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05.11.05 / Tschechien droht Volksfront / Zwar legt sich die deutschfeindliche Haltung in der Bevölkerung, doch linke Parteien halten Haß lebendig

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Tschechien droht Volksfront
Zwar legt sich die deutschfeindliche Haltung in der Bevölkerung, doch linke Parteien halten Haß lebendig
von Martin Schmidt

Die tschechische Innenpolitik ist von parteipolitischem Wirrwarr und Widersprüchlichkeiten selbst bei wichtigen Themen gekennzeichnet. So diskutierte der Senat in Prag Anfang Oktober über die Initiative zweier bürgerlicher Abgeordneter, kommunistische Propaganda zu verbieten und die kommunistische Partei KSCM als verbrecherische Organisation einzustufen.

Diese Initiative hatte schon deshalb keine Chance, weil die letztgenannten Kommunisten in der Tschechischen Republik mittlerweile fest im Sattel sitzen. Etwa jeder fünfte Wähler stärkt ihnen den Rücken, obwohl sich die Nachfolgerin der totalitären Staatspartei der Sowjetära nach wie vor nicht eindeutig von den Verbrechen distanziert hat, die vor 1989 begangen wurden.

Spätestens das Abgeordnetenhaus wird die antikommunistische Initiative der Senatoren Mejstrík und Stetina stoppen. Denn die dort federführenden Sozialdemokraten (CSSD) haben sich kürzlich für eine stillschweigende Zusam-menarbeit mit den Kommunisten entschieden und das bislang geltende ungeschriebene Gesetz gebrochen, wonach sich keine Regierung auf die KSCM stützen dürfe. Noch sind die Sozialdemokraten in einer weitgehend handlungsunfähigen Koalition mit den Christdemokraten (KDU-CSL) und der liberalen Freiheitsunion (US-DEU) verbunden. Künftig soll es eine Minderheitsregierung unter Ausschluß der bürgerlichen Kräfte geben.

Während der sozialdemokratische Ex-Ministerpräsident Vladimír Spidla einen solchen Schritt im Jahr 2002 noch abgelehnt hatte, wurde der Tabubruch von dem seit April amtierenden Regierungschef Jirí Paroubek durchgesetzt. Paroubek nennt die Kommunisten in einem Beitrag für die Tageszeitung "Právo" vom 11. Ok-tober ausdrücklich eine "normale politische Partei".

Verwirrende Signale sendet Prag auch in Hinblick auf die sudetendeutsche Frage. Die meisten heutigen Politiker und Bewohner der europäischen Herzländer Böhmen und Mähren, die über Jahrhunderte hinweg ihre wirtschaftliche wie kulturelle Blüte einer Symbiose von tschechischen und deutschen Einflüssen verdankten, tun sich mit dem an den (Sudeten-) Deutschen begangenen Unrecht sehr schwer.

Immerhin sind seit einigen Jahren Ansätze für ein beginnendes Umdenken in - vor allem jüngeren - Teilen der Bevölkerung auszumachen. Mährens Hauptstadt Brünn veranstaltete in diesem Jahr erstmals eine offizielle Gedenkfeier für die Opfer des am 31. Mai 1945 begonnenen "Brünner Todesmarsches", und die Kommune Aussig erregte am 31. Juli internationales Aufsehen mit ihrer Erinnerung an das berüchtigte Massaker vom Sommer 1945.

Das vom Deutsch-Tschechischen Zukunftsfonds und der Robert-Bosch-Stiftung mitfinanzierte Aussiger "Collegium Bohemicum" plant sogar den Aufbau eines "Museums der Deutschen in Böhmen", das einstweilen allerdings noch unter einem unguten propagandistischen Stern steht, da es als "tschechische Antwort auf das ,Zentrum gegen Vertreibungen'" in Berlin konzipiert wird. Aber auch hier wurden bereits tschechische Tabus gebrochen. Vor allem, als führende Mitarbeiter des von mehreren städtischen Institutionen einschließlich der örtlichen Hochschule unterstützten "Collegium Bohemicum" mit Johann Böhm zusammentrafen, dem Sprecher der Sudetendeutschen Landsmannschaft.

Von nachhaltiger Bedeutung könnte ein Urteil des Verfassungsgerichtshofes in Brünn von Mitte August sein. Es untersagte die bisherige Praxis tschechischer Behörden und Gerichte, adlige Deutsche mit tschechoslowakischer Staatsangehörigkeit als NS-Anhänger oder Kollaborateure zu verleumden, um unter Berufung auf die berüchtigten Benesch-Dekrete ihren enteigneten Besitz nicht an die Erben zurückgeben zu müssen.

Die Brünner Richter gaben damit - allen Protesten von Politikern und Meinungsmachern zum Trotz - der Klage der beiden Töchter des 1946 verstorbenen Fürsten Salm-Reifferscheidt statt. Hugo Salm hatte kurz vor seinem Tod vom zuständigen tschechischen Nationalausschuß einen provisorischen Staatsbürgerschaftsbescheid bekommen, den der Verwaltungsgerichtshof nach einer Entscheidung des tschechischen Innenministeriums im Jahr 2002 annullierte, da er angeblich unrechtmäßig ausgestellt worden sei. Man verwies auf das Benesch-Dekret Nr. 33 vom 2. August 1945, das all jenen, die 1938/39 deutsche Staatsbürger geworden waren, den tschechoslowakischen Paß aberkannte, sofern sie sich nicht nachweislich als NS-Gegner hervortaten. Doch ausgerechnet dieses Dekret war bereits 1949 außer Kraft gesetzt worden.

Der Verfassungsgerichtshof sprach von einem Verstoß gegen die Konvention zum Schutz der Menschenrechte und Grundfreiheiten und betonte die erwiesene NS-Gegnerschaft des Fürsten. Dessen mährisches Schloß Raitz und rund 7000 Hektar Land müssen nun an die Töchter zurückgegeben werden,

Das alles klingt nach Signalen einer allmählichen Entspannung und deutet darauf hin, daß die in breiten Bevölkerungsteilen Tschechiens bis heute regelrecht kultivierte Deutschenfeindlichkeit langfristig ein Auslaufmodell ist. Doch die an den alten Feindbildern festhaltenden Kräfte sind noch immer stark. Dies zeigte sich deutlich mit der Aufstellung einer Benesch-Statue vor dem Prager Außenministerium am 16. Mai 2005.

Zwar hat sich die tschechische Regierung am 24. August - nach einem mehr als zweijährigen internen Ringen - endlich zu einer Entschuldigung an all jene Sudetendeutschen bereitgefunden, die sie zu den "aktiven Gegnern des Nationalsozialismus" zählt und die in der unmittelbaren Nachkriegszeit ebenfalls unter dem Entrechtungs- und Vertreibungsverbrechen leiden mußten. Allen Hoffnungen auf eine auch finanzielle Entschädigung der noch lebenden schätzungsweise 200 sudetendeutschen NS-Gegner erteilte man jedoch eine Absage.

Die überfällige Entschuldigung gegenüber dieser einst mengenmäßig durchaus beachtlichen Gruppe vermag nichts daran zu ändern, daß die Benesch-Dekrete von seiten der Regierung und des Parlaments noch immer unangetastet bleiben und in der breiten tschechischen Öffentlichkeit hinsichtlich des millionenfachen Unrechts an anderen unschuldigen Sudetendeutschen Unwissen oder Gleichgültigkeit vorherrscht.


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