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05.11.05 / Von der staatlichen Zensur zur Meinungs- und Pressefreiheit / "political correctness" in Preußen und im heutigen Deutschland / Ein kritischer Vergleich

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Von der staatlichen Zensur zur Meinungs- und Pressefreiheit
"political correctness" in Preußen und im heutigen Deutschland
Ein kritischer Vergleich von Hans-Jürgen Mahlitz

Meinungs- und Pressefreiheit in Preußen und im heutigen Deutschland - als ich mich mit Professor Dr. Wolfgang Stribrny, dem Präsidenten des Preußeninstituts, auf das Thema dieses Vortrags verständigten, war ich zunächst der - wie sich zeigte, irrigen - Auffassung, dies sollte für einen gestandenen Journalisten doch zu den eher leichteren Übungen zählen. Meinungs- und Pressefreiheit, damals in Preußen und im Vergleich dazu im heutigen Deutschland, dazu müßte sich doch schnell einiges finden lassen.

Und in der Tat, es ließ sich ganz schnell einiges finden; auf den ersten Blick schien das Thema sogar allzu schnell erschöpft zu sein: Im heutigen Deutschland "findet eine Zensur nicht statt", wie es so schön und schlicht in unserem Grundgesetz heißt. Also leben wir heute in einem wahren Paradies der ungetrübten Meinungs- und Pressefreiheit. Damals in Preußen hingegen fand sehr wohl eine Zensur statt - Unterdrückung und Obrigkeitsstaat also auch auf dem Felde der Meinungs- und Pressefreiheit! So einfach kann man sich die Welt und die Geschichte zurechtbiegen, wenn man sie denn so sehen will. Aus leidvoller jahrzehntelanger Erfahrung wissen wir, daß viele, allzu viele die Geschichte Preußens so sehen wollten und zum Teil immer noch sehen wollen.

Aber es wird Sie nicht überraschen, daß der Gründungs-Chefredakteur einer Zeitung, die Preußisches im Titel und im Schilde führt, sich mit solch groben Vereinfachungen nicht zufrieden geben mag. Nicht nur, weil Professor Stribrny mir signalisiert hatte, wie viel Redezeit mir zur Verfügung stehe, und somit mein Vortrag wohl doch etwas kurz und dürftig ausgefallen wäre, hätte ich ihn nicht auf derlei antipreußische Plattitüden beschränkt. Nein, jedes Detail und jeder Aspekt der preußischen Geschichte haben es verdient, sorgfältig und ausgiebig betrachtet und dargestellt zu werden, nicht zuletzt, weil diese Geschichte auch dem heutigen Deutschland so viel zu geben vermag. Dies gilt, wie ich nun darzustellen versuche, auch für den Themenbereich dieses Vortrages.

Die Geistesgeschichte Preußens ist in besonderem Maße geprägt von der Aufklärung. Es ist ja kein Zufall, daß auf die Frage nach großen preußischen Persönlichkeiten neben Friedrich dem Großen wohl kein anderer Name so häufig genannt wird wie der Immanuel Kants. Der Königsberger Philosoph hat eben nicht, wie viele andere Vertreter seiner Zunft, gerade auch in unserer Zeit, nur hochgeistige Texte verfaßt, die außer dem Autor selbst und einem kleinen Kreise Auserwählter niemand versteht - er hat wahrhaft "Geschichte geschrieben". Seine

Definition "Aufklärung ist der Ausgang des Menschen aus seiner selbstverschuldeten Unmündigkeit" blieb nämlich nicht graue Theorie, sondern mündete in die sehr konkrete und praktische Forderung, der Mensch solle "sich unabhängig von Vorurteil, Tradition und Offenbarung seines eigenen natürlichen Verstandes bedienen". Daß der Mensch dies nur kann, wenn er freien Zugang zu Wissen und Informationen hat und sich frei von staatlichem oder sonstigem institutionellen Zwang seine Meinung bilden kann, ergibt sich geradezu zwangsläufig aus diesem Kantschen Postulat. Wobei ich dahingestellt bleiben lasse, ob im ersten Zitat das Wort "selbstverschuldet" nicht etwas überzogen ist; ich meine eher, daß Menschen auch ohne eigenes Verschulden in Unmündigkeit fallen oder darin gehalten werden können.

Preußen hatte in jener Zeit doppeltes Glück: In Kant hatte es einen Denker, der fähig war, eine den strengen Gesetzen der reinen Vernunft genügende Sittenlehre allgemeinverständlich zu formulieren. Und in Friedrich II. hatte es eine wahrhaft große - eben nicht nur auf dem Schlachtfelde, sondern auch im Geiste große Herrscherpersönlichkeit, unter der sich der Geist der Aufklärung relativ ungehindert entfalten konnte.

Geradezu verblüffend ist die Tatsache, daß dies möglich war, obwohl es auch zu jener Zeit in Preußen eine gutorganisierte staatliche Zensur gab. Unter Friedrich II. wurde sie zwar betont milde gehandhabt, was sich schon aus den hinlänglich bekannten Toleranzvorstellungen des Königs in Religionsfragen ergab.

Aber es gab sie, diese Zensur! Jeder, der etwas Gedrucktes publizieren wollte, sei es ein Buch, sei es eine Zeitung oder Zeitschrift, wußte genau, welchen Kontrollen seine Texte unterlagen, wo Grenzen gezogen waren und mit welchen Konsequenzen er zu rechnen hatte, wenn er diese Grenzen überschritt.

Aus heutiger Sicht ist man geneigt, diesen Zustand als unvereinbar mit Meinungs- und Pressefreiheit zu bewerten. Offenbar ist man heute allzu sehr darauf fixiert, solche Freiheiten überhaupt nur da für möglich zu halten, wo Zensur nicht stattfindet - oder zumindest laut Gesetzes- und Verfassungsformulierungen nicht stattfinden sollte. Der Blick in die preußische Geschichte aber lehrt, daß diese heutige Sichtweise allzu eng ist.

Über lange Phasen der Geschichte Preußens diente die Zensur nämlich nicht der Verhinderung oder Einschränkung von Meinungs- und Pressefreiheit, sondern der Kanalisierung. Sie schuf einen klar definierten und unmißverständlich formulierten Rechtsrahmen, schuf also Rechtssicherheit und muß unter diesem Aspekt als Instrument der Rechtsstaatlichkeit bezeichnet werden.

Deren Basis war das typisch preußische Freiheitsverständnis: Freiheit nicht als absoluter, von allem anderen isolierter Selbstzweck, sondern als eine Größe, die sich nur dann für das Gemeinwohl segensreich entfalten kann, wenn sie an Verantwortung gebunden ist. Der preußische Freiheitsbegriff begnügte sich nicht mit dem "Freiheit wovon?", sondern fragte weiter nach dem "Freiheit wozu?". Freiheit mußte stets ein Ziel haben, und das Ziel galt nur als akzeptabel, wenn es auf das Gemeinwohl ebenso Rücksicht nahm wie auf die Freiheit und Menschenwürde anderer.

So stellt man heute neidvoll fest, daß im öffentlichen beziehungsweise veröffentlichten Meinungsstreit der Ehrenschutz in Preußen einen deutlich höheren Stellenwert hatte als heute. Um an einige aktuelle Beispiele zu erinnern: Öffentliche Verunglimpfungen, wie sie ehrenwerte konservative Politiker wie der ehemalige Fuldaer Bundestagsabgeordnete Martin Hohmann oder Jörg Schönbohm, der in Potsdam amtierende Innenminister und Stellvertretende Ministerpräsident, zu ertragen hatten, weil sie sich den Luxus erlaubten, eine eigene Meinung nicht nur zu haben, sondern auch öffentlich zu äußern, wären im Preußen Friedrichs des Großen ebenso undenkbar gewesen wie, nur wenige Jahrzehnte früher, die unappetitlichen Pauschaldiffamierungen jüdischer deutscher Patrioten in nationalsozialistischen Medien. Wenn man sieht, wie mit Politikern wie Jenninger oder Heitmann, um weitere Namen zu nennen, umgegangen wird, dann fragt man sich natürlich, ob das Nichtstattfinden von Zensur wirklich ein Fortschritt ist.

An dieser Stelle möchte ich eines klarstellen. Ich halte nichts davon, Preußen und seine Geschichte kritiklos schönzureden. Es hat, auch bezogen auf unser heutiges Thema, neben viel Licht manch finsteren Schatten gegeben. Große Geister, edle Persönlichkeiten, die heute unsere uneingeschränkte Verehrung als "Patrioten aus dem Bilderbuch" genießen, hatten unter staatlicher Verfolgung zu leiden. Ich erinnere an Ernst Moritz Arndt oder daran, unter welch unwürdigen Umständen August Heinrich Hoffmann von Fallersleben 1842 aus akademischen Ämtern und Würden verjagt wurde. Man bedenke: ein Jahr, nachdem er auf Helgoland das Lied der Deutschen gedichtet hat! Selbst ziemlich unpatriotisch empfindenden Menschen von heute ist kaum noch zu vermitteln, daß ausgerechnet der Dichter, dem dieses Land eine der weltweit schönsten und friedlichsten Nationalhymnen zu verdanken hat, in eben diesem Lande unter den Druck einer verschärften Zensur geraten konnte.

So hat die Geschichte der Meinungs- und Pressefreiheit in Preußen auch ihre düsteren Kapitel. Ein weiteres soll der Ehrlichkeit halber ebenfalls nicht unerwähnt bleiben: Otto von Bismarck, der von mir - und ich glaube, auch von den meisten unter Ihnen - nachhaltig verehrte "Eiserne Kanzler", bekundete zwar im Jahre 1848, er halte - Zitat aus einem Brief an die "Magdeburger Zeitung" - "jeden Bürger eines freien Staates für berechtigt, seine Meinung gegen seine Mitbürger selbst dann zu äußern, wenn sie der augenblicklichen Meinung widerspricht". Ich finde, das ist eine bemerkenswerte Aussage von höchster Aktualität. Gehalten hat er sich an diese weise Erkenntnis leider nicht immer. So ließ er am 1. Juni 1863 die Pressefreiheit auf dem Verordnungswege in einem Umfang und in einer Weise einschränken, die auch von seriösen Beobachtern als klarer Verfassungsbruch bezeichnet wird. Offensichtlich neigte Bismarck gelegentlich zu der Auffassung, ein von ihm selbst für gut befundener Zweck heilige alle Mittel, auch im Umgang mit den Medien.

Ansonsten muß man Bismarck zubilligen, daß er - anders als heute und durchaus im Geiste preußischer Tradition - den Begriff Medien, bezogen auf das Pressewesen, durchaus richtig definierte. Die Medien waren Mittel im öffentlichen Meinungsstreit. In ihnen und über sie machten politische Gruppierungen ihre Positionen publik, setzten sich mit politischen Gegnern auseinander, versuchten, die Öffentlichkeit für sich zu gewinnen.

Heute sehen die Medien sich gern in einer anderen, viel weiter gehenden Rolle: Als selbsternannte "Vierte Gewalt" begnügen sie sich nicht mehr damit, über Politik im weitesten Sinne zu berichten und zu informieren - sie maßen sich an, selber Politik zu machen. Vor allem die mit Kamera und Mikrophon "bewaffneten" Vertreter dieser "Vierten Gewalt" sehen sich letzten Endes als "Erste Gewalt", die über allen anderen steht. Es ist geradezu paradox: Die vermeintlichen Medien benutzen selber die Politik als Medium zur Durchsetzung ihrer eigenen ideologischen Ziele.

In Preußen hingegen waren die Medien ein wichtiges Instrument des politischen Meinungsstreits und der öffentlichen Willensbildung. Gesetze und Verordnungen und die auf ihrer Basis tätigen Zensurbehörden steckten den Rahmen ab, innerhalb dessen sich Meinungs- und Pressefreiheit entfalten konnte. Um zu verdeutlichen, welcher Geist dahinter stand, lassen Sie mich aus dem sogenannten Zensuredikt Friedrich Wilhelms II. von 1788 zitieren. Dieses Dokument gilt heute gemeinhin als Ausdruck des gewaltsamen Endes der liberalen, von Toleranz geprägten Pressepolitik Friedrichs des Großen: Ich zitiere auszugsweise: "Wir Friedrich Wilhelm von Gottes Gnaden König von Preußen, thun kund und fügen hierdurch jedermann zu wissen: ob wir gleich von den großen und mannigfaltigen Vortheilen einer gemäßigten und wohlgeordneten Preßfreyheit, zur Ausbreitung der Wissenschaften, und aller gemeinnützigen Kenntnisse, vollkommen überzeugt, und daher solche in Unseren Staaten möglichst zu begünstigen entschlossen sind, so hat doch die Erfahrung gelehrt, was für schädliche Folgen eine gänzliche Ungebundenheit der Presse hervorbringen, und wie häufig dieselben von unbesonnenen oder gar boshaften Schriftstellern, zur Verbreitung gemeinschädlicher praktischer Irrthümer über die wichtigsten Angelegenheiten der Menschen, zur Verderbnis der Sitten durch schlüpfrige Bilder und

lockende Darstellungen des Lasters, zum hämischen Spott und boshaften Tadel öffentlicher Anstalten und Verfügungen ..."

Soweit die Zustandsbeschreibung, weitgehend wohl aus der Feder des vom König ernannten Justizministers Johann Christoph von Wöllner stammend. Der leitete daraus die Konsequenz ab, der Presse dürfe fortan nicht mehr alles erlaubt werden, was sie sich bislang erlaubt hatte. Daß hier um einiges über das Ziel hinausgeschossen wurde, mag die Tatsache erhellen, daß auch integre Persönlichkeiten wie Kant oder Nicolai von den Zensurbehörden getadelt wurden; aber dabei blieb es, so schlimm, wie dieses Edikt heute dargestellt wird, war es wohl doch nicht.

In diesem Zusammenhang muß ergänzend erwähnt werden, daß nur sechs Jahre nach diesem Edikt, im Jahre 1794 das "Allgemeine Landrecht für die Preußischen Staaten" kodifiziert wurde, ein Gesetzeswerk von allerhöchstem Rang, beispielhaft für die gesamte damalige zivilisierte Welt. In diesem Landrecht wurde zwar nicht ausdrücklich die Pressefreiheit beim Namen genannt, wohl aber an herausragender Stelle die Glaubensfreiheit. Und da Preußen sich durchaus als christlicher Staat verstand, waren Glauben und Religionsausübung nicht nur in das öffentliche Leben integriert, sondern prägten und bestimmten dieses sogar weitgehend. Insbesondere der Bildungs- und Schulsektor - in Preußen vorbildlich - hatte tiefe Wurzeln im Religiösen. Von da zum Spezialbereich Meinungsbildung ist es dann nicht mehr weit. So bedeutet Glaubensfreiheit letztlich auch Meinungsfreiheit - und hat dann eben auch mit Pressefreiheit viel zu tun. Insofern entfaltete das Preußische Landrecht von 1794 auch bezogen auf den Gegenstand unserer heutigen Betrachtungen große - und zwar poitive - Wirkung.

Doch selbst in jenen Zeiten, in denen Preußens Pressepolitik sich eher restriktiv zeigte, herrschte eine erstaunliche Meinungsvielfalt. Ein Beispiel: Die französische Revolution war in den Berliner Zeitungen und Zeitschriften - neun Stück gab es damals schon - ein wichtiges und äußerst kontrovers diskutiertes Dauerthema. Nur ein Blatt, die "Berliner Monatsschrift", blieb neutral und streng sachlich, von den anderen gaben sich je vier pro- beziehungsweise kontrarevolutionär. Dies blieb - trotz des Zensuredikts! - über einen langen Zeitraum völlig unbeanstandet und ohne jede Beschränkung, obwohl hier doch, vor dem Hintergrund der gewaltsamen Beseitigung der Monarchie in Frankreich, im Königreich Preußen recht handfeste und naheliegende Eigeninteressen berührt waren.

Die Wirkung der Zensur wurde übrigens auch dadurch relativiert, daß ausgerechnet die preußischen Zensoren sich nicht gerade durch ein Übermaß an preußischen Tugenden auszeichneten. Im Gegenteil: Sie galten als unzuverlässig, nachlässig, als "Unsicherheitsfaktor bei der Bekämpfung regierungsfeindlicher Medien". Übrigens hatte auch Otto von Bismarck am - nach landläufiger Meinung doch so überaus korrekten und pflichtbewußten - preußischen Beamtentum einiges zu kritisieren. So klagte er 1838 in einem Brief an seinen Vater, er habe "oft gesehen, wie die kostspielige Zeit und Arbeit schwer arbeitender Behörden auf eine Weise totgeschlagen wurde, daß man unbedingt glauben mußte, die Geschäfte seien erfunden, um den vorhandenen Beamten zu tun zu geben, und nicht die Beamten angestellt, um notwendige Geschäfte zu besorgen; und gegen solches und anderes Unwesen kämpften ausgezeichnete Vorgesetzte mit aller Energie, aber ohne Erfolg; es liegt einmal in der Natur der Verwaltung." Kurz gesagt: Gegen Bürokratismus kämpfen selbst Götter vergeblich ...

Mein Fazit: In Preußen herrschte, bis auf wenige restriktive Phasen, trotz staatlicher Zensur weitgehende Meinungs- und Pressefreiheit, die rechtstaatlich abgesichert und in einen überschaubaren, sicheren Rechtsrahmen eingebettet war, allerdings strikt an Verantwortung für das Gemeinwohl und Respekt vor schützenswerten Rechten anderer gebunden. In diesem Rahmen hat sich auch immer wieder eine durchaus kritische Presse entwickeln und selbst gegen machtvolle Regierungsapparate behaupten können. Wobei sich beide Seiten eines ausgesprochen deftigen Vokabulars zu bedienen pflegten; man betrachte die Auseinandersetzungen zwischen Bismarck und der sogenannten Kreuzzeitung.

Im heutigen Deutschland haben sich die Koordinaten verschoben. Es gilt als Ausweis kritischen Geistes, nicht nur zu informieren, sondern zu indoktrinieren, zu manipulieren und zu inszenieren. Wenn die Fakten nicht dramatisch genug sind, wird nachgeholfen - alkoholisierte Jugendliche, die für einen Fuffziger und ein Tragerl Bier zehnmal "Heil Hitler" vor laufender Kamera grölen, mögen als besonders unappetitliches Beispiel reichen. Ich könnte aus eigener beruflicher Kenntnis weitere schier unglaubliche Beispiele nennen.

Jedenfalls halte ich es für unerträglich, wenn uns derartige Stimmungsmache auch noch als Meinungs- und Pressefreiheit verkauft wird. Verantwortungs-, Hemmungs- und Zügellosigkeit eines Großteils unserer Medien haben uns allenfalls eine Perversion von Freiheit gebracht. Das Schlimmste daran: Die Akteure braucht man nicht einmal zu zwingen. Sie tun das alles freiwillig.

Bismarck hat diese Ent-wicklung übrigens vorausgesehen. 1869 sprach er im Herrenhaus des Preußischen Landtages von Journalisten, die "nur damit beschäftigt sind, Zeitungen durchzulesen und zu sehen, ob sich eine Alarmnachricht findet; findet er keine, so hat er sie zu machen". Und zur Wirkung solcher Manipulationen auf die Leserschaft: Diese halte "das Gedruckte für wahr, weil es gedruckt ist, ungeachtet

des Sprichworts ‚Er lügt wie gedruckt'". Technischem Fortschritt gegenüber durchaus aufgeschlossen, fügte Bismarck hinzu: "Es wird vielleicht auch dahin kommen, zu sagen: Er lügt wie telegraphiert." Ich gestatte mir zu ergänzen: Heute sind wir gerade dabei, vom "Lügen wie gesendet" zum "Lügen wie gemailt" überzugehen. Man sieht übrigens an diesen Beispielen, wie aktuell und lesenswert Bismarck auch heute noch ist - schade für die nachwachsenden Generationen, daß des Eisernen Kanzlers "Gedanken und Erinnerungen" nicht in eine SMS passen.

So endet der Vergleich zwischen dem damaligen Preußen und dem heutigen Deutschland mit der Feststellung: Damals gab es eine Zensur, die aber die Entfaltung von Meinungs- und Pressefreiheit nicht nachhaltig verhindern konnte (und dies meist auch gar nicht sollte!). Heute hingegen findet offiziell keine Zensur statt; in Wirklichkeit aber wurde die Zensur gar nicht abgeschafft, sondern nur umbenannt - sie heißt nun "political correctness".

Opfer der "political correctness": Philipp Jenninger (l.) und Martin Hohmann


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