Marsch auf die Feldherrenhalle. Dieser erwies sich für die Nationalsozialisten zwar als Niederlage, wurde von diesen jedoch zum Mythos stilisiert. Und so war die Führung der NSDAP denn am 15. Jahrestag in München zur festlichen Begehung des Jubiläums versammelt, als die Nachricht eintraf, daß in Paris ein deutscher Diplomat einem von einem Juden verübten Attentat zum Opfer gefallen war. Entsprechend schnell konnte die sogenannte Reichskristallnacht organisiert werden.

Wenn es nach Deutschlands Nationalmasochisten gegangen wäre, hätte es den 9. November 1989 mit der anschließenden kleinen Wiedervereinigung gar nicht geben dürfen, denn sie priesen die deutsche Spaltung als gerechte Strafe und Deutschlands Preis für eine auf dem Gleichgewicht der Supermächte basierende Sicherheit, die es zu erhalten gelte. Trotz derartiger Sympathien von Deutschlands Gegnern für die deutsche Teilung und die sie verteidigende SED wagten die Menschen in der DDR die Revolution; und trotz aller Kritik im Detail war diese sanfte Revolution doch wie die Novemberrevolution von 1918 zumindest insoweit erfolgreich, als das bekämpfte System verschwand. M. R.

 

Der Kaiser stürzt
1918: Matrosen entfachen die Revolution

Im November 1918 war die militärische Lage des deutschen Heeres mehr als ernst. Eine nennenswerte revolutionäre Stimmung herrschte jedoch nicht. Der Grund war die aus dem gemeinsamen Fronterlebnis von Mannschaften, Unteroffizieren und Offizieren resultierende Frontgemeinschaft, die zahlreiche Deutsche nach dem Kriege vergebens versuchten, in die Friedensgesellschaft der Weimarer Republik zu überführen. Eine derartige Frontgemeinschaft gab es bei der Marine nicht. Hier herrschten neben Langeweile noch die Standesdünkel der Vorkriegszeit. Entsprechend revolutionär war die Stimmung.

Den Anlaß zur Revolution gab der Befehl der Marineleitung, mit der Hochseeflotte, die jahrelang mehr oder weniger untätig in Deutschlands Häfen gelegen hatte, nun in den Englischen Kanal und gegen Englands Küste vorzustoßen. Es stellt sich die Frage nach den Gründen für diesen Befehl. Kritiker der Novemberrevolution werden eher dazu neigen, den Grund darin zu sehen, daß man die Kameraden vom Heer entlasten wollte, indem man den Nachschubweg zwischen Frankreich und England unterbricht. Befürworter der Novemberrevolution hingegen neigen eher der These zu, daß es der Marineleitung nur darum gegangen sei, mit wehenden Fahnen unterzugehen, und der Befehl demzufolge militärisch sinnlos gewesen sei.

Wie dem auch sei, die Matrosen widersetzten sich dem Befehl. Von Wilhelmshaven aus, wo die Meuterei am 29. Oktober 1918 begann, griffen die Unruhen erst auf die anderen norddeutschen Häfen über und von dort aus auf das des Krieges und des kriegsbedingten Mangels müde Binnenland. Da der Kriegsgegner zu erkennen gegeben hatte, daß die Deutschen ohne ihren Kaiser einen milderen Frieden würden erwarten dürfen als mit, wurden die Rufe nach Wilhelms II. Rücktritt lauter. Einmal mehr zauderte der Hohenzollernfürst. Da ergriff der Reichspräsident Prinz Max von Baden die Initiative. Am 9. November veröffentlichte er eigenmächtig eine Erklärung des Inhaltes, daß der Kaiser und König sich entschlossen habe, dem Throne zu entsagen. Zwei Stunden später rief der Sozialdemokrat Philipp Scheidemann gegen den Willen seines Parteifreundes Friedrich Ebert die Republik aus. Wilhelm II. leistete keinen Widerstand, sondern ging ins niederländische Exil. M. R.

 

Die Mauer fällt
1989: Der Freiheit folgte die Einheit

Erich Honecker ist nicht zu widersprechen, wenn er im Jahre 1992 rückblickend vor dem Moabiter Gericht erklärte, auf die Mauer zu verzichten hätte geheißen, die DDR schon 1961 aufzugeben. Wie jedes KZ konnte auch die DDR nur dadurch langfristig überleben, daß sie ihre Insassen daran hinderte zu entkommen. Insofern liegen Historiker nicht falsch, wenn sie den 13. August 1961, den Tag des Mauerbaus, als zweiten Gründungstag der DDR bezeichnet haben. Den Aderlaß, den die sogenannte Abstimmung der Mitteldeutschen mit den Füßen bedeutete, konnten die DDR und deren Volkswirtschaft nicht lange durchstehen. So wie der Mauerbau die Existenz der DDR sicherte, so bildete die Maueröffnung den Anfang vom Ende des SED-Staates.

Dabei begann alles scheinbar ganz harmlos. Auf einer vom Fernsehen direkt übertragenen, zunächst langweiligen Pressekonferenz verliest SED-Politbüromitglied Günter Schabowski um 18.57 Uhr auf eine Frage zur neuen Ausreiseregelung von einem Zettel, den ihm Staats- und Parteichef Egon Krenz kurz vorher zugesteckt hat, folgenden Ministerratsbeschluß: "Privatreisen nach dem Ausland können ohne Vorliegen von Voraussetzungen (Reiseanlässe und Verwandtschaftsverhältnisse) beantragt werden. Die Genehmigungen werden kurzfristig erteilt." Visa für ständige Ausreisen, die über alle Grenzübergangsstellen der DDR zur Bundesrepublik Deutschland einschließlich West-Berlin erfolgen könnten, seien unverzüglich zu erteilen. Auf eine Nachfrage erklärt Schabowski irrtümlicherweise, das trete nach seiner Kenntnis "sofort, unverzüglich" in Kraft.

In Windeseile verbreitet sich daraufhin das übertriebene Gerücht, die Grenzübergänge seien geöffnet. An den abends üblicherweise menschenleeren Kontrollstellen entlang der Mauer wimmelt es binnen kurzem von Ost-Berlinern, welche die Probe aufs Exempel machen wollen. Die Grenzwachen sind überrascht, ratlos und überfordert. Weisungsgemäß lassen sie zunächst nur DDR-Bürger mit Ausweisen passieren, doch wird der Ansturm so massiv, daß sie schließlich auf jede Form von Kontrolle verzichten. Um 23.14 Uhr öffnen sich die Schlagbäume, zunächst am Übergang Bornholmer Straße. Nach 28 Jahren ist damit die Mauer faktisch gefallen. Elf Monate später ist die DDR nicht mehr existent, nur noch Geschichte. M. R.

 

1923: Eine Zeitung war der Auslöser

In der Weimarer Republik herrschte wie in jeder Demokratie Pressefreiheit - zumindest im Prinzip, das heißt, wenn kein Ausnahmezustand herrschte, und im Oktober 1923 herrschte Ausnahmezustand. So verbot der Reichswehrminister den seine Reichsregierung kritisierenden "Völkischen Beobachter". Mit der Durchsetzung des Verbotes des in München erscheinenden nationalsozialistischen Blattes wurde der Kommandeur der in Bayern stationierten 7. Reichswehrdivision betraut. General Otto von Lossow weigerte sich jedoch, dem Befehl Folge zu leisten, und ließ sich statt dessen samt seiner Division von der in Opposition zur Reichsregierung stehenden bayerischen Landesregierung unter Generalstaatskommissar Gustav Ritter von Kahr "in Pflicht nehmen". Hiernach wurde nun allenthalben der "Marsch nach Berlin" erwartet.

In dieser Situation versuchte Adolf Hitler das Heft des Handelns an sich zu reißen. Als Kahr seine zusammengerufenen Anhänger am 8. November 1923 im Münchner Bürgerbräukeller versammelt hatte, überrumpelte Hitler mit Hilfe der SA die Versammlung und rief die "Nationale Revolution" aus. Unter dem Eindruck der Ereignisse und der anwesenden SA-Männer erklärten mit Kahr auch Lossow und der Kommandeur der bayerischen Schutzpolizei, die ebenfalls anwesend waren, sich bereit mitzumachen. Nachdem die Drei jedoch im Laufe der Nacht ihre Handlungsfreiheit zurückgewonnen hatten und sich herausstellte, daß die bayerische Generalität den Schritt Lossows nicht nachvollzog, widerriefen sie mit der Begründung, erpreßt worden zu sein. Während Hitler sich in dieser Situation um die Vermittlung des bayerischen Kronprinzen bemühte, veranlaßte ungeachtet seiner Warnung sein damaliger Mitstreiter Erich Ludendorff am Mittag des darauffolgenden 9. November einen gemeinsamen Demonstrationszug durch München. Als die Demonstranten mit Hitler und Ludendorff an der Spitze die Feldherrnhalle erreichten, stießen sie auf einen Polizeikordons. Die anschließende bewaffnete Auseinandersetzung kostete vier Polizisten und 14 Demonstranten das Leben. M. R.

 

1938: Angst statt Goebbels' "Spontaneität"

Wer sich mit den Geschehnissen des 9. November 1938 befaßt, gerät schon bei der Begriffswahl in unruhige Gewässer. Jahrzehntelang war "Reichskristallnacht" die gängige Vokabel für die organisierten Übergriffe auf Juden und jüdische Einrichtungen in ganz Deutschland. Wo der Begriff ursprünglich geprägt wurde, ist ungeklärt. Willy Brandt behauptete 1982, er entstamme dem "Jargon der Mörder". Günther Gillessen widersprach, es handele sich ganz im Gegenteil um einen "Begriff der Opposition".

Was ist schlüssiger? Joseph Goebbels inszenierte die Attacke als Ausdruck "spontanen Volkszorns", der sich entladen habe, nachdem Herschel Grünspan, ein aus Hannover nach Paris emigrierter 17jähriger Jude polnischer Abstammung, den deutschen Diplomaten Ernst Eduard vom Rath tödlich verletzt habe.

Die Beschreibungen von Zeitzeugen wissen von "Spontaneität" indes wenig zu berichten - abgesehen vom Mob, der die Auslagen jüdischer Geschäfte plünderte. Der damalige Vorsitzende der Gesellschaft für christlich-jüdische Zusammenarbeit, Erich Lüth, berichtete auf einer Tagung der Friedrich-Ebert-Stiftung am 9. November 1958 über die Reaktionen der nichtjüdischen Zeitzeugen: "Keiner traute dem anderen, alle tauschten sie nur die örtlich abweichenden Details der Tatbestände aus. Nur wenige triumphierten. Die Mehrzahl blieb wortkarg und fürchtete sich."

Viele derartige Beschreibungen vor Augen spricht vieles dafür, daß der Begriff "Reichs"-Kristallnacht nicht aus dem Sprachgebrauch der Nazis herrührt sondern aus dem Berliner Straßenjargon, der damit - zynisch und treffsicher - herausstellt, daß die Zerstörungen und Übergriffe von oben, von der Reichsführung initiiert wurden, statt, wie von Goebbels behauptet, "spontan" vom Volk ausgegangen zu sein.

Nach dem 9. November 1938 begann die NS-Führung, die Verfolgung der Juden mehr und mehr als Geheimsache zu behandeln und mit aberwitzigen Euphemismen zu tarnen. Das Grauen der KZ öffentlich zu machen, konnte für Mitwisser in den Kriegsjahren lebensgefährlich werden. JB

Demonstrationszug in Berlin, Unter den Linden am 9. November 1918: Truppenteile schließen sich den Streikenden an

Eine große Menschenmenge versammelte sich am Abend des 10. November 1989 vor und auf der Mauer am Brandenburger Tor in Berlin


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