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19.11.05 / Beim Sterben die Hand halten / Ein Gespräch mit ehrenamtlichen Helferinnen einer Hospizgruppe

© Preußische Allgemeine Zeitung / 19. November 2005

Beim Sterben die Hand halten
Ein Gespräch mit ehrenamtlichen Helferinnen einer Hospizgruppe
von Silke Osman

Früher war alles besser, selbst das Sterben", hat ein besonders zynischer Zeitgenosse einmal behauptet. Sieht man einmal davon ab, daß "früher" doch nicht alles besser war, sondern vieles nur durch die Erinnerung vergoldet wird, so ist diese ketzerische Behauptung so ganz nicht von der Hand zu weisen. Früher starb der alte Mensch meist im Kreise seiner Familie, im eigenen Bett. Bis zur letzten Stunde fühlte er sich aufgehoben in einer vertrauten Umgebung, umsorgt und in Würde konnte er Abschied nehmen. Die moderne Medizin, aber auch die gesellschaftlichen Strukturen, die eine Großfamilie gar nicht vorsehen, haben diese Möglichkeiten erheblich eingeschränkt. Der alte, gebrechliche Mensch lebt meist in einem Alten- und Pflegeheim. Der schwerstkranke Mensch wird an Apparate angeschlossen, die ihm ein würdevolles Sterben kaum erlauben. Gerade in jüngster Zeit ist die Diskussion um aktive und passive Sterbehilfe wieder neu entbrannt. Sollte es erlaubt sein, einem hoffnungslos kranken Menschen, der unter unvorstellbaren Schmerzen leidet, die Möglichkeiten geben, seinem Leben selbst ein Ende zu bereiten? An dieser Frage scheiden sich die Geister. Menschen, die immer wieder mit Sterbenden zu tun haben, sagen nein zur Sterbehilfe, Menschen wie Ilse Armonat, Erste Vorsitzende der Hospiz-Gruppe Stade e.V., und ihre Stellvertreterin Hiltrud Müller wie auch Hanna Beyer, die von einer alten Dame erzählt, die sie mit den Worten begrüßte: "So, Sie werden mir beim Sterben helfen." Hanna Beyer wußte schon, was die Sterbende damit meinte, ging aber nicht auf die Forderung ein, sondern war da, wenn die alte Dame sie brauchte, hörte zu und ging auf deren Wünsche ein. Von Hilfe beim Sterben war nie mehr die Rede gewesen. Und doch hat Hanna Beyer dieser Sterbenden beigestanden, hat geholfen, den oft schweren Weg zum Ende zu gehen. Und sie zitiert den Satz: "Statt durch die Hand eines Menschen zu sterben, ist es besser, an der Hand eines Menschen zu sterben."

Es ist ein schwerer und manchmal langer Weg zum Tod, den auch die Angehörigen zu gehen haben. In dem Gespräch, das die Preußische Allgemeine Zeitung / Das Ostpreußenblatt mit den drei Helferinnen der Stader Hospizgruppe führte, betonte Hiltrud Müller, daß auch die Angehörigen auf Wunsch von ihnen betreut werden. "Vieles muß geregelt werden, wir helfen ihnen dabei, weisen Wege. Ganz wichtig für die Angehörigen ist es auch zu wissen, was möchte der Sterbende eigentlich, wo und wie möchte er zum Beispiel bestattet werden."

Wie kommt man nun in Kontakt mit einer Hospizgruppe in der näheren Umgebung? Meist wissen die Hausärzte Bescheid, aber auch Krankenhäuser und Pflegedienste können oft Auskunft geben. So gibt es allein in Niedersachsen etwa 150 ambulante Hospizgruppen, von denen alle ehrenamtlich arbeiten. Mit ihren 30 aktiven Sterbebegleitern im Alter von 45 bis 70 Jahren, darunter vier Männer, betreut die Stader Gruppe im Jahr etwa 40 bis 45 Fälle, davon sind rund 25 häusliche Begleitungen, die anderen im Krankenhaus und im Altenheim. Vieles läßt sich mit den Angehörigen auch in einem Telefonat klären. "Oft sagen sie am Schluß: Jetzt geht's mir schon viel, viel besser", weiß Ilse Armonat zu erzählen.

Wenn bei ihr das Telefon klingelt, dann weiß sie anfangs nicht, was auf sie und ihre Helferinnen zukommt. Zunächst muß man sich einstimmen auf den Fall, vielfach auch versuchen ein Netzwerk aufzubauen, in dem Freunde, Verwandte, Nachbarn bei der Bewältigung des beschwerlichen Alltags der Kranken zu helfen. Neben technischen und organisatorischen Hilfen ist es vor allem der seelische Beistand, den die Mitarbeiter der Hospizgruppen leisten können. Ilse Armonat spricht vom "Leben im Sterben". "Das Zuhören-Können, das ,Da- Sein' ist wichtig, oft auch noch Wochen nach dem Tod des Angehörigen. Freunde oder Nachbarn wollen vom Sterben dann meist nichts mehr hören." Hiltrud Müller ergänzt: "Das ist das Aushalten-Können ..." Die Mitarbeiter einer Hospizguppe werden schließlich für diese Anforderungen eingehend geschult und in Seminaren weitergebildet. Und selbst, wie halten sie selbst diesen Druck aus? Ilse Armonat: "Eine Psychologin und ein Pastor, der speziell dafür ausgebildet ist, sind einmal im Monat für uns in einer sogenannten Supervision da. Da kann man sich ganz öffnen, ohne Angst zu haben, daß etwas nach draußen dringt."

Das Ehrenamt als aktiver Sterbebegleiter verlangt oftmals einen großen Zeitaufwand. Wenn anfangs ein bis zwei Stunden ausreichen, ist es, wenn es zum Ende geht, auch schon einmal eine ganze Nacht, die man im Haus des Sterbenden verbringt. Ilse Armonat: "In dem Moment, wo man eine Begleitung übernimmt, dann muß für die eigene Familie und den Freundeskreis klar sein, daß die eine oder andere Verabredung abgesagt werden muß."

Den Menschen die Angst zu nehmen, die Angst vorm Sterben, auch darin sehen die Sterbebegleiterinnen ihre Aufgabe. "Wir machen ja eigentlich nicht viel, aber wir sind konzentriert da", so Hildtrud Müller. Eine besondere Aufgabe sehen sie auch darin, Kindern zu helfen, ihre Trauer zu verarbeiten. Dazu haben sie das Projekt "HerzLicht" ins Leben gerufen, bei dem Kinder in der Gruppe ihre Trauer in Begleitung einer Psychologin ausleben können, wieder lachen und toben dürfen. Ein hoffnungsvolles Zeichen in einer immer unmenschlicher werdenden Welt.

Bieten Hilfe für den Nächsten: Die ehrenamtlichen Hospizhelferinnen Ilse Armonat, Hiltrud Müller und Hanna Beyer (von links) am Zweig der Erinnerung, an dem Täfelchen an besondere Ereignisse während der Pflege gemahnen

Nähe im Sterben: Eine hilfreiche Hand erleichtert den Gang auf dem letzten Weg.

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