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05.11.05 / Armee zwischen Tradition und Budgetnöten / Auch Österreich feiert den 50. Geburtstag seiner Streitkräfte - Bunte Militärparade zog durch Wien

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Armee zwischen Tradition und Budgetnöten
Auch Österreich feiert den 50. Geburtstag seiner Streitkräfte - Bunte Militärparade zog durch Wien
von R. G. Kerschhofer

In Österreichs großem Jubiläums-, Gedenk- oder "Gedanken"-Jahr 2005 standen wieder zwei Daten auf dem Programm: Vor 100 Jahren wurde der Österreichische Skiverband gegründet und vor 50 Jahren das Österreichische Bundesheer. Der österreichische Skisport dürfte ausreichend bekannt sein - aber was weiß man über das Bundesheer?

Die Aufstellung einer Armee ergab sich zwingend aus den Staatsvertragsverhandlungen, denn die Souveränität Österreichs wurde gekoppelt an die Formel einer "immerwährenden Neutralität nach dem Vorbild der Schweiz" - und die war eine bewaffnete Neutralität. Der Staatsvertrag wurde am 15. Mai 1955 unterzeichnet, die Alliierten hatten bis zum 25. Oktober abzuziehen, und am 26. Oktober wurde die "Immerwährende Neutralität" vom Parlament beschlossen. Den

26. Oktober erklärte man später zum Nationalfeiertag, und so gab es dieses Jahr zur 50-Jahrfeier nicht nur die übliche "Waffenschau" auf dem Heldenplatz vor der Wiener Hofburg, sondern erstmals seit etlichen Jahren wieder eine große Militärparade auf der Ringstraße.

"Nach dem Vorbild der Schweiz" - das stimmte nicht ganz, primär weil das Heeresbudget Österreichs immer weit unter dem der Schweiz blieb. Und die Neutralität selbst ging erst recht eigene Wege: So trat Österreich gleich 1955 der Uno bei, was für die Schweiz damals nicht in Frage kam. Wie durch Zufall entpuppten sich neue Waffensysteme jeweils als Nato-kompatibel. Österreichs Luftraumüberwachung und Abhöreinrichtungen, die "bis weit in den Osten" reichten, waren für den Westen immer recht "interessant" - um es neutral auszudrücken. Und seit Beitritt zur EU und zur "Partnership for Peace" 1995 bleibt von der Neutralität eigentlich nur noch die deklarierte Absicht, sich nicht an einem Angriff gegen Drittländer beteiligen zu wollen.

Die Wechselbäder, denen das Bundesheer ausgesetzt war und ist, sind nicht verständlich ohne einen Blick auf die Parteipolitik: Bundeskanzler Raab setzte sich 1955 mit der Neutralität durch, die damals einen sowjetischen Beigeschmack hatte. Später ließ die ÖVP zunehmend erkennen, daß für sie der Nato-Beitritt ein Fernziel war. Bei der SPÖ lief es umgekehrt: Der "rechte" Vizekanzler und spätere Bundespräsident Schärf war 1954/55 gegen die Neutralität und für die Nato. Doch spätestens seit Kreisky ist "Neutralität" für die SPÖ eine heilige Kuh, deren Mageninhalt nicht untersucht werden darf. Auch die FPÖ hatte jahrzehntelang klare Nato-Sympathien, die sich allerdings in jüngerer Zeit (Afghanistan, Irak) gänzlich verflüchtigten. Daß die Mehrheit der Bevölkerung weiterhin an "die Neutralität" glaubt, liegt an deren "sichtbaren" Vorteilen zur Zeit des kalten Krieges - und am (vermeintlichen) Gleichgewicht der Militärblöcke. Glück gehabt.

Das Bundesheer mußte 1955 nicht bei Null anfangen, denn bereits ab 1952 war in den westlichen Besatzungszonen die sogenannte "B-Gendarmerie" aufgestellt worden. Deren Angehörige hatten größtenteils Weltkriegserfahrung, waren militärisch ausgerüstet und kaserniert. Für das Bundesheer selbst wurde die allgemeine Wehrpflicht mit einer Dienstzeit von neun Monaten plus Reserve-Übungen beschlossen. Jahrgang 1937 kam als erster dran. Kreisky gewann später eine Wahl mit der Parole "sechs Monate sind genug". Nun, daraus wurden de facto achteinhalb Monate, denn man konnte die Waffenübungen gleich anhängen, und für das Bundesheer hatte es sich ohnehin als sehr teuer erwiesen, Leute für Waffenübungen aus dem Berufsleben herauszureißen. Die kürzlich beschlossene Heeresreform sieht die Verkürzung auf "echte" sechs Monate vor, was vielfach mit Skepsis gesehen wird. Die Entwicklung Richtung Berufsheer scheint vorgezeichnet.

Die erste Bewährungsprobe für das Bundesheer kam bereits 1956, als die Sowjetarmee gegen die aufständischen Ungarn eingesetzt wurde. Wie kritisch die Lage an der Ostgrenze war, wird nicht nur durch die Zahl von über 200000 Flüchtlingen veranschaulicht: Es kam auch zu Grenzverletzungen, bei denen ein Rotarmist von Bundesheersoldaten erschossen wurde. - Manche Skeptiker begannen einzusehen, daß man besser eigene als fremde Soldaten im Land hat, und vor allem in Ostösterreich zeigte sich die Bevölkerung voll des Lobes.

Durchaus ehrenvoll waren auch die Bundesheereinsätze im Rahmen von Uno-Missionen. Freiwillige dafür sind leicht zu finden, denn die Auslandseinsätze werden gut bezahlt und erweisen sich als nützlich für Beförderungen. Ein recht undankbarer Dienst ist hingegen der "Assistenzeinsatz" zur Abwehr illegaler Einwanderung. Da die Kräfte des Innenministeriums nicht ausreichen, müssen Soldaten seit 15 Jahren - meist nächtens - Leute abfangen, die zu tausenden von Schleppern jenseits der Grenze abgesetzt werden.

Die Akzeptanz des Bundesheeres weist ein deutliches Land-Stadt-Gefälle auf. Hierin manifestiert sich einerseits die unschätzbare volkspädagogische Bedeutung von freiwilligen Feuerwehren, Schützenkompanien, Trachtengruppen und Gesangsvereinen, andererseits die Wirkung destruktiver Propaganda in den Ballungszentren. Auch zur Jubiläums-Parade gab es "Wortmeldungen", Demonstrationen blieben aber aus. Von der Bevölkerung besonders geschätzt sind naturgemäß die Einsätze in Katastrophenfällen und somit vor allem die Pioniere. Wie heißt es so schön im fast 300 Jahre alten Prinz-Eugen-Lied: "Er ließ schlagen eine Brucken, daß man kunnt hinüberrucken" - um Belgrad den Türken abzunehmen. Wenn das nicht Tradition ist!

Wie sieht es überhaupt mit der Tradition aus? Allen voran ist hier die 1752 gegründete Theresianische Militärakademie in der Wiener Neustadt zu nennen, die 1958 wieder ihren Betrieb aufnehmen konnte. Tradition spiegelt sich auch wider in Dienstgraden und Rangabzeichen sowie in der Benennung von Einheiten, Akademie-Jahrgängen, Kasernen und Geräten: Jagdpanzer "Kürassier", Schützenpanzer "Ulan", Radpanzer "Pandur" sowie geländegängige "Haflinger" und "Pinzgauer". Kaum verwunderlich, daß sich im Offizierskorps Namen finden, die dort auch vor hundert oder mehr Jahren anzutreffen waren.

Fürs Publikum sehr wichtig ist schließlich die Militärmusik, die nicht nur aus dem Radetzky-Marsch besteht: Wer denkt schon daran, daß sogar der melancholisch-verträumte Franz Schubert Militärmusik komponierte? Zur jahrhundertealten Tradition gehört allerdings auch die zunhemende Unterdotierung des Heeresbudgets. Daß in Zeiten höchster Not

trotzdem großartige militärische Leistungen vollbracht wurden, erntete jeweils höchstes Lob. Doch kaum war die Gefahr vorbei, regierte wieder der Rotstift. "Es wird eh nix passieren" ...

Die Heeresreform bringt mit der Wehrdienstverkürzung eine Reduzierung des Personalstandes, die Auflösung von Einheiten, den Verkauf von Kasernen und die Auslagerung von Dienstleistungen, die bisher intern erbracht wurden. Daß mit fragwürdigen Umbenennungen und dergleichen die "Vergangenheitsbewältigung" überall Einzug hält, trägt ebensowenig zur Verbesserung der Stimmung bei.

Besorgnis herrscht auch außerhalb des Bundesheeres: Einsparungen kosten Arbeitsplätze, vor allem wo traditionsreiche Garnisonen aufgelöst werden. Und was muß man sich denken, wenn bei der Jubiläumsparade eine Einheit in "Wüstenuniform" defiliert?

Foto: Links und rechts der Route bestaunten Österreicher ihre Truppe


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