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05.11.05 / Triumph einer gemeinsamen Vision / Bischof pries bei der Einweihung der Dresdner Frauenkirche das weltweite Engagement

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Triumph einer gemeinsamen Vision
Bischof pries bei der Einweihung der Dresdner Frauenkirche das weltweite Engagement
von Caroline von Gottberg

Mit dem sonntäglichen Weihegottesdienst in der Dresdner Frauenkirche hatte das große Freudenfest begonnen, das drei Tage währen sollte: Mit Veranstaltungen, Ausstellungen und Konzerten wurde die fertiggestellte Frauenkirche gefeiert.

Zehntausende von Menschen verfolgten an großen Leinwänden die Weihe mit. Die meisten hatten sich ein kleines rotes Fähnchen angeheftet, auf dem das Motto des Weihefestes "Friede sei mit Euch" zu lesen war. Mit diesem Satz begrüßte Pfarrer Stephan Fritz die 60000 Besucher, die außerhalb der Kirche die Übertragungen mitverfolgten. Es sollte nicht nur ein Gottesdienst für die 1800 geladenen Gäste in der Kirche sein, unter denen sich auch Noch-Bundeskanzler Schröder, Bundespräsident Horst Köhler und Angela Merkel befanden, sondern ein Fest für alle, die von nah und fern gekommen waren. Und auch Nicht-Dresdner konnten vor dem heimischen Fernseher das große Ereignis mitverfolgen.

Der Bischof der Evangelisch-Lutherischen Landeskirche Sachsens, Jochen Bohl, ist der erste Geistliche, der nach mehr als 60 Jahren in der Frauenkirche predigte. Über das Reich Gottes sprechend, hatte er sich als Leitmotiv das Gleichnis vom Senfkorn aus dem Markus-Evangelium gewählt. "An diesem Tag gewinnen wir modernen Menschen des Jahres 2005 ein Gleichnis dazu: Der Wiederaufbau der Frauenkirche hat winzig klein, unscheinbar begonnen, aber es ist ein großes Werk geworden, im Geist der Versöhnung."

Neben der Versöhnung ist im Zusammenhang des Wiederaufbaus oft auch von einer Heilung gesprochen worden. Über Jahrzehnte war die Kirchenruine ein Mahnmal des Friedens und ein beredter Zeuge von Gewalt und Zerstörung. Diese Wunde wurde geheilt. Deshalb wirkten an der Weihe von Kanzel, Taufstein, Altar und Orgel auch Zeitzeugen mit. Eine alte Dame sprach das Gebet am Altar, vor dem sie einst konfirmiert und getraut worden war. Für viele Teilnehmer gehörte dies mit zu den bewegendsten Momenten des Gottesdienstes.

Hier in Dresden wurde unmöglich Scheinendes möglich. Es gab Zweifel, Widerstände und immer wieder die Fragen nach der Finanzierung. Ob es nicht viel wichtigere Dinge anzupacken gäbe als - bei einer Vielzahl leerstehender Gotteshäuser - sich eine prachtvolle Barockkirche zu leisten? Doch engagierte Bürger hatten eine Vision. Sie glaubten an den Wiederaufbau der einst so bedeutenden Dresdner Kirche. Dank der vielen Spenden und des Einsatzes von Menschen aus aller Welt konnte aus einer kühnen Idee Wirklichkeit werden. Wie ein Triumph prägt die Frauenkirche heute wieder das Dresdner Stadtbild.

In einer Zeit der Verunsicherung, der Ängste und der großen Zukunftsfragen ist das ein mutmachendes Signal. So betonte Landesbischof Bohl, daß unser Land in dieser verzagten Zeit nichts so sehr brauche "wie eine Bewegung in den Köpfen, einen Wandel der Mentalitäten, eine Orientierung auf die geistliche Dimension des Lebens". Der Wiederaufbau sei ein mutiges, ein verwegenes Unternehmen gewesen, denn die Realität habe dagegen gesprochen: "Es brauchte also einen neuen Blick, um eine andere Wirklichkeit sehen zu können ... Es brauchte die Blickrichtung des Glaubens, der die Welt überwinden kann, den Blick auf das Reich Gottes. Erst durch ihn wurden elementare Kräfte und Gaben freigesetzt, Zuversicht und Vertrauen wuchsen, trennende Grenzen wurden bedeutungslos."

In ähnlicher Weise bezeichnete auch Bundespräsident Horst Köhler in seiner Ansprache Dresden als positives und ermutigendes Beispiel. Wenn Gerhart Hauptmann 1945 gesagt habe, wer das Weinen verlernt habe, der lerne es wieder beim Untergag Dresdens, so sei dem 60 Jahre später hinzuzufügen: "Wer die Zuversicht verloren hat, der gewinnt sie wieder beim Anblick der wiedererstanden Frauenkirche ... Der Wiederaufbau hat Dresden, hat Sachsen, hat Deutschland verändert und uns gezeigt: Unser Land braucht mehr als nur Gewerbegebiete, Straßen und Forschungsinstitute ... Ich wünsche jedem von uns ein Stück von dem Mut, von der Begeisterung und von der Zuversicht, die die Einweihung dieser Kirche möglich gemacht haben. Ich wünsche der Stadt Dresden und all ihren Bewohnern und Freunden, daß sie beim Blick auf die Frauenkirche an das denken mögen, was uns eint: Als freie Bürger der Stadt Bestes zu erstreben. Und ich wünsche unserem Land, daß die Dresdner Frauenkirche uns stets daran erinnern möge, was wir an Gutem zu Stande bringen können, wenn wir einig sind."

Viele der Menschen auf dem Neumarkt waren bewegt, hatten auf diesen Tag und diese Stunde gewartet, hatten die Frauenkirche über die Jahre hinweg begleitet. So blieben die Menschen auch nach dem Gottesdienst in großen Scharen auf dem Platz versammelt. Den ganzen Tag erklang Musik, auf einer großen Bühne berichteten Zeitzeugen und Initiatoren von den Anfängen des Wiederaufbaus. Unter ihnen befand sich auch der weltbekannte Dresdner Trompeter Ludwig Güttler, der 1990 den "Ruf aus Dresden" mitverfaßt hatte. Ebenso war Baudirektor Burger anzutreffen, dessen jahrelanger, intensiver Einsatz für die Frauenkirche nun sein Ende gefunden hat.

Vor der Kirche versammelten sich lange Schlangen für die "gestalteten Besichtigungen", bei denen eine Gruppe von Besuchern sich für zehn Minuten in der Kirche umsehen und eine stille Andacht halten konnte. Die ersten standen bereits ab 7 Uhr in der Warteschlange. Es sollten möglichst viele Menschen schon in den ersten Tagen die Möglichkeit bekommen, das Innere der Kirche zu erleben. Aber auch diejenigen, die noch nicht hineingelangen konnten, hatten durch die Übertragungen schon einen Eindruck von dem Glanz und der Fülle barocker Pracht gewonnen. Das offizielle Fest hat drei Tage gedauert, doch die Freude wird viel länger währen.

Das erste gemeinsame Singen in der wiedererrichteten Dresdner Frauenkirche Foto: pa


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