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19.11.05 / Gedanken zur Zeit: / "Deutsch ist doch eine Sprache Europas"

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. November 2005

Gedanken zur Zeit:
"Deutsch ist doch eine Sprache Europas"
von Wilfried Böhm

Die Verleihung des Jacob-Grimm-Preises Deutsche Sprache in Kassel hat wieder einmal die Aufmerksamkeit auf ein in Deutschland sträflich vernachlässigtes Thema gelenkt: den Zustand und die Bedeutung der Sprache für den Selbstbehauptungswillen von Völkern und menschlichen Gesellschaften, für ihr Zusammenleben sowie ihre Selbstdarstellung nach innen und außen.

Der ehemalige Chefkorrespondent Fernsehen beim Bayerischen Rundfunk Dr. Franz Stark hat unter der Überschrift "Sprache - sanftes Machtinstrument in der globalen Konkurrenz" acht Thesen zur Sprachpolitik vorgelegt, die im Interesse der deutschen Zukunft größte Beachtung verdienen. Stark weist darauf hin, daß zwar "die Kritik an der Überschwemmung der deutschen Alltagssprache mit unnötigen Anglizismen wächst", aber "ihr stetiger Bedeutungsverlust als Fremdsprache in Europa und die daraus entstehenden politischen und wirtschaftlichsozialen Nachteile immer noch zu wenig wahrgenommen werden."

Dem ist in vollem Umfang zuzustimmen. Der auch unter dem Gesichtspunkt der Sprache verhängnisvolle deutsche Föderalismus mit der Kulturhoheit der Länder hat dazu geführt, daß auf der Ebene des Gesamtstaats niemand für das Kulturgut deutsche Sprache zuständig und damit verantwortlich ist. Unglücklicherweise wird nach allem, was man aus den Koalitionsverhandlungen hört, dieser mißliche Zustand künftig nicht abgebaut, sondern diese Kulturhoheit der Länder auch noch gestärkt werden. Das soll angeblich zur Steigerung eines "Wettbewerbs unter den Ländern" erfolgen, der erfahrungsgemäß noch immer auf dem Rücken von Kindern und Eltern ausgetragen worden ist.

Auf diesem Hintergrund ist eine zielstrebige Sprachenpolitik, wie sie von den USA und Großbritannien, von Frankreich und auch Spanien betrieben wird, nicht möglich. Eher zurückhaltend mühen sich sogenannte deutsche Mittlerorganisationen um die Förderung der deutschen Sprache, aber ihre Aktivitäten sind eher "europäisch" als bewußt deutsch angelegt, sie decken bestenfalls Bedarf, aber sie wecken ihn nicht, vor allem dann nicht, wenn sie Vorträge und Schriften in englischer Sprache anbieten. Eine "Medienaußenpolitik" gibt es nicht. Die Deutsche Welle bringt im Wechsel deutsch- und fremdsprachige Programme, auch ihr Auslandsfernsehen. Das macht weltweit kein anderes Auslandsfernsehen.

Andere Länder hingegen nutzen konsequent ihre Sprache als Instrument politisch-ökonomischer Ziele. Stark zitiert den britischen Linguisten Ronald Wardhaugh: "Sprache ist ein Instrument der Politik ... Sprachen werden als Waffe von erheblichem Gewicht im weltweiten Konkurrenzkampf um das Denken und um Macht benützt." Der dänische Soziolinguist Robert Philippson bescheinigte den angelsächsischen Politikern und Eliten ganz und gar einen "sprachlichen Imperialismus".

Schon in den 30er Jahren des vorigen Jahrhunderts wußte das British Council als britisches Instrument weltweiter Kulturvermittlung und -propagierung, daß man in früheren Jahrhunderten die Welt mittels der Flotte, aber nunmehr nur noch mit der Sprache beherrschen könne. Kein Wunder, daß beim Zusammenbruch der kommunistischen Systeme in Mittel- und Osteuropa der damalige britische Außenminister Douglas Hurd das Ziel verkündete, Englisch jetzt auch im östlichen Europa, der letzten Region, wo es weltweit noch nicht dominierte, zur Fremdsprache Nr. 1 zu machen.

Die Briten ideologisierten ihre Sprache als Ausdruck liberaler Demokratie, setzten ihre Sprache durch und verhinderten das, was jedermann erwartete hatte, nämlich daß Deutsch in diesem Teil der Welt seine Rolle als erste "westliche" Fremdsprache bewahren und ausbauen konnte. Deutsche Wirtschaftsvertreter leisteten den Briten dabei wertvolle Hilfe: Als eine deutsche Wirtschaftsdelegation in den frühen 90er Jahren in Kiew auf Deutsch begrüßt wurde, antworteten ihre Sprecher zur Verwunderung der Ukrainer auf Englisch.

In den frühen 90er Jahren lieferten die meisten Politiker im früheren kommunistischen Machtbereich Europas ihre Diskussionsbeiträge in Deutsch.

So verweist Stark darauf, daß 1992 der damalige polnische Ministerpräsident Masowiecki in Brüssel bei einer gemeinsamen Pressekonferenz mit dem EG-Präsidenten Delors seine Ausführungen wie selbstverständlich auf Deutsch begann. Er wurde aber von Delors sofort unterbrochen und aufgefordert Polnisch zu sprechen. Der Pole zeigte sich verblüfft und sagte: "Aber Deutsch ist doch eine Sprache Europas ...", um dann, wie gewünscht, auf Polnisch fortzufahren.

In der Europäischen Gemeinschaft (heute Europäische Union) verlor die deutsche Sprache mehr oder weniger durch eigene Schuld ihre Rolle als Arbeitssprache, die es neben Französisch bis zum britischen Beitritt selbstverständlich gehabt hatte. Stark verweist darauf, daß "Deutsch nicht etwa von der Kommission abgeschafft worden wäre, sondern es waren die deutschen EG-Beamten selbst, die von sich und ohne Not auf Deutsch verzichteten und fortan nur noch Französisch und Englisch verwendeten."

Sie taten das alles, um ja nicht in den Geruch eines D-Mark-Imperialismus zu geraten, den Frankreich immer wieder geschickt ins Spiel brachte. Auf dem "Altar Europa" wurden milliardenschwere deutsche Nettozahlungen geopfert, während nicht der geringste Versuch unternommen wurde, gerechtere Sprachenlösungen auszuhandeln, gleichgültig welche Koalitionen in Bonn oder Berlin regierten.

Es wird höchste Zeit für eine bewußte deutsche Sprachpolitik. Zu spät ist es trotz aller Versäumnisse dafür noch nicht.

Die eigene Sprache ermöglicht nun einmal präzise Ausdrucksmöglichkeiten und schafft psychologische Überlegenheiten für den, der seine Muttersprache benutzen kann. Solche Überlegenheiten lassen auch die vertretenen Sachpositionen als überlegen erscheinen und schaffen Vorteile. Darauf ohne Not zu verzichten ist nicht Weltoffenheit und Großzügigkeit, sondern Dummheit, zu mindestens in den Augen derjenigen, die daraus knallhart ihre Vorteile ziehen.

Kulturhoheit der Länder wird gestärkt Zielgerichtete Sprachpolitik ist kaum machbar


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