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03.12.05 / Deutschland steht nur auf einem Bein / Warum der Konservatismus in der Bundesrepublik nie eine wirkliche Chance hatte

© Preußische Allgemeine Zeitung / 03. Dezember 2005

Deutschland steht nur auf einem Bein
Warum der Konservatismus in der Bundesrepublik nie eine wirkliche Chance hatte

Die Bundesrepublik Deutschland steht nur auf einem Bein. Jenseits der Sozialdemokratie hat sie eine Linke hervorgebracht, die einiges Gewicht auf die Waagschale bringt. Dies kann man von der Rechten nicht ernsthaft behaupten. Es gibt keine demokratische Rechte, die wirklich zählt, weder in der Parteienlandschaft, noch in der politischen Publizistik, "noch gar im Sinne einer die öffentliche Deutungskultur des westdeutschen Teilstaates maßgeblich prägenden normativen Instanz" (F.-L. Kroll). Ein Indiz für diese These ist, daß sich nur wenige Historiker und Politikwissenschaftler der Mühe unterzogen haben, die Geschichte des Konservatismus in Deutschland nach 1945 zu erzählen; ohne Antifa-Schaum vor dem Mund, versteht sich.

Unter der sachkundigen Herausgeberschaft des Chemnitzer Historikers Frank-Lothar Kroll, den Lesern der Preußischen Allgemeinen Zeitung vor allem als Autor auf der Geschichtsseite vertraut, haben sich nun jüngere und ältere Forscher darangemacht, die Perspektiven des Konservatismus, seine Institutionen und Organisationen, seine Presse und Publizistik, wissenschaftliche Milieus sowie die konservative Intelligenz darzustellen.

Wie erklärt sich der etwas seltsame Titel "Die kupierte Alternative"? Kroll macht deutlich, daß die Potentiale konservativen Denkens zweimal kupiert, also ausgeblendet und an den Rand gedrängt wurden. Zuerst un-mittelbar nach Kriegsende, als mit der Umerziehung durch die Siegermächte der angelsächsische Konsensliberalismus zur bestimmenden Ideologie wurde. Und dann natürlich 1968, als die revoltierenden Studenten all das zerstören wollten, was an Geschichte, Werten und Traditionen noch intakt geblieben war.

Doch es gab Ausnahmen. So hat der Konservatismus in der Bundesrepublik immer auch von besonderen Persönlichkeiten gelebt. Wissenschaftliche Studien zu wichtigen Publizisten wie Winfried Martini, Matthias Walden, Armin Mohler und anderen stehen zwar noch aus. Doch in dem vorliegenden Sammelband finden sich drei hoch interessante Aufsätze zu konservativen Intellektuellen, die besondere Erwähnung verdienen.

Hans B. von Sothen beleuchtet den Werdegang Hans Zehrers als politischer Publizist nach 1945. Zehrer ist der Vorwurf gemacht worden, er sei einer der wichtigsten Schreibtischtäter gewesen, von denen die Weimarer Republik tot geschrieben wurde. Dieser Vorwurf überschätzt zum einen maßlos den realen Einfluß der von Zehrer herausgegebenen Zeitschrift "Die Tat"; zum anderen müßte man dann ähnliches von der linken "Weltbühne" behaupten. Sothen schildert vorurteilsfrei und auf der Grundlage der einschlägigen Quellen des Unternehmensarchivs des Axel-Springer-Verlags, wie Zehrer in den 50er und 60er Jahren aus der Tageszeitung "Die Welt" eine konservative Speerspitze machen wollte.

Der rechte Intellektuelle konnte sich nur schwer mit den Zuständen in der "ganze(n) bundesrepublikanische(n) Ortskrankenkasse" abfinden. Sein Porträtist schreibt lapidar: "Am 23. August 1966 starb Hans Zehrer und mit ihm das noch junge Experiment einer dezidiert konservativen deutschen Zeitung." 1965/66 hatte der "Welt"-Chefredakteur Zehrer nämlich alle maßgeblichen konservativen Edelfedern in seinem Blatt versammelt. Danach sollte die "Welt" nie wieder den Mut aufbringen, sich als dezidiert konservatives oder "rechtes" Organ zu positionieren.

Von ganz anderem Zuschnitt war der Literaturkritiker und Frankreich-Freund Friedrich Sieburg, dem der in München lehrende Historiker Hans-Christof Kraus einen glänzenden biografischen Abriß widmet. Es gereicht unserem Staat nicht zur Ehre, "daß eine solch sprachmächtige und stilbildende Persönlichkeit aus dem intellektuellen Haushalt der Gegenwart verdrängt worden ist" (H.-C. Kraus). Der Ästhet Sieburg, der vor allem für die "Frankfurter Allgemeine Zeitung" schrieb, hielt den westdeutschen Teilstaat für ein Wirtschaftssystem, über das ein wohlfunktionierender Staatsapparat gestülpt sei. Er bekämpfte die völlige Amerikanisierung der deutschen Kultur, hielt an der deutschen Einheit fest und "nahm sich das Recht heraus, sich zum Sprecher derjenigen Millionen von Deutschen zu machen, die von Berlin und vom Erbe Preußens nicht lassen wollten".

Die junge Kroll-Doktorandin Susanne Peters liefert schließlich ein Porträt des vergessenen Publizisten William S. Schlamm, der bisweilen mit Springer und Strauß auf einer Wellenlänge funkte, als Sohn eines jüdischen Kaufmanns geboren wurde, als Kommunist begann, Redakteur der amerikanischen Zeitschrift "Fortune" wurde, für den "Stern", die "Welt am Sonntag" und den "Bayernkurier" schrieb und Anfang der 70er Jahre "Die Zeitbühne" ins Leben rief, neben "Criticón" ein wichtiges Periodikum des deutschen Konservatismus.

Schon 1959 hatte Schlamm mit seiner Deutschland-Studie "Die Grenzen des Wunders" eine erste "rechte Fundamentalkritik der Bundesrepublik" (Caspar von Schrenck-Notzing) vorgelegt. Ein Mann mit Mut und Esprit und manchmal auch ziemlich abstrusen Überzeugungen.

Wer mehr über die kupierte Alternative erfahren will, der sollte sich den nicht ganz billigen Sammelband unbedingt zulegen oder in einer Bibliothek bestellen. Ansgar Lange

Frank-Lothar Kroll (Hrsg.): "Die kupierte Alternative - Konservatismus in Deutschland nach 1945", Duncker & Humblot, Berlin 2005, 347 Seiten, 78 Euro


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