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19.11.05 / Zu viel des Guten / Jerusalem weist Berlins Angebot einer Städtepartnerschaft wegen der Statusfrage ab

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. November 2005

Zu viel des Guten
Jerusalem weist Berlins Angebot einer Städtepartnerschaft wegen der Statusfrage ab
von Annegret Kühnel

Am 19. November reist Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit in den Nahen Osten. Er wird Jerusalem und das palästinensische Ramallah besuchen. Die Reise steht unter keinem guten Stern. Bis kurz vor Reiseantritt war noch völlig unklar, ob es zu einem Treffen mit dem Bürgermeister von Jerusalem überhaupt kommen würde. Von israelischer Seite hatte es geheißen, die Anfrage aus der Berliner Senatskanzlei sei zu spät eingetroffen.

Peinlich, peinlich. Denn welches politische Gewicht besäße Wowereits Reise ohne ein Treffen mit dem Amtskollegen? Generell steht der Nutzen seiner Ausflüge in die weite Welt in Frage. Wowereit sprach beschwichtigend von "Irritationen" und davon, daß die Israelis etwas "mißinterpretiert" hätten. Kurz vor Toresschluß wurde doch noch ein Treffen für den kommenden Montag vereinbart.

Hintergrund dieser Merkwürdigkeiten ist eine gutgemeinte Resolution, die am 12. Mai 2005 von allen fünf Fraktionen des Berliner Landesparlaments verabschiedet wurde.

Aus Anlaß des 40. Jahrestags der Aufnahme diplomatischer Beziehungen zwischen Deutschland und Israel hatten die Abgeordneten mit viel Pathos eine Städtepartnerschaft mit Jerusalem vorgeschlagen, um die freundschaftlichen Beziehungen zwischen Deutschland und Israel zu vertiefen. Allerdings müsse dazu erst eine "endgültige Klärung der offenen Statusfragen Jerusalems" erfolgen.

Soviel Herzblut war in die Resolution investiert worden, daß niemand die Frage nach ihren politischen Folgen stellte. Und so führte der versammelte Unverstand der Berliner Provinzpolitiker zum mittleren Eklat. Erstens hatten sie es versäumt, diskret zu sondieren, ob der Vorschlag bei dem Partner in spe überhaupt auf Gegenliebe stößt. Zweitens hatte niemand daran gedacht, daß der Beschluß in ein politisches Wespennest stechen würde. Denn Israel definiert Jerusalem seit 1980 per Gesetz als seine "ewige und unteilbare Hauptstadt", eine Formel, die im September 2005 von Ministerpräsident Ariel Scharon vor der Uno-Vollversammlung ausdrücklich wiederholt wurde. Außerhalb Israels wird jedoch die Besetzung des arabischen Ostteils von Jerusalem nicht anerkannt, die Palästinenser wollen dort sogar ihre eigene Hauptstadt errichten.

Gerade in Berlin sollte man wissen, wie wichtig und sensibel solche Statusfragen sind. Jahrzehntelang wurde zwischen dem Berliner Senat und der Bundesregierung auf der einen und Ost-Berlin und Moskau auf der anderen Seite darüber gestritten, ob zwischen der Bundesrepublik und West-Berlin tatsächlich "Bindungen" bestehen, also ein naturrechtlicher, unhinterfragbarer Zusam-menhang, oder nur "Verbindungen", das heißt Kontakte zwischen unterschiedlichen völkerrechtlichen Subjekten. Der Osten verband mit seiner Version die Hoffnung, die "Verbindungen" allmählich lockern zu können, auf daß ihm eines Tages die allein nicht lebensfähige Teilstadt wie eine reife Frucht in den Schoß fallen möge, während umgekehrt der Westen, um diese Entwicklung zu verhindern, auf den "Bindungen" beharrte.

Doch das vielbeschworene Lernen aus der eigenen Geschichte bedeutet in Berlin wie im übrigen Land offenbar weniger einen politisch-geistigen Zugewinn, sondern eine schuld- und schamgesteuerte Moralpolitik und -rhetorik, die man im Ausland meistens für nützlich, wenn auch - hinter vorgehaltener Hand - für idiotisch hält. Diesmal aber wirkte sie sich sichtbar schädlich aus, die Antwort aus Israel ließ nicht lange auf sich warten. Seit 2003 amtiert mit Uri Lupotianski ein orthodoxer Jude als Bürgermeister von Jerusalem. Er erklärte schroff, man habe keine Anerkennung des eigenen Status aus dem Ausland nötig, und schon gar nicht aus Berlin.

Außerdem sei das 3000jährige Jerusalem als Zentrum dreier Weltreligionen einzigartig und gehe deshalb aus Prinzip keine Partnerschaften mit anderen Kommunen ein. Keine Stadt der Welt könne mit der Heiligkeit Jerusalems konkurrieren.

Ob man diese Worte in Berlin, wo man sich wegen der Unvergleichlichkeit der eigenen Ge-schichte wenn nicht als einzigartig, so zumindest doch als weltweites Beispiel des gelebten Sühnegedankens begreift, richtig einschätzt? Klaus Wowereit hatte in der Adventszeit 2004 einen fünf Meter hohen Chanukka-Leuchter vor dem Brandenburger Tor entzündet. Um den jetzt angerichteten Schaden zu reparieren, müßte der diesjährige Leuchter wenigstens doppelt so groß sein.

Berlins Regierender Bürgermeister Klaus Wowereit auf Versöhnungskurs: 2004 ein Chanukka-Leuchter vorm Brandenburger Tor, 2005 war eine Städtepartnerschaft mit Jerusalem geplant.


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