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05.11.05 / Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Aus Versehen / Was einem im Vorbeigehen so alles passieren kann: Manchmal zertrampelt man gar einen ganzen Parteivorsitzenden
Der Wochenrückblick mit Hans Heckel

Hätte er doch auf Schröder gehört, der brave Münte! Der scheidende Kanzler konnte die Nahles noch nie riechen und ließ sich erst von seinem Nachfolger im Parteivorsitz dazu überreden, die karrierefreudige Jungsozialistin nach oben kommen zu lassen. Der Nachfolger war Münte. Der hat jetzt den Salat.

Am Montag stand ganz Berlin kopf. Die SPD stürzt "aus Versehen" ihren Vorsitzenden. Wie ein Tollpatsch, der sich "aus Versehen" die Tischdecke statt der Serviette in den Gürtel stopft und beim Aufstehen die ganze Tafel abräumt. So etwas gibt es nur in banalen Unterhaltungsstücken - und bei der SPD.

Schnell waren sich in der Tat alle einig, daß die 35jährige den Kladderradatsch nicht gewollt habe. Sie habe den "Ernst der Lage verkannt". Das kommt hin: Der "Ernst des Lebens" ist ihr ebenso fremd. Sie ist es gewohnt, folgenlos dahinzuschwätzen, Fäden zu ziehen und ihr Fortkommen zu organisieren, ohne jemals zur Verantwortung gezogen zu werden. Andrea Nahles hat nie einen "normalen" Beruf ausgeübt (siehe "Zur Person") und sitzt dennoch im Bundestagsausschuß für Arbeit und Soziales. Ihr burschikoser Auftritt soll ihre erwiesene Ahnungslosigkeit auf dem Gebiet "Lebenswirklichkeit" übertönen. Jetzt ist sie keck in den Fettnapf getreten und die versammelten SPD-Vorständler wischen sich verdutzt die öligen Spritzer aus dem Gesicht.

In der SPD keimt Revoltenstimmung. Komplett wegrasieren die ganze Vorstandsbagage, bellt es aus den Ortsvereinen ins Berliner Willy-Brandt-Haus. Schnell meldeten sich listige Volkstribune, die der "wütenden Parteibasis" ihre Stimme liehen, um von der Woge der Empörung zu profitieren. Schröders Kanzleramtsminister Rolf Schwanitz hat sich der Rücktrittsforderung an den ganzen Vorstand in aller Eile öffentlich angeschlossen. Vielleicht wählen sie dann später ihn hinein, wird er sich womöglich denken. Seine Zeit im Kanzleramt ist ja demnächst abgelaufen.

Der geprügelten Andrea Nahles kann man indes einiges anhängen, nur feige, das ist sie gewiß nicht. Ihre Internetseite hat sie unter das Motto gestellt: "Links, menschlich, engagiert". Das ist edelster Phrasendrusch aus dem Bürgerinitiativen-Biedermeier der seligen 70er. Soviel Mut zur alten Klamotte nötigt selbst notorischen Sauertöpfen Respekt ab. Ohne Scheu blicken Politiker wie Andrea Nahles mit kühler Miene in den gähnenden Abgrund ihrer eigenen Substanzlosigkeit. Uns würde an ihrer Stelle sofort schwindlig werden. Aber deswegen regieren eben diese Leute unser Land und wir zahlen bloß Steuern - jeder nach seiner Begabung.

In unruhigen Zeiten wie diesen muß man vor allem seiner Linie treu bleiben, um nicht die Orientierung zu verlieren. Edmund Stoiber, der Meister aller Klassen im schnellen Vor und Zurück, hat das Fiasko an der SPD-Spitze umgehend zu einer weiteren Volte im Spiel "Geht-er-oder-geht-er-nicht?" genutzt und seine Berlin-Buchung öffentlich verbrannt. Ihm ist die Sache nicht mehr geheuer. Wenn die große Koalition überhaupt noch zustande kommt, denkt sich der CSU-Chef, wird sie ein kurzes und schmerzhaftes Dasein fristen und bald jammervoll absaufen. Da soll dann bitteschön der Michael Glos mit untergehen und nicht er.

Freuen über das ganze Durcheinander tun sich natürlich die Kleinen. FDP-Chef Westerwelle kann seine Schadenfreude kaum im Zaum halten und schlägt der Union vor, die Sozen in die Wüste zu schicken. Den Grünen hängen die klebrigen Annäherungsversuche à la "Jamaika" allerdings längst zum Hals raus, wes- halb eine schwarz-gelb-grüne "Schwampel" wohl nicht in Frage käme. Und allein haben Union und FDP keine Mehrheit. Also Neuwahlen? Vom 26. März war vergangenen Dienstag schon die Rede.

Alles ungelegte Eier. Angela Merkel hält sich zurück und ignorierte die Risse im Gebälk ihrer Koalitionsbaustelle so gut sie kann. Natürlich hat das alles auch sie ziemlich unvorbereitet getroffen. Wenn überhaupt Gefahr drohte, so schien es lange, dann aus ihrer eigenen Truppe. Der trutzige Siegesmarsch der SPD-Verhandler durch alle Koalitionsscharmützel mit den Christdemokraten wurde bereits unheimlich. "Die erste SPD-Regierung mit CDU-Kanzlerin" witzelte man in der Hauptstadt. Da hatte die jähe Selbstenthauptung der Sozialdemokraten noch niemand auf der Rechnung.

Angela Merkel schien das Geätze, die Union räume alle ihre Positionen, erstaunlich kalt zu lassen. Sie schlich gefaßt von Runde zu Runde und begann seelenruhig, im Geiste schon mal die Möbel umzustellen im Kanzlerbüro.

Einzelheiten darüber, womit sie die Wände der Macht zu dekorieren gedenkt, sind nach außen gedrungen und regen zum Nachdenken an über das Innenleben der designierten Regierungschefin. Merkel will sich ein Bild der Zarin Katharina die Große ins Kanzlerzimmer hängen. Wer war diese Katharina, und vor allem: wie war sie?

Katharina hieß eigentlich Sophie Auguste Friederike und war Prinzessen von Anhalt-Zerbst-Dornburg, einer jener tausend deutschen Duodez-Puppenstuben, deren Staatsgebiet geübte Weitspringer in einem Satz überfliegen. Aus diesem Blumentopf reiste das 14jährige Prinzeßlein 1744 ins riesige Rußland, um den künftigen Zaren zu ehelichen. Deutsche Prinzessinnen galten damals in ganz Europa als pflegeleicht und loyal, weshalb sie weggingen wie warme Semmeln. Wenn ihr Gatte, der spätere Zar Peter III., geahnt hätte, wie faustdick es dieses süße Mädchen hinter den deutschen Ohren hatte, hätte er sie entweder gleich nach Sibirien weitergereicht oder wenigstens zurückgeschickt in ihre mitteldeutsche Klitsche. Peter ahnte nichts. Nur Monate nachdem die Zarin Elisabeth, Peters Tante, dahingegangen war, jagte ihn seine Frau vom Thron, bald darauf beförderten ihn einige Getreue von Katharina ins Jenseits. Von wegen pflegeleicht und loyal! Ein Besen war sie, der zunächst gekonnt auf unscheinbar machte, um im rechten Moment den Dolch zu zücken. Mit einem Wort: Wenn diese Frau irgendwohin gehört, dann ins Arbeitszimmer von Angela Merkel. Die beiden Damen werden sich viel zu erzählen haben.

Angesichts der Zustände beim Koalitionspartner dürfte die arme Merkel des öfteren abends in ihren Kanzlersessel sinken und mit müdem Blick auf das Antlitz der Kaiserin aller Reußen stöhnen: "Du hattest es besser, Kati!" Koalieren mußte die Zarin allerdings auch. Schon bei ihrem Kampf um die Macht holte sie Adel und Kirche auf ihre Seite, denen Peter ans Zeug wollte. Aber was sind orthodoxe Metropoliten und russische Großfürsten schon im Vergleich zur SPD-Arbeitsgemeinschaft für Arbeitnehmerfragen und erst recht zur IG Metall, die im Schlepptau der Sozis einen großen Fuß in den Machtzentralen behält?

Nach der Oktoberrevolution im SPD-Vorstand schwant der CDU-Chefin Übles: "Wo ein Wille ist, ist auch ein Weg", ließ sie sich betont knapp aus. Ihr zweiter Kommentar lautete gar: "Der Wunsch besteht, daß wir uns einigen." Das klingt schon recht zittrig - "Der Wunsch ..."!

Immerhin hat das Kuddelmuddel in der SPD soviel an öffentlicher Aufmerksamkeit geschluckt, daß einige für den Alltag der Deutschen weit wesentlichere Beschlüsse dieser Woche geheimgehalten werden konnten, ohne daß die Nachrichtensperre den üblichen Bohei ausgelöst hat. Heimlich, still und leise haben die Koalitionäre am Dienstag ihr "Sparpaket" geschnürt und sofort in den Panzerschrank gesperrt, damit es keiner zu Gesicht bekommt. Experten erwarten ein giftiges Gekröse aus Kürzungen und Steuererhöhungen. Davon sollen wir aber erst später erfahren. Damit wir nicht ungeduldig werden, hält uns der SPD-Vorstandsstadl solange bei Laune.

Harte Linke beim Generalsekretärs-Durchboxen Zeichnung: Götz Wiedenroth


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