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03.12.05 / Ohne Statusklärung keine Zukunft / Uno-Verwaltung im Kosovo versucht, zwischen Serben und Albanern zu vermitteln

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Ohne Statusklärung keine Zukunft
Uno-Verwaltung im Kosovo versucht, zwischen Serben und Albanern zu vermitteln
von R. G. Kerschhofer

Seit kurzem gibt es einen neuerlichen Anlauf zur Lösung der Kosovo-Frage. Am 21. November trafen in Prishtina der zum UN-Chefvermittler bestellte ehemalige finnische Staatspräsident Martti Ahtisaari (auch bekannt als einer der "drei Weisen" zur Aufhebung der Österreich-Sanktionen) und dessen Stellvertreter, der pensionierte österreichische Spitzendiplomat Albert Rohan (daheim wegen seiner protürkischen Haltung alles andere als populär) mit den politischen Führern der Kosovo-Albaner zu ersten Gesprächen zusammen. Ahtisaari und Rohan, die anschließend nach Belgrad reisten, werden in der ersten Runde auch die Nachbarn Albanien, Makedonien und Montenegro besuchen.

Daß es überhaupt Bewegung gibt, ist dem Dänen Søren Jessen-Petersen zu verdanken, der voriges Jahr zum Leiter der UNMIK, der Uno-Verwaltung im Kosovo, bestellt wurde. Die einst von Javier Solana ausgegebene Devise "Standard vor Status" war zwar von den gescheiterten UNMIK-Chefs Michael Steiner und Harri Holkeri nachgebetet worden, aber der Däne, der bereits Erfahrungen aus Bosnien und Makedonien mitbrachte, erkannte schnell, daß man auf dem Holzweg war: Die katastrophale Wirtschaftslage und die exorbitante Arbeitslosigkeit sind eben primär auf den ungeklärten völkerrechtlichen Status des Kosovo zurückzuführen - bekanntlich ist niemand bereit, in ein Haus mit ungeklärten Eigentumsverhältnissen zu investieren.

Wie sehen heute die Positionen aus? Die abgegebenen Stellungnahmen lassen darauf schließen, daß man allerseits "die normative Kraft des Faktischen" ignorieren will. Den unmittelbaren Streitparteien, den Serben und Albanern, mag man dabei noch Taktik zubilligen. Aber bei der Uno, der EU und der "Balkan-Kontaktgruppe" bestehend aus den USA, Rußland, Deutschland, Frankreich und Großbritannien? Da gibt es offensichtlich Interessen, die mit der Bevölkerung des Kosovo rein gar nichts zu tun haben.

Die Serben betrachten Kosovo als "integralen Bestandteil Serbiens". Für die Albaner - vertreten in erster Linie durch Premierminister Bajram Kosumi, denn Staatspräsident Ibrahim Rugova ist durch seine Krebserkrankung gezeichnet - ist Kosovo bereits "so gut wie unabhängig". "Faktisch" ist aber, daß Belgrad in den Gebieten von der geteilten Stadt Mitrovica bis hin zur serbischen Grenze sowie in den serbischen Enklaven das Sagen hat, die Regierung in Prishtina hingegen nur in den albanischen Gebieten. Zwischen den Fronten sind die Truppen der Kfor bemüht, Gewaltausbrüche zu verhindern. Wenn das nicht "faktisch" schon die Teilung ist! Die Albaner würden sich wohl mit einer auf albanisches Gebiet beschränkten Unabhängigkeit abfinden. Aber "die Welt" erlaubt weder Unabhängigkeit noch Teilung, denn Grenzen sind "unverletzlich". Sofern sie von Tito, von Stalin oder von Kolonialmächten gezogen wurden, müßte man hinzufügen.

Immerhin ist die serbische Position nicht ganz einheitlich: Der serbische Präsident Boris Tadic hatte erst Mitte November bei einer Audienz bei Wladimir Putin vorgeschlagen, im Kosovo zwei Entitäten zu schaffen - ähnlich wie in Bosnien. Aber abgesehen davon, daß eine solche Konstruktion auch in Bosnien lähmend wirkt, lehnen die serbischen Nationalisten um Ministerpräsident Vojislav Kostunica die Idee vehement ab, weil sie darin den ersten Schritt zur Teilung sehen. Sie wollen höchstens eine "Autonomie" gewähren - doch wie soll die mit zwei tödlich verfeindeten Nationalitäten funktionieren?

Außer Sondierungsgesprächen dürfte sich in diesem Jahr nicht mehr viel abspielen. Österreich hat bereits angekündigt, daß der Balkan während seiner EU-Ratspräsidentschaft im ersten Halbjahr 2006 ein Schwerpunkt-Thema sein werde. Was beim Berliner Kongreß 1878 nur halbherzig angegangen und 1918 / 19 gänzlich verpfuscht wurde, wird sich allerdings auch diesmal kaum reparieren lassen. Allein ein Umdenken in Grenzfragen vermag noch zu verhindern, daß die Muslime am Balkan endgültig nahöstlichen "Schutzmächten" in die Arme laufen - der "weltlichen" Türkei sowie den religiösen Fundamentalisten in Saudi-Arabien und im Iran.


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