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26.11.05 / Spiegel-Fechtereien / Das links-alternative Leitmedium verabschiedet sich von den 68ern

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Spiegel-Fechtereien
Das links-alternative Leitmedium verabschiedet sich von den 68ern

Als einst Konrad Adenauer in den "Spiegel" blickte, wähnte er sich an einem "Abgrund von Landesverrat". Sein (Selbst-)Verteidigungsminister Strauß wußte, was in solchen Fällen zu tun ist, tat gleich einiges mehr und löste die "Spiegel"-Affäre aus. So entstand die Lieblingslegende der deutschen Linken, das Märchen von den bösen rechten Politikern und den wackeren linken Vorkämpfern für Recht und Freiheit; "Spiegel"-Chef Rudolf Augstein war bis ans Ende seiner Tage zum Helden entrückt.

Sein Blatt war jahrzehntelang das Leitmedium der deutschen Presse. An Wochenenden waren Nachrichten nur sendenswert, wenn sie mit der Floskel begannen: "Wie ,Der Spiegel' berichtet ..."

Die 68er-Bewegung wurde von Augsteins "Spiegel" förmlich herbeigeschrieben und fortan auf ihrem "Marsch durch die Institutionen" wohlwollend begleitet. Wobei es geradezu ein Treppenwitz der jüngeren Mediengeschichte ist, daß zu den Institutionen im Visier dieser neuen Linken an vorderster Stelle die Redaktionsstuben zählten - auch die an Hamburgs Brandstwiete, Deutschlands elitärster Medienadresse.

Der Aufstieg der Grünen von der umwelt- und friedensbewegten Protestgemeinschaft zur Regierungspartei, Alternativen-karrieren vom Molotowcocktail zum Diplomatencocktail, vom Turnschuh-Habitus zum Nadelstreifen - ohne Augsteins "Spiegel" kaum vorstellbar. Allerdings wären auch Skandale wie jener um die Neue Heimat - als skrupellose Gewerkschaftsfunktionäre die Gelder der Mitglieder in Millionenhöhe veruntreuten und die Arbeitnehmervertretung wie eine kriminelle Vereinigung handhabten - auch dieser Skandal wäre ohne den "Spiegel" vielleicht nie aufgeklärt worden. Bei aller Linkslastigkeit des Magazins - waren Augsteins Mannen erst einmal auf Kritikwürdiges gestoßen, kritisierten sie es ohne Rücksicht. Dies und die unbestreitbar hohe journalistisch-handwerkliche Qualität unterschied dieses Blatt immer von manch anderen linken Schreihälsen.

Aufmerksamen Beobachtern war schon vor Jahresfrist aufgefallen, daß Der "Spiegel" sich nicht mehr so links gab, wie man das bislang gewohnt war. Dies zeigte sich zum Beispiel im Umgang mit bislang gehätschelten Vorzeige-Grünen wie Joschka Fischer oder Jürgen Trittin. Auch zum Medienkanzler Gerhard Schröder wurde das Verhältnis immer distanzierter. Staunend stieß man im "Spiegel" auf sauber recherchierte Beiträge zu Themen, die früher ausgeblendet blieben. Begriffe wie Patriotismus wurden ohne Hähme aufgegriffen, zeitgeschichtliche Themen wie die Vertreibung der Deutschen aus dem Osten ungewohnt sachlich dargestellt. Offenbar hat die seit elf Jahren von Stefan Aust geführte "Spiegel"-Redaktion früher als andere bemerkt, daß die große Zeit der 68er abgelaufen ist.

Begleitet wurde der Abschied von '68 nun von einem Paukenschlag. Augstein-Tochter Franziska, als Miteigentümerin gemeinsam mit ihrem Bruder Jakob in machtloser Minderheitsposition, wütete öffentlich gegen den noch von ihrem Vater installierten Chefredakteur: Das einstige "Sturmgeschütz der Demokratie" (O-Ton Rudolf Augstein) sei zu einem "geschwätzigen Blatt unter anderen" verkommen und habe seine Stellung als Leitmedium verloren.

Stimmt : Als "Leithammel" einer linken Medienmafia hat "Der Spiegel" ausgedient. Dafür ist er um einiges seriöser, vielseitiger, auch für Nicht-Linke lesbarer.

Helmut Kohl, der sich selbst als politischer Enkel Adenauers sah, hatte - zu Recht - während seiner gesamten Amtszeit dem "Spiegel" ein Interview verweigert. "Urenkelin" Angela Merkel dürfte da keine Berührungsängste mehr haben. M. S.


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