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12.11.05 / Die Seele eines ganzen Zeitalters / Ernst Barlach schuf beeindruckende Illustrationen zu Friedrich Schillers Hymne "An die Freude"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 12. November 2005

Die Seele eines ganzen Zeitalters
Ernst Barlach schuf beeindruckende Illustrationen zu Friedrich Schillers Hymne "An die Freude"
von Silke Osman

Mit dem Jahr 2005 neigt sich auch das Schiller-Jahr seinem Ende entgegen. Oft und in den unterschiedlichsten Formen ist in diesem Jahr des großen deutschen Dichters und Dramatikers gedacht worden, der vor 200 Jahren in Weimar starb. Eine besondere Form hat man im Hamburger Ernst-Barlach-Haus gefunden. In dem Museum unweit der Elbchaussee sind Grafiken des Bildhauers und Grafikers Ernst Barlach zu sehen, die dieser zu einem der bekanntesten Werke Friedrich Schillers schuf, der Hymne "An die Freude".

Das Gedicht entstand im Herbst 1785, während Schiller sich in Sachsen aufhielt. Nach vielen vorausgegangenen Schwierigkeiten fand der junge Dichter dort endlich Ruhe und auch Menschen, die ihn verstanden und förderten. Befreit von äußeren und inneren Nöten schrieb er die enthusiastischen Verse über die Freude und die Freundschaft. Während das Publikum von diesen Versen begeistert war, verwarf Schiller sie später und nahm einige Änderungen vor. Schon zu Lebzeiten des Dichters fühlten sich Komponisten angeregt, die Verse zu vertonen. Allein Ludwig van Beethoven hat mit seiner Neunten Sinfonie und dem Chor "Freude, schöner Götterfunken" sozusagen den Vogel abgeschossen. Seine Komposition aus dem Jahr 1824 stellte alles bisher Dagewesene in den Schatten. Bis heute wecken diese Töne Emotionen, bis heute erklingt das Lied "An die Freude", ab 1972 Hymne des Europarates und seit 1985 Hymne der Europäischen Union. Walter Muschg sprach von einem "Gesang, in dem die Seele eines ganzen Zeitalters weiterlebt" und verglich ihn mit der Marseillaise.

Ernst Barlach war ein begeisterter Verehrer der Musik Ludwig van Beethovens. So beteiligte er sich 1926 an einem Wettbewerb, den der Berliner Magistrat für ein Beethoven-Denkmal ausgeschrieben hatte. Er schuf ein 13 Meter hohes Modell des von ihm entworfenen Denkmals, an dem vor allem die Sockelfiguren erwähnenswert sind. Sie gestaltete der Künstler später zu einem seiner berühmtesten Werke, zum "Fries der Lauschenden" um. Das Denkmalprojekt wurde nie verwirklicht.

Die in Hamburg ausgestellten Grafiken sind neun Holzschnitte aus dem Zyklus "An die Freude", der 1924 / 25 entstand und der 1927 im Verlag Paul Cassirer Berlin als Buch erschien. Aus der Anzeige des Verlags geht hervor, daß sich die Illustrationen nicht nur auf Schillers Gedicht, sondern auch auf Beethovens Komposition beziehen. So nimmt Barlach mit der Anzahl der neun Holzschnitte indirekt Bezug auf Beethovens Sinfonien. Jede der acht Strophen steht in Verbindung mit einem Holzschnitt. Zusätzlich hat Barlach noch das Blatt "Freude, schöner Götterfunken" geschaffen, das er an den Anfang stellt. Es zeigt einen Mann, der der Welt mit ausgestreckten Armen einen Pokal entgegenhält. Zu sehen sind in der Hamburger Ausstellung, die in Zusammenarbeit mit der Ernst Barlach Stiftung Güstrow entstand, neben den Holzschnitten auch die Vorzeichnungen, die Barlach schuf und die einen Eindruck von der Arbeitsweise des Künstlers geben. Außerdem werden die fertigen Mappen präsentiert wie auch originale Druckstöcke und Probeabzüge.

Noch heute beeindrucken die expressionistischen Holzschnitte, die zu den herausragenden Beispielen der Druckgraphik des 20. Jahrhunderts gehören. Wer mehr über Ernst Barlach und sein Leben erfahren will, dem sei das Buch "Auf den Spuren von Ernst Barlach" aus dem Verlag Ellert & Richter ans Herz gelegt (96 Seiten mit 88 Abb., gebunden, 14,95 Euro; zu beziehen über den PMD). Der aus dem ostpreußischen Seeburg stammende Autor Wolfgang Tarnowski und der Fotograf Toma Babovic nehmen die Leser mit auf eine anregende Kulturreise durch Norddeutschland.

Die Ausstellung im Ernst-Barlach-Haus, Baron-Voght-Straße 50 a, ist noch bis zum 27. November dienstags bis sonntags von 11 bis 18 Uhr zu sehen.

Barlach: Freude, schöner Götterfunken. Dieses Blatt bildet den Auftakt zu dem Illustrationszyklus


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