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05.11.05 / Brandenburgs Adler über Afrika / Wie das ZDF preußische Kolonialgeschichte inszeniert

© Preußische Allgemeine Zeitung / 05. November 2005

Brandenburgs Adler über Afrika
Wie das ZDF preußische Kolonialgeschichte inszeniert
von Ralf Küttelwesch

Ein brandenburgischer Gutshof in Afrika, das schlichte Gebäude ist von Festungsbauten umgeben. Weißer Strand, blaues Meer, in der flirrenden Luft wiegen sich Palmen. Großfriedrichsburg - ein Teil des "Kultur-erbes der Menschheit" ist Gegenstand Deutscher Selbstkasteiung zur besten Sendezeit im ZDF. Am Dienstag, dem 8. November, 20.15 Uhr, wird im ZDF ein weiterer Versuch der Geschichtsklitterung am Beispiel "Deutscher Kolonialgeschichte" gestartet. In der ersten Folge der Reihe: "Deutsche Kolonien" wird von den Hobbyhistorikern Gisela Graichen und Peter Prestel die Unternehmung des "Großen Kurfürsten" an der Westküste Afrikas thematisiert. Nach dem Sieg Brandenburgs über die Schweden 1675 bei Fehrberllin und mit dem Erlös aus dem erfolgreichen Kaperkrieg gegen Schweden und Spanien wagte Friedrich Wilhelm I. von Brandenburg 1682, mit dem "Edikt wegen Oktroyierung der aufzurichtenden Handelskompagnie auf denen Küsten von Guinea" als Konkurrent der klassischen Fernhandelsmächte Portugal, Spanien, England und Frankreich im heutigen Ghana mit einer "Brandenburgischen Africa-Compagnie" Fuß zu fassen. Unterstützt wurde er bei diesem Unternehmen von dem niederländischen Reeder Benjamin Raule. Allein mit der Einbindung dieses Vorgangs in die "Deutsche Kolonialgeschichte" werden die Umstände in ein falsches Licht gerückt. Tatsache ist, daß Großfriedrichsburg immer nur als Handelsstation geplant war und daß das Ziel der Unternehmung die Förderung der brandenburgischen Wirtschaft durch Teilhabe am internationalen Wirtschaftshandel der damaligen Zeit darstellte. Kolonisationsbestreben im Sinne von Besiedelung oder Ausbeutung der Gebiete im Hinterland der Küstenbastion, wie sie andere europäische Mächte zu diesem Zeitpunkt schon seit 100 Jahren betrieben hatten, war nie im Sinne des Brandenburgers. Anders als das Vorgehen der Nachbarn wurde hier kein Stück Land durch militärische Aktionen erobert, sondern durch Verträge von den dort herrschenden Königen und Häuptlingen zur zeitweiligen Nutzung gepachtet. Hätten die Autoren der Filmreihe die Quellen genauer studiert, wäre ein solcher Filmbericht anders ausgefallen. In diesen spärlichen Hinterlassenschaften nämlich wird vom Abscheu über den Sklavenhandel, zum Beispiel den der Portugiesen, berichtet. Der an diese "ausgeliehene" deutsche Schiffsarzt Johann Peter Oettinger berichtet: "Doch welch ein Schauer überkam mich beim Betreten der Räume, in denen die unglücklichen Opfer untergebracht ... und krampfhaft zog sich das Herz zusammen, als ich welche dem Äußern nach menschlich gebaute Wesen wie das Vieh behandelt sehen mußte." Doch der Geschäftssinn der Schwarzen unterschied sich nicht sonderlich von dem der Europäer, die diesen vorgeworfene Brutalität in kaufmännischen Angelegenheiten wurde von den Eingeborenen noch übertroffen. Der brandenburgische Kapitän von der Groeben berichtet als allgemein geschätzter, genauer Beobachter der Umstände: "Die Eigenschaft der Einwohner insgemein betreffend: Sie sind sehr böse, verkaufen nicht allein ihre Gefangenen, die sie im Kriege bekommen, sondern auch Weiber, Kinder, und nächste Freunde ..." Daß der Sklavenhandel in dem Gebiet Westafrikas und auch Ostafrikas für die Eingeborenen selbst eine große Einnahmequelle war, ist bekannt, aber die Behauptung, daß die brandenburgischen Entsandten von Anfang an die Sanierung der "maroden" Staatskasse durch Sklavenhandel als Auftrag im Gepäck trugen, ist doch schon ein starkes Stück der von "political correctnes" geprägten Geschichtsdarstellung. Die Geschichtsbetrachtung, die uns die von der Gebühreneinzugszentrale bezahlten Fernsehforscher vom ZDF auftischen wollen, stimmt selbstverständlich so nicht. Die "Afrikaner" selbst nämlich waren den Europäern im Handel mit allem Begehrten mindestens ebenbürtig: "Die Neger sind difficile Kaufleute: es kostet viel mit ihnen wegen Handels einig zu werden", berichtet P.E. Isert, ein europäischer Reisender, 1788 seinen Freunden. Der DDR-Politologe van der Heyden muß in seiner Monographie "Rote Adler an Afrikas Küsten" zugeben: "Es ist jedoch wohl davon auszugehen, daß die Mehrzahl der Afrikaner in der uns interessierenden Region (Westafrika, R.K.) die Konkurrenz zwischen den verschiedenen europäischen Kolonialmächten mehr oder weniger geschickt auszunutzen verstand." Van der Heyden und sein Werk, auf den sich die Filmemacher bezüglich Großfriedrichsburg hauptsächlich stützen, wird von dem Kolonialexperten Dr. Jürgen G. Nagel zu Recht kritisiert: "... geschieht es mehrfach, daß nach einigen Seiten solche - der ,political correctnes' geschuldeten - Bemerkungen dann auch wieder durch Ausführungen quasi zurückgenommen werden, die einer weitaus komplexeren historischen Realität Rechnung tragen, wodurch der Text gelegentlich ein wenig ins Schwimmen gerät." Diese Bewertung läßt sich ohne weiteres auf die ZDF-Dokumentation übertragen, der die Fernsehzuschauer ausgesetzt sind. Sicher ging es in der brandenburgischen Unternehmung um Geld und Macht. Die Positionierung an der westafrikanischen Küste aber, die durch kühnen Tatendrang und meisterliche architektonische Leistung des damaligen Festungsbaus errichtete Festung aber war nicht als Umschlagplatz für den Sklavenhandel oder gar als Wehreinrichtung gegen die Bewohner des afrikanischen Binnenlandes erbaut. Die Holzbalken und andere Baumaterialien, selbst die Steine, wurden aus dem fernen Brandenburg nach Afrika gebracht. Brandenburger Handwerker und Architekten richteten den Bau in kürzester Zeit auf, um dem Wirtschaftsbestreben des durch den 30jährigen Krieg gebeutelten Heimatlandes zum Durchbruch zu verhelfen. Wäre der Handel mit Sklaven tatsächlich so lukrativ und der große Kurfürst wirklich so skrupellos gewesen, seine ganze Kraft darin hineinzulegen, wäre die Geschichte der brandenburgischen "Africa-Compagnie" sicher nicht so erfolglos verlaufen. Insgesamt ist es nicht ganz klar, wieviel "Sklaven" von der "Brandenburgischen Africa-Compagnie" transportiert wurden, in wessen Auftrag und mit welchem Zweck ist gänzlich unbekannt. Sklavenarbeit im Sinne von Schinderei auf Brandenburger Äckern hat es nicht gegeben.

Es ist also nicht mehr als eine Attitüde von selbsternannten "Gutmenschen", Darstellungen aus der Zeit Bismarcks von dem "Großen Kurfürsten" als dem "Kolonialen Großvaters" des Kaiserreiches zu nehmen und widerlegen zu wollen. Der schon zitierte Dr. Nagel beschreibt diesen Effekt: "So werden die Verhältnisse in Westafrika zur Zeit der großen Handelskompanien immer wieder so dargestellt, daß den Europäern die Täterrolle und den Afrikanern die Opferrolle zufällt ..."

Den Unterschied zwischen Kolonie und Schutzgebiet nicht kennend, wird unter Mißbrauch des vielzitierten Buches: "Volk ohne Raum" von Hans Grimm über den "Deutschen Kolonialismus" berichtet. Wie aber sah dieser nun im Vergleich zu dem Kolonialismus der übrigen europäischen Staaten tatsächlich aus? Zunächst war Reichskanzler Bismarck ganz und gar gegen den Erwerb von Kolonien: "Ich will auch gar keine Kolonien, sie sind bloß zu Versorgungsposten gut. Diese Kolonialgeschichte wäre für uns genau so wie der seidene Zobelpelz in polnischen Adelsfamilien, die keine Hemden haben", sagte er 1871. So übernahmen private Unternehmer die Aufgabe. Der Bremer Kaufmann Adolf Lüderitz gilt als Gründer "Deutsch-Südwestafrikas" und der in Neuhaus an der Elbe geborene Arzt Dr. Carl Peters als Vater von "Deutsch-Ostafrika". Der in Frankfurt / Oder geborene Herrmann von Wißmann führte das Werk von Peters fort. Er schuf die ersten Naturschutzgebiete. Trotz der Proteste und schließlich des Aufstandes der ansässigen Araber, die am Sklavenhandel verdienten, erweiterte Wißmann die Verträge mit den Häuptlingen. Sein Kampf gegen die Sklaverei führte zur tatsächlichen Abschaffung des Menschenhandels in Ostafrika. Ein Sohn Wissmanns, der Tübinger Professor Dr. Hermann von Wissmann, berichtet anläßlich der Zerstörung des Wissmann-Denkmals vor der Universität durch protestierende Studenten am 15. September 1968: "Bezeichnend ist die Einstellung des derzeitigen Staatspräsidenten von Tansania, Nyere. Als dieser vor einigen Jahren in der Bundesrepublik war, wurde er vor seinem Abflug von einem Reporter befragt, warum gerade die Bundesrepublik das erste Land war, das er in Europa besuchte. Er antwortete, dies sei selbstverständlich, habe doch sein Stamm einst Blutsbrüderschaft mit Hermann von Wißmann geschlossen."

Solche Aussagen werfen ein deutlicheres Licht auf die deutsche Kolonialgeschichte als überzeichnete Darstellungen des kolonialen Herrenmenschen, welcher der Deutsche nie war und auch nie sein wollte. Der ehemalige Ausländerbeauftragte von Hamburg-Wandsbek Michael Kossizigaa aus Tansania brachte den Vergleich europäischer Kolonialgeschichte auf den Punkt: "Deutsche bauen, Engländer klauen" und weiter "Die Franzosen sind genau wie die Engländer. Meine Frau ist aus Togo und dort weiß man das ... Die Deutschen haben immer viel getan für die einheimische Bevölkerung, sie haben viel aufgebaut. Die Engländer und Franzosen haben nichts getan, sondern der einheimischen Bevölkerung alles weggenommen."

Auf den zweiten Teil der ZDF-Inszenierung darf man gespannt sein.


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