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26.11.05 / Kosmos eines Bildhauers / Große Retrospektive zeigt Werke des Pommern Bernhard Heiliger im Berliner Martin-Gropius-Bau

© Preußische Allgemeine Zeitung / 26. November 2005

Kosmos eines Bildhauers
Große Retrospektive zeigt Werke des Pommern Bernhard Heiliger im Berliner Martin-Gropius-Bau
von Silke Osman

Eine Plastik müsse "das Heute ausdrücken", ihre Rolle sei nicht Dekoration, sondern "die Vertiefung und Verdeutlichung eines Lebensgefühls", sagte der Bildhauer Bernhard Heiliger 1975 einmal in einem Interview. In vielen seiner Arbeiten findet man bei genauem Hinsehen denn auch Hinweise auf das Lebensgefühl, das seinerzeit in der noch jungen Bundesrepublik Deutschland herrschte. Aufbruch war angesagt, wirtschaftlicher Aufschwung wie auch die Hinwendung des Menschen zur Technik. So tragen Plastiken Heiligers Titel wie "Kosmos 70" oder "Die Flamme", letztere war ursprünglich dem Berliner Bürgermeister Ernst Reuter gewidmet und wurde 1963 auf dem Ernst-Reuter-Platz aufgestellt. Daß man zwei Jahre nach dem Mauerbau die "Flamme" auf die politische Situation der Stadt bezog, lag nahe.

"Kosmos 70" hatte Heiliger für das Foyer des von Paul Baumgarten aus Tilsit umgebauten Reichstagsgebäudes geschaffen. Das Werk, das in Teilen an Orgelpfeifen oder blitzende Teile einer Karosserie erinnert, wird als eine Hommage an die eigene Epoche gesehen, an ein Zeitalter der modernen Technik und der Raumfahrt. Es hing von 1970 bis 1994 im Westfoyer des Berliner Reichstags, wurde im Zuge des neuerlichen Umbaus abgehängt und eingelagert. Trotz anfänglicher Zusicherungen an Bernhard Heiliger, das Werk in das neue Konzept Sir Norman Fosters mit einzubeziehen, gelangte "Kosmos 70" nie wieder an seinen ursprünglichen Ort zurück. Heute steht die Plastik im Mittelpunkt einer großen Retrospektive, die die Berliner Bernhard-Heiliger-Stiftung im Martin-Gropius-Bau aus Anlaß des 90. Geburtstag des Künstlers zeigt. Sie schwebt im historischen Lichthof des ehrwürdigen Baus über dem 1958 entstandenen "Figurenbaum" und der 1973 geschaffenen Bronze "Montana I". Beide Arbeiten Heiligers sind eng mit der Geschichte der Bundesrepublik Deutschland verbunden: Der Figurenbaum, ein drei Meter hoher Aluminiumguß, stand vor dem deutschen Pavillon auf der Weltausstellung in Brüssel und später vor der Berliner Kongreßhalle. 1964 wurde er vor den neu erbauten Bonner Kanzlerbungalow versetzt. "Montana I", eine Plastik, die an einen Vogel mit weit ausgebreiteten Schwingen erinnert, fand im Park der Villa Hammerschmidt, dem Sitz des Bundespräsidenten, Aufstellung.

Die Ausstellung gibt mit den Skulpturen, Reliefs und Zeichnungen aus 50 Schaffensjahren einen umfassenden Überblick über das Werk des Bildhauers Heiliger, der als einer der wichtigsten Vertreter der Kunst im Nachkriegsdeutschland gilt. Der am 11. November 1915 in Stettin geborene Heiliger besuchte die Barnim-Mittelschule in seiner Vaterstadt und machte eine Steinmetzlehre, bis er an der Stettiner Kunstgewerbeschule Aufnahme fand. Dort studierte er sieben Semester bei Kurt Schwerdtfeger. Später sollte er über diese Zeit urteilen: "Das bißchen Kunstgewerbeschule in meiner Heimatstadt, die sehr modern war, sehr aufgeschlossen, das war noch das Beste, was ich erfahren habe." Seine Plastik "Garbenbinderin" wurde 1937 vom städtischen Museum angekauft und 1938 in der Ausstellung "Neuerwerbungen" präsentiert. In Berlin studierte Heiliger von 1938 bis 1941 an der Vereinigten Staatsschule für Freie und Angewandte Kunst als Schüler von Arno Breker. Der setzte sich für seinen begabten Schüler ein und verschaffte ihm ein Stipendium. So konnte Heiliger sich voll auf seine Arbeit konzentrieren und wurde im Semester 1938/39 mit der Schüler-Medaille der Kunstschule ausgezeichnet. Zwei seiner Porträts wurden im Herbst 1938 auf der 29. Ausstellung des Pommerschen Künstlerbundes im Stettiner Museum an der Hakenterrasse gezeigt. 1939 führte ihn eine Studienreise nach Paris, wo er unter anderem Aristide Maillol begegnete.

Im Zweiten Weltkrieg wurde Heiliger zur Wehrmacht eingezogen und kam an die Ostfront. Durch die Fürsprache Brekers wurde er jedoch alsbald beurlaubt und konnte in den Bildhauerwerkstätten Arno Breker GmbH in Wriezen arbeiten. Seiner Einberufung in den Volkssturm entzog er sich durch Flucht, die ihn bis nach Bremen brachte. Heiliger kehrte bei Kriegsende nach Berlin zurück. Schon 1946 wurde er als Lehrer an die neu gegündete Hochschule für angewandte Kunst in Berlin-Weißensee berufen. Dort lehrten bedeutende Künstler wie der Keramiker Bontjes van Beek und die Grafikerin Eva Schwimmer aus dem ostpreußischen Kreis Fischhausen, mit denen Heiliger auch später den Kontakt pflegte. 1949 holte ihn Karl Hofer an das West-Berliner Pendant in Charlottenburg. Dort, an der Hochschule für bildende Künste, lehrte Bernhard Heiliger bis 1986. Der Pommer, der 1975 mit der Verleihung des Lovis-Corinth-Preises geehrt wurde, starb am 25. Oktober 1995 in Berlin.

Die Ausstellung ermöglicht nun einen Blick auf die verschiedenen Phasen seines Schaffens. So vollzog sich die Entwicklung von figurativer Plastik in den 50er Jahren hin zu abstrakten Arbeiten in den 60er Jahren. Es schloß sich eine Phase des Experimentierens an, die schließlich zu geometrischen Eisenskulpturen in den 80er und 90er Jahren führte. Immer aber sind die Werke geprägt von ungeheurer Dynamik und der ungebrochenen Kraft des Künstlers.

Die Ausstellung im Martin-Gropius-Bau, Niederkirchnerstraße 7, 10963 Berlin, ist bis zum 15. Januar 2006 geöffnet, täglich 10 bis 20 Uhr, dienstags geschlossen, Eintritt 5/3 Euro, Führungen sonnabends 16 Uhr, sonntags 14 Uhr. Im Anschluß ist ein Großteil der Exponate vom 1. Februar bis 2. Juli 2006 im Museum Würth in Künzelsau zu sehen.

Kosmos 70 nannte der Bildhauer Bernhard Heiliger seine Plastik aus Aluminium: Unsere Abbildung zeigt eine Fotomontage, die Hängung im Lichthof des Martin-Gropius-Baus vorstellend. Die große Hängeskulptur Kosmos 70 war von 1970 bis 1994 im Foyer des Berliner Reichstages installiert. Bernhard Heiliger schuf sie in enger Zusammenarbeit mit dem Architekten Paul Baumgarten aus Tilsit, der für den Reichstagsausbau verantwortlich war. Seit dem Umbau durch Sir Norman Foster war das Werk eingelagert.


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