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05.11.05 / Wie bei der Geburt Jesu Christi / Jung und alt feierten 600 Jahre Ordenskirche Allenburg mit einem Festgottesdienst in dem Gotteshaus

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Wie bei der Geburt Jesu Christi
Jung und alt feierten 600 Jahre Ordenskirche Allenburg mit einem Festgottesdienst in dem Gotteshaus
von Ute Bäsmann

Zu der Feier 600 Jahre Ordenskirche Allenburg waren ehemalige Bewohner des Kreises Wehlau, unter ihnen natürlich viele aus dem Kirchspiel Allenburg und dem benachbarten Groß Englau, mit zwei Bussen angereist. Es waren aber auch viele junge Menschen dabei, die sich einfach nur einmal ansehen wollten, warum die Landschaft Ostpreußens noch heute alle verzaubert.

Unter den aus der Bundesrepublik Angereisten, die ihre Wurzeln suchten, war auch ein 90 Jahre alter Mann. Er wollte noch einmal im Schleusenwärterhaus schlafen, in dem er von 1922 bis 1932 zehn Jahre seines Lebens mit seinen Eltern und Schwestern gewohnt hatte. Das war die einzige Zeit, die er in Ostpreußen gewesen war, und hatte sie doch nie vergessen und sich sein Leben lang als Ostpreuße gefühlt. Diesen Wunsch konnte er sich erfüllen. Er konnte sogar im ehemaligen Schlafzimmer seiner Eltern wohnen. Glücklich und dankbar ist er in die Bundesrepublik Deutschland zurückgefahren.

Der Festgottesdienst mit Abendmahl und Segnungen konnte im Kirchenschiff stattfinden. Das vorjährige Korn war ausgeräumt und der Kirchenraum in tagelanger Arbeit für die Besucher begehbar gemacht worden. Die Mitglieder der 2001 gegründeten evangelisch-lutherischen Gemeinde Allenburgs hatten den Fußboden mit frischem Heu belegt und an den Pfeilern hingen duftende Sträuße aus Lindenblüten.

Trotzdem konnte der etwas modrige Geruch, der sich im Laufe der 30 Jahre, die die Kirche nun schon als Kornlager genutzt wird, eingestellt hat, nicht ganz eingedämmt werden. Eine Besucherin kam schnell wieder aus der Kirche heraus mit der Bemerkung: "Das riecht da drinnen wie in einem Kuhstall!" Geistesgegenwärtig konterte ein russischer Dolmetscher und Reiseführer: "Gnädige Frau, bedenken Sie, Jesus wurde auch in einem Stall geboren!" Auch ein Besucher aus der Reisegruppe von Propst i. R. Erhard Wolfram fühlte sich an die Geburt Jesu erinnert. Er schreibt in einem Bericht: "... und in die zugemauerten Fensterhöhlen waren Teelichter gestellt. Im Geist stellte ich mir das Bild vom Stall in Bethlehem in der Weihnachtsgeschichte vor. So ähnlich muß es vor 2000 Jahren dort auch gewesen sein."

Am 21. Januar 1945 hatte in der Allenburger Kirche der letzte evangelische Gottesdienst stattgefunden und nun, nach 60 Jahren, konnte wieder ein Gottesdienst in dieser Kirche gefeiert werden.

Zum Einzug der Pastoren und der Jubilare spielte der Jugend-Posaunenchor der evangelischen Kirche Königsberg. Für die Begleitung der Kirchenlieder sorgte Alexander Maibach am Harmonium.

Propst Heye Osterwald stellte die Predigt unter das Wort "vom täglichen Brot".

Er erinnerte daran, daß es in der Zeit von 1945 bis 1949 nur um das Überleben gegangen ist, die größte Sorge der deutschen, aber auch der russischen Bevölkerung es war, das "tägliche Brot" zu haben. Die Berichte der deutschen und russischen Menschen in dem Buch "Allenburg, Kreis Wehlau - Alt- und Neubürger berichten über die Jahre nach dem Krieg", die unabhängig voneinander alle in ihrem jeweiligen Bericht die Not um das Überleben und den Kampf um das tägliche Brot schildern, wurden in dieser Predigt thematisiert. So schaffte der Propst auch die Verbindung zur heutigen Nutzung des Kirchenschiffes, nämlich als Ort, in dem das Korn für das tägliche Brot lagert.

Segnungen der Taufe, silberner und goldener, diamantener und sogar einer eisernen Konfirmation sowie einer 40jährigen und einer Goldenen Hochzeit konnte Propst Heye Osterwald mit Alexander Burgart, dem Pfarrer der Allenburger Kirchengemeinde, vornehmen. Jeder erhielt eine Urkunde mit dem von ihm gewählten Spruch als Andenken an diese Feier überreicht.

Am Schluß des feierlichen Gottesdienstes sangen dann alle das Lied der Ostpreußen: "Land der dunklen Wälder". Inzwischen wurde es vom diesjährigen LO-Kulturpreisträger Sem Simkin ins Russische übersetzt. So konnten auch die anwesenden russischen Gemeindemitglieder und Gäste den Text mitsingen.

Ein sehr bewegender Gottesdienst fand damit seinen Abschluß, doch die Feiern zu Ehren der 600jährigen Kirche gingen mit den angereisten Gästen und der heute ansässigen Bevölkerung weiter.

Der Folklorechor "Weselucha" begrüßte die Kirchgänger beim Heraustreten aus dem Gotteshaus mit seinen schönen Kostümen und Liedern. Dann ging es weiter zur Schule, wo Luba Daub mit ihren Helferinnen ein schmackhaftes und für das Auge gut hergerichtetes Büfett aufgebaut hatte. Nach der Stärkung fuhren die Busse die Besucher wieder zum Festplatz. Der Landrat von Friedland, Wladimir Bakalin, hielt eine Ansprache. Allenburg gehört heute politisch zu Friedland. Der Bürgermeister von Allenburg, Oleg Smirnow, und der Farmdirektor Sergej Aleinikow ließen es sich nicht nehmen, ebenfalls die vielen Gäste willkommen zu heißen.

Stände mit Handarbeiten, selbst geschleudertem Honig und Gemälden von Häusern und der Kirche warben um Käufer. Für die Kinder war eine Hüpfburg aus Labiau geordert worden und brachte viel Spaß. Die Kinder des Kindergottesdienstes glänzten mit deutsch gesungenen Liedern, und ein Gast, der Akkordeon spielen konnte, erfreute alle im kühlen Schatten der Bäume mit Liedern zum Mitsingen. Die Bibliothek war geöffnet, und wer Lust hatte, konnte dort das Modell der ehemaligen Stadt bewundern, welches das Ehepaar Beinker aus Bramsche bei Osnabrück im Jahr 2000 in mühevoller Kleinarbeit hergestellt hatte.

Viele nutzten auch die Gelegenheit, nach dem Mittagessen im Café Allenburg ein Stück armenischen Kuchen zu probieren und Kaffee zu trinken.

Am dem für die Gefallenen des Ersten Weltkrieges errichteten Schaller Ehrenmal hielten die Deutschen eine kleine besinnliche Feier ab und gedachten aller Toten. Das Denken an all die Verstorbenen ließ sie an diesem wunderschönen Sommertag noch einmal ganz still werden. Nach der Niederlegung von Blumen gingen die Deutschen gemeinsam zum russischen Ehrenmal. Auch dort legten sie Blumen nieder wie es in Deutschland üblich ist und erhielten dadurch die Achtung der heutigen Bevölkerung.

Viele Businsassen gingen den Weg zurück zu Fuß, um den herrlichen Blick auf die alte Ordenskirche, die Alle und die schattige Allee zu genießen und mit den vielen Kameras wenigstens ein bißchen von der Atmosphäre mit nach Hause zu nehmen.

Die Allenburger Fußballjugend hatte ein Freundschaftsspiel mit der Gerdauener Fußballmannschaft arrangiert. Leider hatten nur wenige Zuschauer den Weg zum Fußballplatz gefunden, und so mühten sich die Fußballer in der Hitze fast ohne Anfeuerung ab. Das Spiel endete dann auch mit einem 4:1-Sieg für die Gerdauener.

Ein Höhepunkt des Festtages war dann noch die Darbietung des "Friedländer Chores" in einer selbst gefertigten und entworfenen Tracht unter der großen Linde an der Südseite der Kirche. Mit ihrer gekonnt dargebotenen und ausdrucksstarken Vorführung begeisterten sie alle Gäste. Gern hätten die Deutschen noch lange hier ausgeharrt, zugehört und zugesehen, mit wieviel Freude die Tänze und Gesänge vorgeführt wurden. Doch alles hat ein Ende, und so mußten sie sich, nachdem noch zwei Lieder als Zugabe angehängt worden waren, damit zufriedengeben.

In der Schule stand schon wieder das Essen auf dem Tisch und alle ließen es sich nochmals gut schmecken. Auch der Chor war zum Essen eingeladen und als "Dankeschön" sangen sie den Deutschen noch mal eben ein paar Lieder vor. Da half auch nicht das Hupen der Busfahrer, die ihre Gäste einsammeln wollten, jetzt mußte auch der letzte Ton mitgenommen werden.

Ein schöner Tag ging zu Ende!

 

Ein Abendmahl gehörte auch zum Festgottesdienst in der Ordenskirche

Der Folklorechor "Weselucha" erwartete die Gemeinde nach dem Gottesdienst vor der Kirche


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