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12.11.05 / Mit Wut im Bauch

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. November 2005

Mit Wut im Bauch
von Hans-Jürgen Mahlitz

Einst in den 50er Jahren fragten sangesfrohe Rheinländer zur Karnevalszeit: "Wer soll das bezahlen? Wer hat das bestellt?" Dazu wurde geschunkelt und gelacht, man freute sich über Wirtschaftswunder und "Wir sind wieder wer".

Längst ist der Rosenmontagshit zum garstigen Lied geworden: "Wer kann noch was bezahlen? Wer hat uns das eingebrockt?" Da ist dem Bürger das Lachen gründlich vergangen, da ist er nur noch stocksauer.

Vor allem nach dieser nun ablaufenden "Woche der Wahrheit": Die mutmaßlichen Großkoalitionäre in Berlin verständigen sich auf den kleinsten gemeinsamen Nenner, legen alle Visionen zu den Akten und beugen sich zerknirscht der Macht des Faktischen.

Das heißt schlicht und einfach: Nach dem - nunmehr wohl endlich einigermaßen ehrlichen - Kassensturz nähert sich der politische Handlungs- und Gestaltungsspielraum dem Nullpunkt. Was uns bislang als Reformpolitik verkauft wurde, sind in Wirklichkeit Notfall-Reparaturen. Und der "Notfall" hat einen Namen - er heißt Deutschland.

Die laufenden Einnahmen reichen nicht einmal für die gesetzlich festgeschriebenen Ausgaben. Für Zukunfsinvestitionen ist kein einziger Euro mehr übrig. Wir müssen stetig neue Schulden machen, um wenigstens die Zinsen der alten Schulden bezahlen zu können - absurder geht es eigentlich nicht mehr.

Im Privatleben und in der freien Wirtschaft nennt man diesen beklagenswerten Zustand Pleite. Aber da nach allen möglichen, gewiß sehr klugen Theorien Staaten angeblich nicht bankrott gehen können, lassen sich unsere Politiker von ihren Redenschreibern klangvolle Formulierungen austüfteln, mit denen sie das wahre Elend des Landes verkleistern: Reformstau, Nullwachstum, Nachhaltigkeitslücke.

Den Bürger berührt dieses Wortgeklingel nicht mehr. Er sieht nur noch voller Schrecken, wie tief der Karren im Dreck steckt. Wer ihn da wieder herausziehen soll, ist nicht in Sicht. Das Personalgerangel der letzten Tage und Wochen hat nur eine Erkenntnis bekräftigt: Die Qualität des politischen Personals hat flächendeckend und parteiübergreifend einen gefährlichen Tiefstand erreicht. Wenn die Politikverdrossenheit (eher Politikerverdrossenheit!) sich noch steigern ließe - Müntefering und Stoiber hätten es mit ihren jüngsten Eskapaden geschafft.

Wen sollen wir Bürger eigentlich überhaupt noch für glaubwürdig halten können? Wer sich, sobald es brenzlig wird, seitlich in die Büsche schlägt, statt sich der Pflicht und Verantwortung zu stellen, sollte mit Blut-, Schweiß- und Tränen-Parolen etwas zurückhaltender hantieren.

Nur so viel wissen wir inzwischen: Wenn wir das Schicksal unseres Landes und unseres Volkes wenden wollen, dürfen wir keine Tabus mehr kennen, keine Ausnahmen, keine Schonung. Viele Bürger haben das auch begriffen und sind zu Opfern bereit. Allerdings mit Wut im Bauch.

Wer hat uns das alles eingebrockt, diese gar nicht wohlschmeckende "Suppe", die wir jetzt auslöffeln dürfen?

Alles nur auf Rot-Grün zu schieben, wäre zu einfach. Sicher hat die Machtbeteiligung der 68er wesentlich zum Niedergang beigetragen. Aber die Weichen sind schon viel früher falsch gestellt worden: mit dem ideologisch motivierten Umbau unserer Gesellschaft, der Demontage bewährter Werte und Strukturen, begleitet von der Wehrlosigkeit bürgerlich-konservativer Kreise, der widerstandslosen Preisgabe staatsbürgerlicher Gesinnung im preußischen Sinne und vom Mangel an Zivilcourage.

So haben sich auch die Vorgänger Schröders und Fischers schwer am deutschen Volke versündigt - zum Beispiel, indem sie die schon damals überfällige geistig-moralische Wende vollmundig versprachen, aber nie vollzogen. In den Memoiren des Helmut Kohl kommt das übrigens so nicht vor. Warum wohl?


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